Offener Brief der Hin­ter­blie­benen vom Breit­scheid­platz: Warum geht Auf­klärung nicht voran?

Unbe­achtet von den Medien haben die Hin­ter­blie­benen der Opfer des Ter­ror­an­schlages vom Breit­scheid­platz heute einen offenen Brief an die Frak­ti­ons­vor­sit­zenden der im Bun­destag ver­tre­tenen Par­teien ver­öf­fent­licht, der sehr inter­es­sante Fragen stellt und die Auf­klä­rungs­arbeit des Unter­su­chungs­aus­schusses heftig kri­ti­siert. Es ist zum Bei­spiel die Rede davon, dass die Vor­ladung wich­tiger Zeugen von der Regierung „geblockt“ wird.
Zunächst kurz zur Chro­no­logie der Ereig­nisse und den offenen Fragen, über die ich einen aus­führ­lichen Artikel geschrieben habe. Inter­essant ist dabei besonders die Rolle des Tune­siers Ben Ammar, ein Freund des Atten­täters von Berlin, Anis Amri. Der jedoch wurde in aller Eile abge­schoben ohne befragt worden zu sein.
Bevor wir zu dem offenen Brief der Hin­ter­blie­benen kommen, sehen wir uns zur Erin­nerung noch einmal die Chro­no­logie an:
Juli 2016: In Nizza tötet ein Tunesier 86 Men­schen bei einem Ter­ror­an­schlag mit einem LKW, er lässt seinen Pass im LKW und wird von der Polizei erschossen. Ben Ammar war ver­mutlich in der Nähe.
Dezember 2016: Eine lau­fende Fahndung nach Ammar wird ohne Angaben von Gründen ein­ge­stellt. Drei Wochen später rast Amri mit einem LKW in den Ber­liner Weih­nachts­markt und tötet 12 Men­schen, wieder war Ammar in der Nähe und hat anscheinend Amri bei der Flucht geholfen. Amri hat seinen Pass auch in dem LKW liegen gelassen. Einige Tage später wird auch er von der Polizei erschossen. Beide Atten­täter können nicht mehr befragt werden. Zwei Wochen später wird Ammar, der bei der vor­he­rigen Fahndung nicht gefunden werden konnte, wegen Sozi­al­leis­tungs­betrug fest­ge­nommen, aber nicht zu den Ter­ror­an­schlägen befragt.
Januar 2017: Die Bun­des­re­gierung lügt bei einer par­la­men­ta­ri­schen Anfrage zu Kon­takten des Ver­fas­sungs­schutzes zu Amri. Par­allel ver­einbart Maaßen mit Innen­mi­nistern, diese Kon­takte geheim zu halten.
Februar 2017: Ammar wird abge­schoben ohne befragt worden zu sein.
August 2018: Die Absprachen von Maaßen und den Innen­mi­nistern werden bekannt.
Sep­tember 2018: Nach den Vor­fällen von Chemnitz gerät Maaßen in Kritik und wird schließlich abge­setzt. In der Presse geht es um angeb­liche Hetz­jagden, bei denen niemand ver­letzt wurde, aber zu Maaßens Ver­tu­schungen im Fall Amri mit 12 Toten werden keine Fragen gestellt.
Nun zu dem offenen Brief der Hin­ter­blie­benen, den ich ab hier voll­ständig zitiere.
Offener Brief von Opfern und Hin­ter­blie­benen des Ter­ror­an­schlages vom 19.12.2016 an die Frak­ti­ons­vor­sit­zenden des Bun­des­tages CDU/CSU, SPD, AfD, FDP, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen
Sehr geehrte Damen und Herren,
zum 1. März 2018, über 15 Monate nach dem isla­mis­ti­schen Ter­ror­an­schlag vom 19. Dezember 2016 auf dem Breit­scheid­platz, wurde vom Deut­schen Bun­destag ein Unter­su­chungs­aus­schuss ein­ge­setzt. Dieser solle „den Anschlag und seine Hin­ter­gründe auf­klären und sich ein Gesamtbild vom Handeln der zustän­digen Behörden ver­schaffen.“ Wir haben den Einsatz des Unter­su­chungs­aus­schusses im letzten Jahr begrüßt. Etwas mehr als ein Jahr später ziehen wir jedoch eine sehr kri­tische Zwi­schen­bilanz und haben viele Kri­tik­punkte und offene Fragen, die uns beschäf­tigen. Die wich­tigsten 12 Punkte und Fragen möchten wir Ihnen öffentlich – in Form eines offenen Briefes – vor­legen, damit Sie diese adres­sieren können:
1. Unsere Kritik fängt mit der von den Regie­rungs­par­teien durch­ge­setzten chro­no­lo­gi­schen Auf­ar­beitung des Anschlages an: Es ist für uns nicht nach­voll­ziehbar, dass diese Her­an­ge­hens­weise not­wendig ist, um eine gründ­liche Arbeit sicher­zu­stellen. Es ist vor allem wichtig, dass alle wesent­lichen Themen mit den not­wen­digen Zeugen und Unter­lagen bear­beitet werden. Die Struk­tu­rierung der Unter­su­chungen entlang der zeit­lichen Abfolge stellt dies nicht sicher und sorgt für eine zeit­liche Prio­ri­sierung, die für uns frus­trierend ist. Es ent­steht mitt­ler­weile der Ein­druck, dass so die Auf­klärung besonders kri­ti­scher Themen bewusst ver­schleppt werden soll. Weshalb ändern Sie für den wei­teren Ablauf des Unter­su­chungs­aus­schusses nicht die Vor­ge­hens­weise auf eine nach Themen sor­tierte und sinnvoll prio­ri­sierte Aufarbeitung?
