Der Jahresauftakt tut gut, nach dem enttäuschenden Kursverlauf 2018. Kurze Zeit zum Durchatmen, bis die Achterbahnfahrt an den Märkten wieder Fahrt aufnimmt.
Nach dem verkorksten Börsenjahr 2018 ruhen Hoffnungen auf 2019. Endlich, so heißt es, können sich die Märkte wieder auf die gute Konjunktur- und Gewinnentwicklung konzentrieren. Von der US-Notenbank Fed kommen Signale, die für eine Verlangsamung der Zinserhöhungen sprechen und auch auf der politischen Ebene zeichnet sich eine Entspannung ab (Handelskonflikt USA/China).
2018 wollen die Investoren zu Recht möglichst schnell vergessen. So hat der schlechteste Dezember an der Wall Street seit 1931 auch die US-Börsen auf Jahressicht ins Minus gedrückt. Zum ersten Mal seit der Finanzkrise vor zehn Jahren. Insgesamt war 2018 das schlechteste Jahr an den Finanzmärkten seit dem Jahr 1900. Von den 71 von der Deutschen Bank in ihrer regelmäßigen Studie untersuchten Assetklassen haben 90 Prozent im letzten Jahr einen Verlust eingefahren. Im bisher negativsten Jahr 1921 waren es „nur“ 83 Prozent. Die anderen enttäuschenden Jahre waren 1932 (76 Prozent) und 1982, 2008 und 2015 (jeweils über 60 Prozent).
Die Daten der Deutschen Bank machen dabei auch Mut. Auf jedes ungünstige Jahr folgte bisher ein durchaus gutes. Immerhin 70 Prozent der Assets erzielten im Jahr nach den breiten Verlusten einen Gewinn. Die Fragen die sich daraus ergeben sind klar:
- Wird sich 2019 das Muster wiederholen und in vielen Vermögensklassen zu Gewinnen führen?
- Wenn ja, welche Vermögensklassen dürften das sein?
Platzt die „Alles-Blase“?
Die Empirie spricht dafür, dass 2019 ein besseres Jahr für Investoren wird. Dagegen spricht, dass wir uns nicht in einem normalen Kapitalmarktumfeld befinden. Die Notenbanken haben in ihrem Bemühen, den Schuldenturm vor dem Einsturz zu bewahren, immer mehr Liquidität in die Märkte gepumpt. Damit haben sie den Schuldnern die Bedienung ihrer Verbindlichkeiten ermöglicht, allerdings mit erheblichen Nebenwirkungen:
Die Empirie spricht dafür, dass 2019 ein besseres Jahr für Investoren wird. Dagegen spricht, dass wir uns nicht in einem normalen Kapitalmarktumfeld befinden. Die Notenbanken haben in ihrem Bemühen, den Schuldenturm vor dem Einsturz zu bewahren, immer mehr Liquidität in die Märkte gepumpt. Damit haben sie den Schuldnern die Bedienung ihrer Verbindlichkeiten ermöglicht, allerdings mit erheblichen Nebenwirkungen:
- Es kam nicht zu der dringend erforderlichen Bereinigung der faulen Schulden, weshalb die Anzahl der Zombie-Unternehmen und ‑Banken deutlich angewachsen ist, wie zuletzt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) vorrechnete. Die Folge sind geringeres Wirtschaftswachstum und abnehmende Produktivitätszuwächse.
- Die Politik hat sich auf die Rettung durch die Notenbanken verlassen – vor allem in der Eurozone – und dringend erforderliche Sanierungsmaßnahmen unterlassen. Der Euro ist zu seinem 20. Geburtstag immer noch todkrank und dürfte eine weitere Rezession nur mit Mühen überstehen.
- Die Schulden sind weltweit beschleunigt gestiegen. Vor allem Unternehmen und Staaten haben erheblich mehr Schulden als noch 2008 und der Unternehmenssektor (namentlich in den USA) gilt vielen Experten als Auslöser der nächsten Krise, wie hier ausführlich diskutiert.
- Die Finanzmärkte haben sich erneut deutlich von den fundamental gerechtfertigten Werten entfernt. Nach der Dotcom-Blase und der Immobilien-Blase erleben wir in den USA gerade die „Alles-Blase“. Selbst nach dem schlechten Jahr 2018 befinden sich die Vermögenswerte immer noch auf einem Rekordbewertungsniveau. So liegt das Shiller-PE (das statt laufender oder prognostizierter Gewinne den rollierenden Durchschnitt der Gewinne der letzten Jahre verwendet) für die US-Börse nicht mehr bei 30, sondern „nur noch“ bei 29. Da ist noch viel Luft nach unten.
Führt zu der Frage, ob wir erst am Anfang des Platzens der „Alles-Blase“ stehen. Die Notenbanken haben einen guten Teil ihrer Munition verschossen. Während die Fed nach ihren jüngsten Zinserhöhungen und dem Abbau ihrer Bilanz (die ohnehin viel kleiner ist als jene der EZB und der Bank of Japan) immerhin etwas Potenzial zur weiteren Lockerung hat, ist die EZB noch voll auf dem Gaspedal. Dieses wird ohne offensichtliche und massive Krise nicht noch weiter durchgedrückt werden.
