Bild Pixabay.com Autor hebinisaak

Deut­sches Mel­de­wesen: Henseln und Spetzln

Ich weiß ja nicht, wie lange Ihr letztes Klas­sen­treffen her ist, lieber Leser, aber manchmal triggern aktuelle Ereig­nisse Erin­ne­rungen, die eng mit Per­sonen ver­knüpft sind. Man fragt sich dann, was wohl aus diesem oder jenen geworden sein mag, ob der Klaus heute seine Tob­suchts­an­fälle unter Kon­trolle hat oder die Eva noch immer an den Nägeln knabbert. In letzter Zeit hört man ja unglaublich viel über den „Kampf gegen rechts“ und den Versuch, „Hass und Hetze“ zurück­zu­drängen, selbst dann, wenn es sich weder um das eine noch das andere handelt. Die Polizei rückt zu „Gefähr­der­an­sprachen“ aus, Mel­de­portale erfassen „Delikte unter der Straf­bar­keits­grenze“ und die „Grenzen des Sag­baren“ ver­laufen durch Sümpfe und Minen­felder, von denen nur die Minen­leger und Sumpf­be­wohner wissen, wo sie liegen.

Klar, dass ich da früher oder später an Gerald denken musste, der gewis­ser­maßen als der heilige Schutz­patron des Zeit­alters der Petzen und Denun­zi­anten gelten darf. Wie? Sie kennen Gerald nicht? Es ist doch gerade mal sieben Jahre und einen Keks her, dass er – unaus­ge­lastet von seinem Tagesjob bei der Agentur Scholz & Friends – durchs Internet streifte, um wer­be­trei­bende Firmen freundlich daran zu erinnern, auf was für anrü­chigen Seiten deren Anzeigen zu sehen seien. Bei vielen Medien abseits des Main­streams brach damals dank Gerald Hensels emsiger Wühl­tä­tigkeit das Werbe-Standbein fast kom­plett weg, und nur unseren Lesern war es zu ver­danken, dass wir auf Sendung bleiben konnten.

Mitt­ler­weile gehörten Canceln, Denun­zieren und die Angst vor Kon­takt­schuld zu Deutschland wie Mai­kra­walle und Kar­tof­fel­salat. Da hofft man natürlich, dass der pro­mi­nen­teste Early-Adopter dieses Trends es bis ganz nach oben geschafft hat, dass er aus­ge­zeichnet wurde und aus­ge­sorgt hat, dass Straßen und Müll­ver­bren­nungs­an­lagen oder wenigstens ein Anbau am Haupt­quartier des Ver­fas­sungs­schutzes nach ihm benannt wurden. Die Wege von Hensel und der Agentur Scholz & Friends trennten sich bekanntlich rasch, aber kuss­händ­chen­werfend. Gerald „Ich habe alles richtig gemacht“ Hensel zog neuen Hori­zonten ent­gegen. Irgendwie und irgendwo muss sich die Denun­ziation doch ver­golden lassen!

Der Hashtag #kein­Geld­Für­Rechts der Hensel‘schen Boykott-Kam­pagne brannte bekanntlich nicht länger als eine Wun­der­kerze. Außerdem lässt sich über derlei volatile Kanäle, in denen jeder alles ver­breiten kann, nur äußerst mühsam Geld ver­dienen. Seine private Akti­vis­ten­plattform davaidavai.com war dafür auch unge­eignet und roch zu allem Übel auch nach sta­li­nis­ti­schem Gulag und Nord­korea-Fanpage, als dass sich darüber Spenden ein­sammeln ließen. Heute ist die Seite still­gelegt und auf eine Restaurant-Seite im Beta-Bas­tel­zu­stand wei­ter­ge­leitet. Wer in Erin­ne­rungen schwelgen will, muss also im Archiv suchen.

