Von Henry Mühlpfordt - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link

Die Indus­trie­länder sind gefangen in der Überschuldung

Die NZZ dis­ku­tiert die Über­schul­dungslage in der (west­lichen) Welt und hat mich in diesem Zusam­menhang auch zitiert. Auszüge:

  • „In den ersten neun Monaten des Jahres 2017 ist die Ver­schuldung von Staaten, Unter­nehmen und Pri­vat­haus­halten weltweit um 16,5 Bio. $ auf mehr als 230 Bio. $ gestiegen. Dieser anhal­tende Anstieg zer­stört eine Illusion – nämlich die, dass sich die glo­balen Schul­den­berge durch die soge­nannte «finan­zielle Repression» abbauen lassen würden. (…)  In den Jahren nach dem Zweiten Welt­krieg gelang so in west­lichen Ländern wie den USA und Gross­bri­tannien ein kon­ti­nu­ier­licher Abbau der hohen Staats­schulden von mehr als 100% bzw. über 250% des Bruttoinlandprodukts.“
    – Stelter: das war auch meine Argu­men­tation im Gespräch mit Herrn Ferber von der NZZ. Es klappt nicht, weil wir viel zu schnell zusätz­liche Schulden machen.
  • „Im Gegensatz zu den Jahr­zehnten nach dem Zweiten Welt­krieg habe die finan­zielle Repression dieses Mal nicht funk­tio­niert, sagt der Ökonom und Unter­neh­mens­be­rater Daniel Stelter. Das Grund­problem der hohen Schulden sei geblieben bzw. habe sich noch ver­schlimmert. Der welt­weite Schul­denturm wachse wei­terhin. Er könne nur sta­bi­li­siert werden, wenn die Zinsen immer weiter sänken.“
    – Stelter: das ist ganz wichtig. Weil die Schulden absolut und relativ immer höher sind, geht es nur mit immer­während tie­feren Zinsen.

Andere Situation als nach den Weltkriegen

  • „Die Wis­sen­schafter Gunther Schnabl und Andreas Hoffmann von der Uni­ver­sität Leipzig gehen indessen davon aus, dass die Ent­schuldung durch finan­zielle Repression in den Nach­kriegs­jahren nur möglich war, weil damals Son­der­be­din­gungen herrschten. Das hohe Wirt­schafts­wachstum habe eine wichtige Rolle gespielt. Dieses sei dadurch ent­standen, dass grosse Teile von Europa und Japan hätten wie­der­auf­gebaut werden müssen.“
    – Stelter: wich­tiger noch: die Demo­grafie war besser! Wir hatten alleine deshalb schon höheres Wachstum.
  • „Die sehr expansive Geld­po­litik lähme die Wachs­tums­kräfte, weil markt­wirt­schaft­liche Prin­zipien unter­graben würden. Die finan­zielle Repression sei gekenn­zeichnet von zen­tral­bank­fi­nan­zierten Staats­aus­gaben, staat­lichen Kon­trollen im Finanz­sektor und gerin­geren Pro­duk­ti­vi­täts­ge­winnen. Zudem werden durch die ultra­ni­ed­rigen Zinsen immer mehr Unter­nehmen am Leben erhalten, die eigentlich aus dem Markt aus­scheiden müssten –soge­nannte «Zombie-Unter­nehmen». Solche Firmen erhalten günstige Kredite von den Banken und inves­tieren nicht in eine effi­zi­entere Pro­duktion oder in Inno­vation.“
    – Stelter: siehe dazu auch meinen kürz­lichen Kom­mentar beim manager magazin.

Popu­listen auf dem Vormarsch

  • „Laut Schnabl und Hoffmann hat die ultr­aex­pansive Geld­po­litik zwar einen Teil der Bevöl­kerung reicher gemacht. Dazu zählen vor allem Anleger, die in Immo­bilien und Aktien inves­tiert haben. Grosse Teile der Bevöl­kerung seien durch die Geld­schwemme aber ärmer geworden. So habe die Geld­schwemme in vielen Ländern zur wach­senden Unzu­frie­denheit in der Mit­tel­schicht geführt und damit dem Auf­stieg von Popu­listen den Weg bereitet. Die beiden Wis­sen­schafter sehen in den Indus­trie­ländern Par­al­lelen zu den plan­wirt­schaft­lichen Struk­turen in ost- und mit­tel­eu­ro­päi­schen Ländern vor dem Zusam­men­bruch des Kom­mu­nismus.“
    – Stelter: weil wir die Bud­get­re­striktion abge­schafft haben.
  • „…der wach­sende Pro­tek­tio­nismus in Indus­trie­ländern, allen voran den USA, sei ein Zeichen der wirt­schaft­lichen Eiszeit, sagt Stelter. In einer Welt mit schwä­cherem Wirt­schafts­wachstum sinke die Toleranz gegenüber Han­dels­bi­lanz­über­schüssen anderer Länder.“
    – Stelter: was uns in Deutschland noch teuer zu stehen kommen wird.
  • „Trump ver­suche mit seiner Politik gewis­ser­massen, die US-Wirt­schaft «aus der wirt­schaft­lichen Eiszeit zu bomben», sagt Stelter. Aller­dings glaubt der Ökonom nicht, dass es den USA gelingen werde, nach­haltig zu den Wachs­tums­raten von vor der Krise zurück­zu­kehren. Die Frage sei vielmehr, ob die Zinsen nach­haltig über­haupt steigen könnten.“
    – Stelter: können sie nicht, weil dann die Blase platzt.

