Die Rekordfahrt des Bitcoins (2017 rd. + 1.750%) geht in die Überhitzungsphase. Börsenanalyst Dr. Viktor Heese diskutiert in diesem Beitrag, warum die Kryptowährung kurz vor dem Crash steht und fragt, ob dieser weltweite Kapitalmarkturbulenzen auslösen kann. Dem risikofreudigen Anleger wird am Beispiel eines Derivats auf die Deutsche Bank-Aktie gezeigt, wie eine ähnlich hohe Rendite wie beim Bitcoin, erzielt werden kann. Wer an der Börse etwas zu riskieren will, muss nicht in exotische Anlagen flüchten.
Inflation, Akzeptanz, Diskretion – Bitcoin hat gleiche Schwächen wie traditionelle Währungen
Eine Währung bleibt stabil, sprich „inflationssicher“, wenn ihre Zahlungsmittel (z.B. Goldmünzen) nur in begrenzter Anzahl („rar“) vorkommen und als Tauschmittel akzeptiert werden. Schon im Altertum verloren Goldmünzen oft die Akzeptanz als erste Fälschungen bekannt wurden. Seit der Aufgabe des Goldstandards in 1945 bestimmen Notenbanken über ihr Geldschöpfungsmonopol, ob Währungen „rar“ bleiben. Der USD und Euro sind das nicht, weil die FED/EZB die Geldmengen massiv aufblähen und wir dadurch Vermögensinflation bekommen. Dennoch genießen beide Währungen Akzeptanz, weil es global gesehen „nichts besseres“ gibt. Andererseits sind selbst große Emerging Markets, wie Brasilien, heute mit beiden Mankos – der Inflation und Währungsschwäche (schwache Akzeptanz des Reals) – schlimm dran. In der Digitalisierungsära müssen die Bürger noch ein drittes Manko akzeptieren. Unsere Bankkonten sind „gläsern“ für den Staat, wenn dieser legal oder illegal dort schnüffeln möchte (aktuelle Diskussion um die Bargeldabschaffung). Es gibt also keine Diskretion.
Der Bitcoin garantiert als „dezentrale Währung“ leider nur die Diskretion. Die ersten beiden Mängel bleiben. Die angeblich nicht vermehrbare Digitalwährung ist nicht „rar“, weil es andere Konkurrenten (Multibit, Elektrum) gibt oder auftauchen können. Die Inflationsgefahr bleibt daher bestehen. Noch unsicherer ist die Akzeptanz, die plötzlich weg brechen kann. Der 2008 erschaffene Bitcoin ist kein gesetzliches sondern freiwilliges Zahlungsmittel. China und Russland erlauben hierin keine Zahlungen.
Bicoin unterliegt als Anlage Wertschwankungen, der Investor kann einen Totalverlust erleiden
Neben der Zahlungsmittel- ist beim Bitcoin wie bei anderen Währungen die Wertaufbewahrungsfunktion, seine Eigenschaft als Anlagemedium, zu prüfen. Die Bewertung umfasst zwei Feldern: die langfristige Werthaltigkeit und der aktuellen Kurshöhe. Bei der Daimler-Aktie fragen wir auch mittels des bekannten KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis), ob der Autobauer in Relation zu seiner nachhaltigen Ertragskraft nicht zu „teuer“ ist. Der Chartanalyst prüft dagegen ob der aktuelle Aktienkurs durch die Börsenstimmung, Gerüchte, Sektorenschwäche und Ähnliches mehr, nicht nach „oben“ nicht verzerrt ist. Wenn ja bleibt zu warten bis sich die Lage normalisiert. Es gibt also stets die „Ob?“- und die „Wann?“-Frage. Bei Wertanlagen können sowohl exorbitante Gewinne erzielt als auch Totalverluste eingefahren werden. Der Bitcoin wird hier keine Ausnahme bilden.
Der faire Wert des Bitcoin lässt sich nicht bestimmen
Bitcon ist kein Wertpapier, wie eine Aktie, sondern eine „Währung“ die sich einer Fundamentalanalyse entzieht. Schon bei einer Aktie gibt es massive Bewertungsprobleme. Dennoch gilt hier generell: steigende Gewinne, steigende Aktienkurse. Seinerzeit begründeten Analysten die Kurshausse am Neuen Markt mit erwarteten Top-Gewinnen, welche die neue revolutionäre Technologie der New Economy versprach. Daraus ließen sich faire Bewertungen ableiten. Wo die faire Bewertung des Bitcoins liegt, bleib offen. .
