Jahrzehntelang habe ich die Anhänger der österreichischen Schule etwas belächelt. Sie waren mir zu extrem. Wir hatten doch eine gute Wirtschaftsordnung. Freie Märkte, staatliche Aufsicht, Ausgleich von zu großen Ungerechtigkeiten. Wozu dann noch so extreme Positionen, dachte ich.
Immer mehr dämmert mir, wie sehr sich der gesellschaftliche Rahmen verschoben hat. Es ist mittlerweile allgemeingültiges Verständnis, dass nur der Staat die „Dinge regeln kann“. Vergessen sind DDR, Mangelwirtschaft und offensichtliches Scheitern. Nur deshalb kann ein CDU-Wirtschaftsminister (!!!!) sich einer französischen Industriepolitik als Juniorpartner andienen. Nur deshalb haben wir eine Diskussion über die Umverteilung von Vorhandenem (konkret Wohnraum), um ein zu Wenig zu bekämpfen.
Gustav Horn ist wenigstens immer auf Linie geblieben. Der Gewerkschaftsökonom darf bei der SPD für „eine richtige Industriepolitik“ werben, ganz so, als hätten die Politiker es jetzt raus.
Immer mehr dämmert mir, wie sehr sich der gesellschaftliche Rahmen verschoben hat. Es ist mittlerweile allgemeingültiges Verständnis, dass nur der Staat die „Dinge regeln kann“. Vergessen sind DDR, Mangelwirtschaft und offensichtliches Scheitern. Nur deshalb kann ein CDU-Wirtschaftsminister (!!!!) sich einer französischen Industriepolitik als Juniorpartner andienen. Nur deshalb haben wir eine Diskussion über die Umverteilung von Vorhandenem (konkret Wohnraum), um ein zu Wenig zu bekämpfen.
Gustav Horn ist wenigstens immer auf Linie geblieben. Der Gewerkschaftsökonom darf bei der SPD für „eine richtige Industriepolitik“ werben, ganz so, als hätten die Politiker es jetzt raus.
- „Wer vor 15 Jahren meinte, sich über Industriepolitik äußern zu müssen, sah sich dem Verdacht hoffnungsloser Rückständigkeit ausgesetzt. (…) Nunmehr gilt es als zukunftsträchtig und vor allem als ökonomisch sichere Strategie, wenn eine Volkswirtschaft einen möglichst großen Industriesektor ausweisen kann. Besonders dringlich erscheint dies vor dem Hintergrund sich verschärfender globaler Auseinandersetzungen um handelspolitische Vorteile namentlich seitens der USA und China.“ – Stelter: Es ist auch heute noch rückwärtsgewandt aber es gilt als „schick“.
- „Dies wird mittlerweile insbesondere vom Wirtschaftsminister als Aufforderung interpretiert, bestehende Industrien durch wirtschaftspolitisch flankierte Modernisierung zu erhalten. Dazu gehört es, nationale Champions zu fördern, deren Wettbewerbsfähigkeit gegenüber globalen Konzernen gestärkt werden soll.“ – Stelter: wenn dieser offensichtlich in jeder Hinsicht überforderte Minister als Referenz herhalten soll …
- „In Wahrheit wissen wir nämlich nicht, welcher Sektor in Zukunft für Wachstum und Beschäftigung bedeutsam sein wird. Mit der vorgeschlagenen Strategie kann dies dazu zu führen, dass Ressourcen an den falschen Stellen eingesetzt und letztlich vergeudet werden. Hindert man zudem auf diese Weise den Wettbewerb, trägt teilweise der Endverbraucher die Lasten dieser Politik durch überhöhte Preise.“ – Stelter: Hier legt Horn die Falle, denn wer könnte ihm hier widersprechen? Genau, so ist es nämlich!
- „Jedoch wäre Nichtstun und die Entscheidung dem Markt zu überlassen, anders als viele Ordnungspolitiker glauben, ebenfalls keine sinnvolle Alternative. Im Zweifel geschieht dann tatsächlich nichts oder zumindest zu wenig, weil den privaten Investoren die notwendige minimale Sicherheit in einem Meer von Unsicherheit über den weiteren technologischen Weg fehlt.“ – Stelter: Also, es ist nicht richtig, aber man muss erkennen, dass es doch richtig ist und deshalb macht man es?
- „Wie aber sähe eine sinnvolle Industriepolitik aus, die der prinzipiellen Unsicherheit künftiger Tendenzen gleichwohl Rechnung trägt? Eine entscheidende Voraussetzung ist, dass sie auf einem strategischen wirtschaftspolitischen Kalkül über die künftige Wirtschaftsweise fußt und nicht von dem verständlichen Wunsch nach Bestandserhaltung bereits derzeit existierender und unter Umständen ökonomisch bedeutsamer Unternehmen dominiert wird.“ – Stelter: O. k., ich erhalte nicht das Ist. Danke. Das würde zu der Frage führen, ob wir die 80 Milliarden für den Kohleausstieg richtig ausgeben. Aber wer bitte soll das „strategische Kalkül“ haben? Kevin Kühnert? Ich würde mir da Unternehmer wünschen.