Stei­gende Zinsen nur eine Zwischenperiode?

  • „Stelter geht davon aus, dass es sich bei den stei­genden Zinsen um eine Zwi­schen­pe­riode handelt. Die Welt sei gewis­ser­massen in der Über­schuldung gefangen. Würden die Zinsen zu stark steigen, drohe das ganze über­schuldete System zu kippen. Unter anderem würde dann ein mas­siver Anstieg der Unter­neh­mens­in­sol­venzen drohen. Die kri­tische Schwelle beim Zins sinkt mit stei­gender Ver­schuldung immer weiter – ein Teu­fels­kreis, aus dem es laut Stelter kein schmerz­freies Ent­kommen gibt.“
    – Stelter: Lesern dieser Seiten wohlbekannt.
  • „Auch Schnabl und Hoffmann halten die Lage für schwierig; da Struk­tur­re­formen für einen Abbau der Staats­aus­gaben demo­kra­tisch schwer umsetzbar sind, liegt für sie der Ball bei den Zen­tral­banken. Die beiden Wis­sen­schafter fordern einen schritt­weisen Aus­stieg aus der finan­zi­ellen Repression durch eine Been­digung von Anlei­he­käufen und kon­zer­tierte Zins­er­hö­hungen der Noten­banken, bei­spiels­weise um 0,5 Pro­zent­punkte pro Jahr über eine lange Periode hinweg. (…)Der gemäch­liche Anstieg der Zinsen würde bewirken, dass über­schuldete Staaten und Zombie-Unter­nehmen mehr und mehr gezwungen wären, endlich reinen Tisch zu machen. Sie müssten sich bewegen und ihre inef­fi­zi­enten Struk­turen über­ar­beiten.“
    – Stelter: was natürlich naiv ist. Denn wer trägt den Schaden? Dies ist die ent­schei­dende Frage! Und um die Beant­wortung drücken sich alle.

Die Noten­banken und der «Giftmüll»

  • „Stelter hält einen ähn­lichen Crash an den Finanz­märkten wie im Jahr 2008 für nicht unwahr­scheinlich. Im Anschluss daran sei davon aus­zu­gehen, dass die Noten­banken erneute Ret­tungs­pro­gramme starten würden. Mög­li­cher­weise komme dann auch das bereits in den ver­gan­genen Jahren dis­ku­tierte Instrument des Heli­ko­pter­gelds zum Einsatz. Ins­gesamt gesehen hätten die Noten­banken das «Spiel» viel zu weit getrieben, sagt Stelter. Mit immer bil­li­gerem Geld haben sie auf Zeit gespielt, das Problem jedoch immer grösser gemacht.“
  • „Eine «Lösung» für das Problem der Über­schuldung könnte sein, dass die Schulden über die Noten­bank­bi­lanzen abge­schrieben werden. Japan scheint diesen Weg zu gehen. So hält die japa­nische Notenbank Bank of Japan bereits mehr als 50% der aus­ste­henden Schulden des japa­ni­schen Staats. Ob das funk­tio­nieren kann, ohne das Ver­trauen in die japa­nische Währung zu zer­rütten, bleibt abzu­warten. Laut Stelter handelt es sich dabei um «ein ein­ma­liges Expe­riment».“

Blasen, wohin man schaut

  • „Die in den ver­gan­genen Jahren zu beob­ach­tende Inflation der Ver­mö­gens­preise könnte sich noch eine Weile fort­setzen, wie Schnabl und Hoffmann erwarten. Aller­dings könnte sie eines Tages auch «weg­re­gu­liert» werden – nämlich dann, wenn sie drohe, noch grössere Keile in die Gesell­schaft zu treiben. Dann könnten Regie­rungen neue Abgaben auf Finanz­markt-Trans­ak­tionen und für Immo­bi­li­en­be­sitzer oder Preis­an­stiegs­kon­trollen für Lie­gen­schaften beschliessen.“
    Stelter: hatten wir ja auch schon auf diesen Seiten, ich erinnere an den Kom­mentar: → Ent­eignung – weil es mit der Inflation nicht klappt?

Nur: auch dadurch ver­schwinden die Schulden nicht. Man müsste an denen ansetzen, natürlich mit den ent­spre­chenden Ver­lusten für die Gläubiger.

NZZ: „Die Indus­trie­länder sind gefangen in der Über­schuldung – was ist der Ausweg?“, 28. März 2018