Die Folge ist eine Verlangsamung des weltweiten Liquiditätswachstums. Nach einigen Indikatoren ist es unter Einbeziehung Chinas sogar negativ. Damit fehlt der „Alles-Blase“ der Treibstoff. Es genügt nämlich nicht, dass die Liquidität da ist. Um weiter die Blase aufgepumpt zu halten, brauchen wir anhaltendes Liquiditätswachstum. Kommt es nicht dazu, dürfte der Gegenwind in den meisten Vermögensmärkten anhalten.
Beschleunigt nach unten
Wie an dieser Stelle immer wieder erklärt, wirkt eine Liquiditätsverknappung mehrfach negativ auf die Börsen:
- Es fehlt die Kaufkraft, um die Bewertungen auf neue Höhen zu treiben.
- Stagnierende oder fallende Kurse bringen die Spekulanten, die auf Kredit gekauft haben, unter Druck und verstärken den Verkaufsdruck: der gefürchtete Margin Call.
- Die Zinsen für Anleihen riskanter Schuldner steigen deutlich an, die Risikoprämie ist wieder da. Dies bringt immer mehr Unternehmen in Liquiditäts- und Finanzierungsschwierigkeiten.
- Eine Flut an Herabstufungen durch die Ratingagenturen verstärkt den Verkaufsdruck in den Anleihenmärkten und wirkt so als Brandbeschleuniger für steigende Zinsen und damit absehbare Unternehmenspleiten – was wiederum die Zinsen steigen lässt.
- Die Gewinne der Unternehmen kommen dann von zwei Seiten unter Druck: Zum einen steigen die Zinsausgaben, zum anderen sinken die Gewinne wegen der unweigerlichen Rezession. Das Financial Engineering der letzten zehn Jahre rächt sich bitterlich.
Die Signale sind eindeutig. Wir befinden uns am Anfang dieser sich selbst verstärkenden Abwärtsentwicklung. Die Profis wissen dies und handeln entsprechend. So hat KKR, die ursprünglich auf Private Equity spezialisierte Investmentfirma, ihre Allokation auf sogenannte Leveraged Loans, also riskante Kredite, auf null gesetzt und einer der prominentesten Spekulanten gegen die Immobilienblase von 2007, Steve Eisman, auch porträtiert im Film „The Big Short“, warnt deutlich vor einer Wiederholung der Finanzkrise im Bereich der Unternehmensschulden. Fallen die Anleihen der Unternehmen, fallen auch die Aktien. Schwer vorstellbar, dass die Wall Street in diesem Umfeld 2019 mit Gewinn abschließt, vor allem für Investoren, die in anderen Währungen als dem US-Dollar rechnen.
Womit wir bei der Hoffnung für die Märkte sind. Eine deutliche Abschwächung des US-Dollars könnte weltweit für Entspannung sorgen. Wie hier diskutiert, war der starke US-Dollar in den letzten Monaten eine erhebliche Belastung für die Schwellenländer, die sich so hoch wie noch nie in US-Dollar verschuldet haben. Fällt der US-Dollar wieder, was angesichts einer Abkehr der US-Notenbank von der Politik der Liquiditätsverknappung im Zuge der sich abzeichnenden Fortsetzung der Finanzkrise durchaus vorstellbar ist, entlastet es diese Schuldner. Gleichzeitig sinken dann auch die Zinsen für diese Schuldner, weil ein schwächerer Dollar im Unterschied zu den US-Schuldnern ihre Zahlungsfähigkeit steigert. Damit dürften die Schwellenländer zu den (relativen) Gewinnern in diesem Jahr gehören. Eine erste Indikation, dass diese These zutrifft, ist die relativ gute Entwicklung in diesen Märkten im Dezember.
Für Deutschland und Europa trifft diese Logik allerdings nicht zu. Ein schwächerer Dollar ist eher eine Belastung für die hiesige Börse, die von Exportwerten dominiert wird. Hinzu kommt, dass eine Rezession in den USA nicht spurlos an Europa vorbeigehen dürfte. Der EZB sind vorerst die Hände gebunden und es ist schwer vorstellbar, dass sie schon dieses Jahr die nächste, radikalere Stufe der Monetarisierung von Staats- und Privatschulden starten wird. Dazu muss die Krise erst spürbar und für alle offensichtlich sein.
Weitere Gewinner eines schwächeren Dollars gibt es durchaus. So steigen die Rohstoffpreise üblicherweise im Zuge einer Dollarschwäche, was für Minenaktien und Ölfirmen spricht. Sicherer Gewinner dürfte Gold sein. US-Staatsanleihen sind hingegen diesmal, anders als in den vergangenen Finanzkrisen, kein sicherer Hafen mehr. Zum einen liegt dies an dem schon heute stark gestiegenen Angebot (Folge der explodierenden Defizite als Ergebnis der Steuersenkungen von Donald Trump), zum anderen dürfte eine Flucht der Investoren aus dem US-Dollar den Verkaufsdruck deutlich erhöhen. Inwieweit die Fed dies gleich wird kompensieren können und wollen, bleibt abzuwarten.
So gesehen stehen die Chancen gut, dass 70 Prozent der von der Deutschen Bank betrachteten Assets in diesem Jahr einen positiven Ertrag abwerfen. Allerdings hilft dies Investoren außerhalb des US-Dollar-Raums herzlich wenig. Denn die Analyse der Bank ist in US-Dollar gerechnet. Fällt dieser, gewinnt man mit allen Assets, die nicht im Dollarraum sind. Wer in anderer Währung rechnet, muss sich entsprechend absichern. Und das ist leider teuer.