- „Das Ziel einer solchen Politik sollte sein, in dem als strategisch sinnvoll angesehenen Bereich industrielle Produktionsformen zu etablieren. (…) Es geht also darum, Produktion und letztlich Beschäftigung zu fördern, die mittels geeigneter Verfahren in der Lage ist, große Stückzahlen mit individuellen Wünschen zu verknüpfen. Es ist offenkundig, dass dies nur mit anspruchsvollen digitalen Verfahren und Big Data-Anwendungen möglich sein dürfte.“ – Stelter: super. Warum gründet er nicht gleich selber diese Super-Firma? Wetten, dass er, wenn er denn diese Idee hätte, sie nicht in Deutschland gründen würde?
- „Industriepolitik kann über zwei Wege geschehen. Der erste ist, die Angebotsbedingungen positiv zu gestalten, um eine hohe Produktivität überhaupt möglich zu machen. Der zweite ist, durch öffentliche Nachfrage nach den Produkten über hohe Stückzahlen dazu beizutragen, diese hohe Produktivität auch zu realisieren. In beide Richtungen sollte die Politik agieren, denn nur die Kombination aus günstigen Angebotsbedingungen und hoher staatlicher Nachfrage verspricht Erfolg.“ – Stelter: Ja, es ist so leicht in der Theorie. Zahlen wir nicht (auch) hohe Strompreise wegen der Förderung der Solarindustrie, die heute von China dominiert wird? Da hat genau das stattgefunden, was Horn fordert.
- „Die Erstellung einer flächendeckenden und anspruchsvollen digitalen Infrastruktur ist notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Industriepolitik.“ – Stelter: Das ist ein No-Brainer.
- „Weniger offensichtlich ist ein Konzept für eine industriepolitische Förderung durch öffentliche Nachfrage, weil hierzu wichtige wirtschaftspolitische Entscheidungen nötig sind. Strategisch sinnvoll wäre es, wenn die Wirtschaft in Deutschland sich wieder zum Vorreiter nachhaltigen und sozialen Wirtschaftens aufschwingen würde. Dies impliziert die Herstellung möglichst rohstoffschonender und emissionsarmer Produkte unter sozialen Bedingungen, die die Beschäftigten an den Renditen dieser Vorgehensweise teilhaben lässt.“ – Stelter: Ich denke auch, wenn wir die Gewinne möglichst sozial verteilen – oder im Kevin-Sprech „sozialisieren“ – wird alles super. Die Gründer freuen sich darauf, hier sofort die Früchte ihrer Ideen großzügig zu teilen!
- „Es beginnt mit der Förderung erneuerbarer Energien, (…) über damit kompatible Antriebsformen und rohstoffsparende und emissionsarme Produktionsverfahren bis hin zu deren emissionsarmer Konsumption. Dabei besteht kein Gegensatz zwischen einer horizontalen Förderung ganzer Sektoren und der vertikalen Förderung von Wertschöpfungsketten, solange sie den Zielvorstellungen genügen und den Wettbewerb nicht bremsen.“ – Stelter: O. k., den letzten Satz muss man als Professor schreiben, um dem intellektuellen Anspruch zu genügen. Ich habe ihn nicht verstanden. Ansonsten: Ich finde auch, dass die Förderung der chinesischen Wirtschaft mit deutscher Politik das
Maximale der sozialen Gerechtigkeit ist. Solarindustrie hier bezahlt, dort dominiert. Automobilindustrie hier platt gemacht, dort zur Blüte getrieben. Dann klappt das hier übrigens auch mit dem Klima. - „Dies alles muss von Regulierungen begleitet werden, die verhindern, dass die Umstellung der Wirtschaftsweise mit verschlechterten Arbeitsbedingungen erkauft würde. Dies würde zu Recht Widerstand hervorrufen, der den ökologischen Fortschritt behindert oder gar verhindert.“ – Stelter: Da bin ich für China hoffnungsvoll!
- „Entscheidende Aufgabe der Industriepolitik in diesem Kontext ist es, über eine hohe öffentliche oder öffentlich induzierte private Nachfrage zu helfen, derartige ökologische Produktionsprozesse im oben beschriebenen Sinne zu industrialisieren. Es geht also um die Etablierung einer Massenproduktion ökologischer und sozialer Güter.“ – Stelter: Spätestens hier wünschte man sich, dass die Volkswirte auch ein bisschen BWL hören würden. Skaleneffekte brauchen große Märkte, deshalb haben die USA und China die Nase vorne.
- „Besser noch wäre es, man würde ein solches Programm aus europäischer Perspektive auf dem noch größeren europäischen Binnenmarkt mit der Produktion öffentlicher europäische Güter versuchen. Dies verlangt aber zwingend nach einem hinreichen großen EU-Budget, das kurzfristig nicht erkennbar ist. Das aber würde die Wirkung vervielfachen. Idealiter müssten ökologisches und soziales Wirtschaften sogar im globalen Maßstab geschehen.“ – Stelter: Ich finde auch, wir sollten unsere Standards allen verpassen. Und wie er das EU-Budget da noch untergebracht hat, verdient schon ein besonderes Lob. Ja, es könnte alles so schön sein!
→ ipg-journal.de: „Industriepolitik, jetzt aber richtig“, 14. Juni 2019
Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com