Zwar wird dem Bitcoin und der zugrunde liegenden Blockchain-Technologie ebenfalls Revolutionäres nachgesagt. Das mag richtig sein. Diese technologiebedingten Gewinne sind dennoch der Volkswirtschaft als Ganzes und weiter den einzelnen – noch unbekannten – Unternehmen zuzuordnen. Sinnvoller wäre daher zu fragen, welchen Unternehmen die neue Technologie zu Gewinnsprüngen hilft? Als „Währung“ würde der Bitcoin-Kurs von der Technologieverbreitung nur dann profitieren, wenn sich seine Knappheit erhöht. Dies ist der Fall, wenn die Zahl der Zahlungstransaktionen in einer wachsenden Volkswirtschaft stärker zunimmt als die Zahl der heute bekannten 9,8 Millionen Bitcoins. Wegen des komplizierten Erstellungsalgorithmus wächst diese erheblich langsamer als die Volkswirtschaft (etwa 0,7% jährlich). 2130 soll es 21 Millionen Bitcoins geben. Eine gewisse Knappheit ist also nicht zu verleugnen. Dennoch gilt zu fragen, was ist mit den konkurrierenden Kryptowährungen, die ebenfalls als Zahlungsmittel fungieren können? Und weiter: Was passiert, wenn entgegen den Erwartungen der Bitcoin auch in einer wachsenden Volkswirtschaft nicht mehr oder viel weniger als Währung akzeptiert wird? Ist dann ein Crash angesagt?
Lehren aus der Old Economy vergessen – Symptome eines Crash mehren sich
Quelle: GeInvestor
Börsianer lieben Sprüche, wenn sie vor nahenden Kurseinbrüchen warnen. „Die Bäume wachsen nicht in den Himmel“ oder „Was hoch steigt, kann tief fallen „- sind die bekanntesten Parkettweisheiten. Diese allein als Crash-Begründung anzuwenden wäre aber zu pseudo-analytisch. Andererseits sind Symptome, in Form einer stark übertriebenen Medienaufmerksamkeit und extreme Kursschwankungen klare Warnsignale, wie stark der Kurs eines Anlagemediums überreizt ist. Es vergeht kaum ein Tag an dem unsere öffentlich-rechtliche Tagesschau oder die Telbörse auf ntv nicht berichten würden, der Krypto-Star sei einmal wieder um 500 oder 1000 € gestiegen oder gefallen. Genauso war es auf dem Höhepunkt der Neuer Markt-Blase. Damals hat der Nemax-Index innerhalb von drei Jahren gut 1700% zugelegt, bis er diese Gewinne in gleicher Zeit, wieder abgab. Der Bitcoin-Kurs schaffte die Rekordmarke von 1.750% allein in diesem Jahr und steht heute bei 14.260€. Für einen Coin kann ein Kleinwagen gekauft werden, wenn der Verkäufer das Zahlungsmittel akzeptiert. Allerdings gibt die Chartanalyse noch kein „Verkaufssignal“.
Kaufempfehlungen trotz der Absturzgefahr aber Warum in der Ferne schweifen…
Wie beim Neuen Markt, wird auch heute in Anleger-Magazinen mit Hinweis auf alte Kursrekorde zum Einstieg geblasen. Ganz heiß sind die neuen Derivate-Empfehlungen, die billiger aber auch risikoreicher sind. Durch die Trommelwerbung werden professionelle aber vorsichtige Zocker doch noch aus der Reserve gelockt und blauäugige Kleinanleger (Börsenspruch: Der Kleinanleger ist das Kanonenfutter der Börse) en masse mit Kleinbeträgen in Käufe hereingejagt.
Sowohl vom Direktkauf des Bitcoin als auch vom Kauf von Kauf-/Verkaufsoptionsscheins (Calls oder Puts) ist aus Transparenzgründen abzuraten. Wer weiß schon über den Bitcoin Bescheid? Risikofreudige, die es heiß dennoch mögen, könnten alternativ einen einjährigen Call auf die Aktie der Deutschen Bank erwerben. Die Eckdaten mit Erläuterungen stellt die obige Graphik dar. Steigt der Aktienkurs bis zum 18.12.2018 um 80% von heute 16,40€ auf 29,52€, macht der Scheininhaber 2.249% Gewinn, also mehr als beim Kryptotitel in 2017. (Die Aktie muss aber mindestens auf 23,65€ steigen, sonst droht Totalverlust). Denkt man an die diesjährigen Kurssprünge von 133% bei der Lufthansa oder den + 82% bei RWE ist eine Gewinnsteigerung von 80% bei der Deutschen Bank – die ebenso seit Jahren konsolidiert – nichts Utopisches. Auch die Commerzbank schuf mit +64% schon die Wende.Warum in der Ferne schweifen, wenn…
Bricht der Bitcoin ein, ist das noch lange kein Weltuntergang
Ein 50%iger Kurseinbruch oder absolut von 150 Mrd. USD bei allen Kryptowährungen wäre kein Drama. Das sind gerade 1,5% bis 2% dessen was die Finanzkrise 200 gekostet hatte, oder etwa 0,2% der heutigen Marktkapitalisierung aller Aktienmärkte. Dennoch darf der Dominoeffekt nicht unterschätzt werden.