Einfach nur Stellung bezogen

Es folgte im Mai 2017 die Gründung des Vereins „Fearless Demo­cracy e.V.“, wo Hensel sich in erster Linie beim Ver­fassen von Artikeln der Sorte „Einer­seits, ande­rer­seits, was auch immer“ selbst Mut zusprach, und wie schon bei der Hashtag-Kam­pagne lie­ferte das Bran­chen­portal W&V die pas­sende Hymne zum Start. Der Meis­ter­stratege Hensel sei zurück und melde sich nun sogar vom inter­na­tio­nalen Parkett. Der alte Fach­be­griff dafür lautet wohl weniger „Neu­start“ als vielmehr „Flucht nach vorn“. Letztlich war der Verein, dessen Website schon nach kurzer Zeit wieder in den War­tungs­modus ver­setzt wurde, wohl nur das Vehikel zum Start des nächsten großen Pro­jekts mit dem pra­xis­ori­en­tiert klin­genden Namen HateAid.org.

Die Stra­tegie, als Initiator mit G‘schmäckle mög­lichst sparsam in Erscheinung zu treten, war klug gewählt, und so taucht Hensel auf der about-Seite außer auf einem Foto der Initia­toren samt dazu­ge­hö­riger Bild­un­ter­schrift nir­gends auf. Dort dann aller­dings mit pas­sendem Opfer­status, auf dass der Grün­dungs­mythos von HateAid schön glänzen möge: „Unsere Co-Founder von Fearless Demo­cracy e.V. mussten selbst umfas­senden Hass erfahren. Einfach nur, weil sie im Netz poli­tisch und gesell­schaftlich Stellung bezogen hatten.“

Einfach nur Stellung bezogen hat der Gerald damals, jawohl! Dass diese Stellung eher dem Richt­schützen einer Flak-Bat­terie glich und er ver­suchte, ihm unliebsame Medien öko­no­misch vom Himmel zu pusten, daran muss der Leser ja nicht erinnert werden. Doch scrollen wir die Seite noch etwas weiter runter, fällt uns auf, dass HateAid etwas geschafft hat, was Hensels Vor­läu­fer­pro­jekte nicht ver­mochten: sich nämlich gleich an zwei minis­te­ri­ellen Steu­er­zitzen fest­zu­saugen. Einmal über das illustre Pro­gramm „Demo­kratie leben“ an das grüne Paus-Minis­terium für Familie, und dazu noch an das Jus­tiz­mi­nis­terium der FDP unter Buschmann. Laut Trans­pa­renz­be­richt 2022 floss min­destens eine halbe Million Ihrer Steu­er­gelder in die Hensel‘sche Hass­be­kämpfung. Nur viel­leicht etwas selek­tiver, als der Name des Pro­jekts ver­muten lässt.

Pro­mi­bonus und der Kampf gegen „TERFs“

Auf­fällig ist nämlich, dass sich HateAid besonders laut­stark und öffent­lich­keits­wirksam vor die von Hass geschun­denen Poli­ti­ker­seelchen unserer geschätzten grünen Regie­rungs­partei wirft. Lobend zu Wort kommen etwa Tareq Alaows von Pro Asyl, Ste­fanie „Es ist gut so, dass die Deut­schen bald in der Min­derheit sind“ von Berg aus der Ham­burger Bür­ger­schaft, Renate Künast, Claudia Roth, Volker Beck… alles Grüne. Man fragt sich, ob bestens ver­netzte und mit Diäten gepäp­pelte Poli­tiker einer Regie­rungs­partei wirklich die Hilfe einer NGO brauchen, um zivil­rechtlich gegen Leute vor­zu­gehen, die sich – und das sei hier aus­drücklich zuge­standen – deutlich in Aus­drucks­weise und Ton ver­greifen. Für alle straf­rechtlich rele­vanten Fälle ist ohnehin die Staats­an­walt­schaft zuständig, die bekanntlich keine Rechts­kosten bei ihren selbst­ge­wählten Man­danten eintreibt.