2. Es ist unser Ein­druck, dass von den Regie­rungs­par­teien wie­derholt Zeugen vor­ge­laden werden, die zur Auf­klärung nur sehr wenig bei­tragen können. Gleich­zeitig werden Zeugen, die die Oppo­sition vor­laden möchte, geblockt. Die Aus­wirkung dieser Vor­ge­hens­weise ist, dass die Beant­wortung zen­traler Fragen zum Anschlag so erheblich ver­zögert wird. Das Problem ist mit der chro­no­lo­gi­schen Her­an­ge­hens­weise des Unter­su­chungs­aus­schusses ver­knüpft: Solange zen­trale Fragen zum Behör­den­handeln nicht geklärt sind, erscheinen manche Dis­kus­sionen als neben­sächlich und nicht ziel­führend, die zu gege­bener Zeit durchaus ihre Berech­tigung hätten. Nach welchen Kri­terien werden Zeugen aus­ge­wählt? Wie wollen Regie­rungs­par­teien und Oppo­sition künftig besser zusam­men­ar­beiten, um wesent­liche Zeugen vor­zu­laden? Werden Sie zeitnah den ehe­ma­ligen Bun­des­in­nen­mi­nister, Herrn Thomas De Mai­ziere vor­laden lassen, der sicher Wesent­liches zur Auf­klärung wird bei­tragen können?
3. Bei Zeu­gen­ver­neh­mungen bis Oktober 2018 wurde vom Bun­des­in­nen­mi­nis­terium eine Beauf­tragte abge­stellt, die eine aktive Rolle bei Befra­gungen wahrnahm. Sie unter­brach diese regel­mäßig, um kri­tische Anfragen der Par­la­men­tarier zu unter­binden. Es stellte sich nur zufällig heraus, dass diese Beauf­tragte zuvor beim Ver­fas­sungs­schutz gear­beitet hatte und für Kon­takte des Atten­täters zuständig war. Welche Erklärung haben Sie seitens der Bun­des­re­gierung dafür erhalten, dass hier eine Person ein­ge­setzt wurde, die so offen­sicht­liche Inter­es­sens­kon­flikte hatte? Wie erklären Sie sich, dass die Rolle der Beauf­tragten dem Aus­schuss gegenüber nicht ange­zeigt wurde? Wie wollen Sie ähn­liche Beein­träch­ti­gungen im Unter­su­chungs­aus­schuss künftig verhindern?
4. Im Zuge der Zeu­gen­be­fragung einer Sach­be­ar­bei­terin im Bun­desamt für Ver­fas­sungs­schutz vom 13. Sep­tember 2018 wurde bekannt, dass eine Per­so­nalakte des Täters vom Ter­ror­an­schlag von ihr angelegt wurde. Hierfür gab es zuvor eine Beschaf­fungs­an­frage mit einer Frist, die zum 27. April 2018 abge­laufen war. Welche Begründung haben Sie seitens der Bun­des­re­gierung erhalten, dass der Beweis­be­schluss hier nicht ein­ge­halten wurde? Wie wollen Sie sicher­stellen, dass dem Unter­su­chungs­aus­schuss des Bun­des­tages nicht weitere, wesent­liche Akten vor­ent­halten werden, solange dieser nicht auf irgend­einem Wege Kenntnis davon erhält?
