Deutsch­lands „böse“ Exporte: eine Wohltat für andere – weil wir sie verschenken!

Lauthals gibt es Kritik an der pro­tek­tio­nis­ti­schen Politik der US-Regierung. Natürlich ist Pro­tek­tio­nismus falsch und gehört kri­ti­siert. Was mich aber bedenklich stimmt ist etwas anderes: die völlige Wei­gerung bei uns anzu­er­kennen, dass unsere Über­schüsse eben auch nicht gesund sind. Ich bin immer wieder erstaunt, mit welcher Hart­nä­ckigkeit die Kam­pagne für unseren Export­über­schuss betrieben wird. Ich denke zunehmend, es dient in Wirk­lichkeit nur dazu, die Geschichte vom „Nutzen des Euro“ zu unter­mauern und damit einer Politik der Umver­teilung den Weg zu bereiten. Dabei ist es nach­weislich nicht in unserem Interesse, diese Über­schüsse zu erzielen, weil wir sie schlecht anlegen:
Deutschland spart falsch – das müssen wir ändern!
Hier ein wei­teres Bei­spiel für die Kam­pagne aus der Welt, die von einer Studie des Prognos-Instituts berichtet:

  • „Der deutsche Erfolg, so argu­men­tieren die Kri­tiker, gehe zulasten anderer Länder (…) und sei nicht zuletzt die Folge zu nied­riger Löhne in der deut­schen Wirt­schaft. Somit seien die Deut­schen mit­ver­ant­wortlich für die schwache Wirt­schafts­ent­wicklung in Ländern wie Grie­chenland oder Italien, so lautet der Vorwurf. Die These vom Null­sum­men­spiel, bei dem der Export­erfolg des einen Landes auto­ma­tisch einen Nachteil für seinen Han­dels­partner bedeutet, wird von einer Studie des Schweizer Wirt­schafts­for­schungs­in­stituts Prognos aller­dings widerlegt.“
    Kom­mentar: Das ist auch nicht richtig. Es wäre eine viel zu pau­schale Kritik. Die Länder ver­schulden sich, um im Ausland mehr Güter ein­zu­kaufen, als sie selber ver­kaufen. Sie bezahlen dafür also mit neu geschaf­fenem Geld, weshalb es gar nicht schlecht sein muss. Die USA sind dafür das beste Bei­spiel. Die Kritik zielt natürlich darauf ab, dass Deutschland so mehr Autos etc. ver­kauft zulasten der eigenen Her­steller. Dies kann ein Problem sein. Und in der Tat führen güns­tigere Kosten zu einem Vorteil für die deut­schen Expor­teure und der Euro ver­festigt diesen Vorteil. Dennoch ist der Euro für uns nicht gut, aus ver­schie­denen Gründen, wie u. a. hier erläutert: → Zehn Gründe, warum die Deut­schen nicht die Gewinner des Euros sind
  • „Danach pro­fi­tieren die anderen EU-Staaten auf­grund der weit fort­ge­schrit­tenen Arbeits­teilung in der Union sogar im hohen Maße vom deut­schen Wirt­schafts­auf­schwung. Ins­gesamt sichere die Import­nach­frage der Deut­schen knapp fünf Mil­lionen Arbeits­plätze in den anderen Mitgliedstaaten (…).“
    – Kom­mentar: Das ist die „Basar­öko­nomie“ von Hans-Werner Sinn. Wir beziehen immer mehr Vor­leis­tungen, die unseren Han­dels­über­schuss etwas mindern. Daraus abzu­leiten, dass der Über­schuss gesund ist, finde ich schon heroisch. Die Welt zeigt dazu dieses Bild:

Quelle: Info­grafik Die Welt

  • „Sollte Deutschland seine Wett­be­werbs­stärke etwa durch hohe Lohn­stei­ge­rungen ein­büßen, brächte dies den meisten euro­päi­schen Ländern kei­neswegs Vor­teile, sondern hätte vielmehr auch für sie negative Folgen, wie Berech­nungen der Prognos-For­scher zeigen.“
    – Kom­mentar: naja. Man muss kein For­scher sein, um zu wissen, dass eine Rezession bei uns zu weniger Import­nach­frage führt. Damit ist aber der Beweis nicht ange­treten, dass die Über­schüsse den anderen nicht schaden und schon gar nicht, dass sie uns nutzen!

Quelle: Info­grafik Die Welt

  • „Für zahl­reiche Länder Europas ist Deutschland der wich­tigste Han­dels­partner. Besonders eng sind die Staaten in Mit­tel­ost­europa sowie die klei­neren west­eu­ro­päi­schen Nach­bar­staaten mit der hie­sigen Wirt­schaft ver­flochten. Für diese Regionen, etwa für Polen oder Tsche­chien, ist die deutsche Industrie laut Studie ein Wachstumstreiber.“
    – Kom­mentar: Na also, was für eine Erkenntnis!
  • „An der Spitze der EU-Staaten, aus denen Deutschland Importe bezieht, liegen die Nach­bar­länder Nie­der­lande, Frank­reich und Belgien. Nach Italien, auf Platz vier, folgen die mit­tel­ost­eu­ro­päi­schen Länder Polen und Tsche­chien sowie Öster­reich. (…) Dagegen pro­fi­tierten die (…) süd­eu­ro­päi­schen Länder deutlich weniger (…) ver­gleichs­weise schwache indus­trielle Basis bei­spiels­weise in Grie­chenland oder Por­tugal zur Folge, dass dort nur in geringem Umfang Güter her­ge­stellt würden (…).“
    – Kom­mentar: Ehrlich gesagt sind das ziemlich banale Aus­sagen, die hier unter dem Titel: „Deutsch­lands böse Exporte sind für die anderen ein Segen“ auf­ge­führt werden.
  • „Sollte es (…) zu einer Sta­gnation kommen, hätte dies auch erheb­liche negative Folgen für die meisten EU-Partner, wie Berech­nungen der For­scher zeigen. Die größten Wachs­tums­ver­luste hätten dabei die Slo­wakei, Tsche­chien, Ungarn und Polen zu ver­kraften. Weil bei einer Schwä­chung der größten Wirt­schafts­nation der EU ein nied­ri­geres Zins­niveau zu erwarten wäre, käme es in Grie­chenland und Italien dagegen bei diesem Sze­nario sogar zu einem leicht posi­tiven Gesamt­effekt. Kaum Ver­än­de­rungen gäbe es für Spanien und Frankreich.“
    Kom­mentar: Die Aufrag­geber der Studie – die baye­rische Wirt­schaft – betonen denn auch, dass die anderen Länder nicht jammern, sondern eher ihre Haus­auf­gaben machen sollen. Fein, wer könnte da widersprechen?

Offen bleiben dennoch die ent­schei­denden Fragen: Weshalb sollen wie weiter unsere Erspar­nisse im Ausland stehen lassen als Forderungen/Direktinvestitionen und ist es wirklich in unserem Interesse einen so großen Über­schuss zu erzielen? Ich denke nein.


Quelle: Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com
welt.de: „Deutsch­lands böse Exporte sind für die anderen ein Segen“, 21. Februar 2018