Und man fragt sich, wer hier eigentlich wem hilft: HateAid den Poli­tikern oder die Poli­tiker HateAid. Denn es gibt sie ja wirklich, die Men­schen, die Schwie­rig­keiten haben, sich gegen Hetz­kam­pagne im Netz zur Wehr zu setzen. So zum Bei­spiel Zana Ramadani, die sich über den Button „Helft mir!“ auf deren Website an HateAid wandte, nur um dort tele­fo­nisch zu erfahren, dass man sich für ihren Fall nicht wirklich inter­es­siere, weil der Hass gegen sie nicht wie gewünscht von rechts kommt und Zana auch nicht pro­minent genug sei, um für HateAid mediale Auf­merk­samkeit – und dadurch natürlich auch weitere Spenden – zu generieren.

Was nicht hin­zu­neh­mender Hass ist, ent­scheidet HateAid mit gewal­tiger woker Schlag­seite, wie die Pro­pa­ganda der Alphabet-People zeigt, die auf der Website unter „Que­er­feind­lichkeit“ rubri­ziert ist. Inklusive einer abwer­tenden Defi­nition von Frauen als „Terfs“, wenn sie sich weigern, groß­artig zu finden, dass Typen in Frau­en­kleidern in ihren Umkleiden, Dusch­ka­binen oder Sport­wett­kämpfen auftauchen.

Wer die Zivil­ge­sell­schaft unter­stützen will…

Gerald Hensel hat nun beschlossen, wieder etwas mehr aus dem Schatten zu treten und schreibt jetzt eine Kolumne für „Absatz­wirt­schaft“, wo er uns als „seit vielen Jahren aktiv gegen Gewalt und Des­in­for­mation im Netz“ vor­ge­stellt wird. Die Artikel sind so sub­stanzlos wie früher bei „Fearless Demo­cracy“ und hangeln sich erwartbar am „current thing“ entlang. Im aktu­ellen mit dem Titel „Etwas tun“ schnuppert Hensel nun Mor­genluft, sei­nes­gleichen sei in der modernen Mel­de­re­publik endlich wohl­ge­litten. „Akti­vismus ist wieder in. Die haar­sträu­benden rechts­extremen Ver­trei­bungs­pläne der letzten Wochen haben nicht nur Mil­lionen Men­schen auf die Straße gebracht. Sie haben auch die Kom­mu­ni­ka­tions-Com­munity repo­li­ti­siert. Alle wollen plötzlich „etwas tun“.“

Sie merken, liebe Leser, auch der Gerald taucht seine Feder in das Salböl, das Cor­rectiv in Potsdam aus dem Nichts erschaffen hat. Die Kom­mu­ni­ka­tions-Com­munity weiß, was zu tun ist und wird mit diesem Schlan­genöl sicher noch viele Akti­visten zu Helden umlabeln und „enabeln“. Die deutsche Wirt­schaft möge den Rechtsruck im Land doch bitte bekämpfen, indem sie denen Geld gebe, die „den Kampf gegen rechts schon lange führen“, meint Hensel. Ein Schelm, der glaubt, damit meine er in erster Linie sich selbst und das geschlossene, inzes­tuöse Öko­system des Denun­zi­an­tentums, wo man im Pro­jekt­modus Steu­er­gelder abgreift, wo man nur kann, sich gegen­seitig Orden an die Brust heftet und jeder mediale Skandal durch Anschluss­ver­wen­dungen in der nächsten neuen „zivil­ge­sell­schaft­lichen“ NGO abge­federt wird. Noch einmal Hensel in seiner Kolumne:

„Wer die Zivil­ge­sell­schaft nach­haltig unter­stützen will, „enabelt“ sie mit dem, was sie am meisten braucht: Geld, Wissen und Arbeit.“ Die Welt der Geralds von der Mel­de­front ist klein, aber das war sie eigentlich schon immer. Ein Bei­spiel? Raten Sie doch mal, liebe Leser, wer im Jahr 2023 neben Hensels „HateAid“ außerdem mit der Theodor-Heuss-Medaille aus­ge­zeichnet wurde. Richtig: Cor­rectiv.

Zuerst erschienen auf unbesorgt.de