5. Die Aktenlage wurde und wird – zumindest von den Oppo­si­ti­ons­po­li­tikern des Unter­su­chungs­aus­schusses – als man­gelhaft bezeichnet. Akten würden zurück­ge­halten, seien lückenhaft oder über­mäßig geschwärzt. Wie soll der Unter­su­chungs­aus­schuss seine Arbeit erle­digen, wenn ihm die dafür not­wen­digen Akten seitens der Behörden nicht zur Ver­fügung gestellt werden? Was unter­nehmen Sie, um auf die Aktenlage schnell und nach­haltig Ein­fluss zu nehmen und die Rechte des Bun­des­tages zu wahren?
6. Die Mit­glieder des Unter­su­chungs­aus­schusses können bestimmte ver­trau­liche Akten nicht in der vom Gesetz vor­ge­se­henen Geheim­schutz­stelle im Bun­destag ein­sehen, sondern müssen dafür zum Ver­fas­sungs­schutz in
Treptow fahren, wo sie diese nur unter Beob­achtung ein­sehen können. Nach Aussage einer Abge­ord­neten macht sich der Ver­fas­sungs­schutz dort mög­li­cher­weise über das Lese­ver­halten Notizen. Weshalb müssen die Abge­ord­neten über­haupt zum Ver­fas­sungs­schutz fahren und können die Unter­lagen nicht wie vom Gesetz vor­ge­sehen im Bun­destag ein­sehen? Werden Sie auf­klären, ob, in welchem Umfang, mit welchem Recht und vor allem mit welcher Begründung der Ver­fas­sungs­schutz die Par­la­men­tarier bei Ihrer Arbeit beobachtet?
7. Bestimmte Beweis­be­schlüsse der Oppo­sition wurden von den Regie­rungs­par­teien im Unter­su­chungs­aus­schuss abge­lehnt und mussten in einem mehr­stu­figen Ver­fahren vor dem Bun­des­ge­richtshof ein­ge­klagt werden. Diese Frage ist an die Frak­tionen der Regie­rungs­par­teien gerichtet: Weshalb haben Sie die gut begrün­deten Beweis­be­schlüsse der Oppo­sition abge­lehnt und noch gegen die erste Ent­scheidung eines Ermitt­lungs­richters Beschwerde ein­gelegt? Wie gehen Sie mit dem Umstand um, dass dem Vor­sit­zenden des Unter­su­chungs­aus­schusses, Herrn Armin Schuster, geheim­dienst­liche Inhalte auf­grund seiner Dop­pel­funktion im par­la­men­ta­ri­schen Kon­troll­gremium für die Über­wa­chung der Geheim­dienste teil­weise bereits bekannt sind und er damit mehr weiß als andere Mit­glieder des Untersuchungsausschusses?
8. Medi­en­be­richten zufolge wurde Herrn Schuster von Bun­des­in­nen­mi­nister Horst See­hofer im lau­fenden Unter­su­chungs­aus­schuss die Rolle des Ver­fas­sungs­schutz­prä­si­denten ange­tragen. Für uns wäre es befremdlich, wenn Herr See­hofer den Chef­posten einer Behörde, die Gegen­stand eines Unter­su­chungs­aus­schusses ist, dem Vor­sit­zenden des Aus­schusses im lau­fenden Ver­fahren ange­boten hätte. Stimmen die Medi­en­be­richte? Wenn ja, sehen Sie auf­grund der in Aus­sicht gestellten Position eine Pro­ble­matik in Bezug auf eine ver­suchte Ein­fluss­nahme auf dessen Unabhängigkeit?
9. Der Atten­täter vom Breit­scheid­platz wird von der Bun­des­re­gierung als Ein­zel­täter ein­ge­schätzt. Diese Ein­schätzung erscheint allein auf­grund seiner Ver­bin­dungen zum Isla­mi­schen Staat in Libyen fraglich. Wenn der Atten­täter nicht vom IS gesteuert wurde, weshalb haben die USA dann Anfang 2017 in Libyen einen Bom­ben­an­griff gegen ein IS-Camp aus­ge­führt? Der Angriff war laut CNN-Bericht­erstattung ein Ver­gel­tungs­schlag für den Anschlag am Breit­scheid­platz. Welche Rolle spielte der enge Ver­traute des Atten­täters, Bilel Ben Ammar, der – laut Medi­en­be­richten – genaue Auf­nahmen vom Breit­scheid­platz gemacht hat sowie am Vor­abend mit dem Atten­täter gegessen und mit ihm kurz vor dem Anschlag tele­fo­niert haben soll? Wie wird der Unter­su­chungs­aus­schuss mit diesem Zeugen ver­fahren? Bei einem Treffen mit Hin­ter­blie­benen im Januar dieses Jahres gab ein Ver­treter des BKA uns die Aus­kunft, dass der Auf­ent­haltsort von Ben Ammar in Tunesien bekannt sei und es Ver­hand­lungen mit dor­tigen Behörden gebe. Wie sind diese verlaufen?
10. In Bezug auf die jüngste Bericht­erstattung des Focus hat sich der Vor­sit­zende des Unter­su­chungs­aus­schusses wie folgt geäußert: „Die Unter­stellung, die Bun­des­an­walt­schaft hätte wis­sentlich einen Ter­ror­helfer […] trotz Tat­ver­dacht ver­schont, die Straf­ver­ei­telung durch schnelles Außer­land­schaffen erst ermög­licht und so die Öffent­lichkeit getäuscht, halte ich für infam.“ Auch wenn der Focus Beweise für diese Unter­stellung schuldig bleibt und diese frag­würdig sein mag, weshalb schließt der Vor­sit­zende des Unter­su­chungs­aus­schusses diesen Vorwurf kate­go­risch aus und eti­ket­tiert diesen als mora­lisch ver­werflich? Es gibt auch jen­seits der Focus-Bericht­erstattung Indizien, die dafür sprechen, dass es eine Zusam­men­arbeit von Bun­des­be­hörden mit aus­län­di­schen Behörden hin­sichtlich des Atten­täters und seines Umfeldes gegeben haben könnte. Zudem ist es trotz der jüngsten Erklärung von Bun­des­in­nen­mi­nister Horst See­hofer wei­terhin höchst befremdlich, dass scheinbar schon neun Tage nach dem Anschlag der poli­tische Ent­schluss fest­stand, Ben Ammar abzu­schieben. Der Unter­su­chungs­aus­schuss sollte ange­sichts einer unvoll­stän­digen Fak­tenlage und äußerst unbe­frie­di­gender Erklä­rungen dazu mit allem Nach­druck auf­klären. Dabei sollte er nicht mög­liche Erklä­rungen von vor­ne­herein als infame Unter­stel­lungen aus­schließen. Mit welcher Offenheit für das Ergebnis soll der Unter­su­chungs­aus­schuss an die Arbeit gehen und gibt es für diese Grenzen der Ermittlung?
11. Der Atten­täter vom Breit­scheid­platz war offen­sichtlich Teil einer ter­ro­ris­ti­schen Zelle, die von den Sicher­heits­be­hörden obser­viert wurde. Im Gemein­samen Ter­ror­ab­wehr­zentrum (GTAZ) wurde er so oft besprochen wie kaum ein anderer Gefährder. Haben unsere Bun­des­be­hörden dennoch keine eigenen nach­rich­ten­dienst­lichen Mittel gegen ihn ein­ge­setzt? Wenn nein, weshalb nicht? Warum hat die Bun­des­po­lizei mit chir­ur­gi­scher Prä­zision aus­ge­rechnet in dem Moment ent­schlossen ein­ge­griffen und eine Aus­reise ver­hindert, als der Atten­täter im Sommer 2016 Deutschland in Richtung Tunesien ver­lassen wollte? Weshalb fehlte es dann in der Folge während der Haft in Fried­richs­hafen an einer kon­se­quenten Zusam­men­führung der bei unter­schied­lichen Behörden vor­lie­genden Infor­ma­tionen zu seinen Straf­taten, um die Inhaf­tierung und Abschiebung sicher­zu­stellen? Welche Rolle spielten Inter­essen aus­län­di­scher Nach­rich­ten­dienste dabei?
12. Der Unter­su­chungs­aus­schuss hat den zusätz­lichen Auftrag, er möge „Emp­feh­lungen für (…) die Betreuung und Unter­stützung von Hin­ter­blie­benen und Opfern solcher Anschläge ent­wi­ckeln.“ Der Vor­sit­zende des Aus­schusses, Herr Schuster, hatte ent­spre­chend im März 2018 ange­kündigt, mit Opfern und Ange­hö­rigen früh­zeitig ins Gespräch kommen zu wollen, da dies wichtig sei für das Ver­ständnis der begin­nenden Arbeit. Dieses Gespräch hat bislang nicht statt­ge­funden. Wir hatten zwar im Januar dieses Jahres Kontakt mit Regie­rungs­ver­tretern zu einem Entwurf eines neuen Opfer­ent­schä­di­gungs­rechts, der par­la­men­ta­rische Unter­su­chungs­aus­schuss hat sich über ein Jahr nach seinem Beginn diesem Thema jedoch noch nicht gewidmet. Ist es wie­derum der stoi­schen Abar­beitung der Chro­no­logie geschuldet? Ist dies nicht ein wei­teres Zeichen dafür, dass der chro­no­lo­gische Ansatz nicht sinnvoll ist?
Zusam­men­fassend sind wir über den bis­he­rigen Verlauf des Unter­su­chungs­aus­schusses frus­triert. Es ist bei uns der Ein­druck einer Blo­cka­de­haltung ent­standen, deren Motive unklar sind. Es gibt sicherlich berech­tigte Geheim­hal­tungs­in­ter­essen von Regierung und Sicher­heits­be­hörden. Mit Fehlern muss aber offen umge­gangen werden. Dass dies pas­siert, ist bislang nicht zu erkennen. Wohl aber hat der Son­der­er­mittler des Ber­liner Senats, Bruno Jost, auf­ge­deckt, dass im LKA in Berlin Akten mani­pu­liert wurden, um Fehler zu kaschieren. Unser Ver­trauen in die Glaub­wür­digkeit der Ver­treter unserer staat­lichen Insti­tu­tionen ist daher aktuell massiv beeinträchtigt.
Wir möchten Sie bitten, zu unserer Kritik und den gestellten Fragen Stellung zu beziehen. Wir möchten ferner einen drin­genden Appell an Sie richten, dass Sie künftig im Unter­su­chungs­aus­schuss stärker über Par­tei­grenzen hinweg zusam­men­ar­beiten. Vor allem bitten wir die Ver­treter der Regie­rungs­par­teien, die Beweis­an­träge der Oppo­sition künftig nicht mehr zu blo­ckieren. Auch möchten wir Sie auf­fordern, auf Bun­des­re­gierung und Sicher­heits­be­hörden den not­wen­digen Druck aus­zuüben, die Rechte des Bun­des­tages zu respek­tieren und die Auf­klä­rungs­arbeit fortan zügiger und umfas­sender zu unterstützen.
Wie können Kon­flikte zwi­schen berech­tigten Geheim­hal­tungs­in­ter­essen der Exe­kutive auf der einen Seite und der not­wen­digen Auf­klärung des Breit­scheid­platz-Attentats durch den Bun­destag auf der anderen Seite auf­gelöst werden? Wie können öffent­liche Aus­sagen der Bun­des­re­gierung und Bun­des­be­hörden wirksam dar­aufhin über­prüft werden, dass sie dem Infor­ma­ti­ons­stand ent­sprechen, den sie wirklich hatten? Ein­blicke in die Pro­to­kolle der nach­rich­ten­dienst­lichen Lage im Kanz­leramt erscheinen dafür erfor­derlich. Für den Ber­liner Senat hat Son­der­er­mittler Bruno Jost her­vor­ra­gende Arbeit geleistet. Wäre es denkbar, ihn auch auf Bun­des­ebene um seine Unter­stützung als Son­der­er­mittler für bestimmte The­men­be­reiche zu bitten und zu beauftragen?
Der Unter­su­chungs­aus­schuss soll Erkennt­nisse gewinnen, die dazu bei­tragen, dass das Risiko eines erneuten Ter­ror­an­schlags redu­ziert wird. Für uns und unsere Gesell­schaft all­gemein ist das ein wich­tiges Ziel. Für uns als Opfer und Hin­ter­bliebene des isla­mis­ti­schen Ter­ror­an­schlags am Breit­scheid­platz vom 19. Dezember 2016 sind jedoch auch die kon­kreten Hin­ter­gründe von ele­men­tarem Interesse, die dazu führten, dass über 70 Men­schen teil­weise schwer ver­letzt und 12 Men­schen ermordet wurden: Unsere Ehe- und Lebens­partner, Väter, Mütter, Kinder, Geschwister, Enkel und Groß­eltern. Die Wahrheit mag für uns – wie auch viele trau­ma­ti­sierte Not­helfer – schmerzhaft sein, aber wenn sie uns vor­ent­halten wird oder nur stück­weise ans Tages­licht kommt, wird es uner­träglich. Wir möchten wissen: Wer war neben dem ver­meint­lichen Ein­zel­täter an dem Anschlag beteiligt? Weshalb wurde der Anschlag nicht ver­hindert, obwohl er hätte ver­hindert werden können und müssen? Und: Wer über­nimmt für das staat­liche Ver­sagen die Verantwortung?
gez. Mit­glieder aller zwölf Familien der Todes­opfer vom Breitscheidplatz


Thomas Röper / anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“