Das Coro­na­virus beendet die Illusion vom gesunden Aufschwung

Die Aus­breitung des Corona-Erregers nimmt rapide an Tempo zu. Jetzt ist auch Italien massiv betroffen. Gelingt es nicht, eine Pan­demie zu ver­hindern, droht eine welt­weite Rezession – und damit eine weitere poli­tische Desta­bi­li­sierung. Besonders Deutschland wäre betroffen.

Noch gibt es Hoffnung. Hoffnung, dass es doch noch gelingt, eine welt­weite Pan­demie zu ver­hindern. Hoffnung, dass die Maß­nahmen der Regie­rungen aus­reichen, um die weitere Aus­breitung des Virus ein­zu­dämmen. Hoffnung, dass das nahende Frühjahr dem Spuk ein Ende bereitet und wir den Sommer dazu nutzen können, um uns besser vorzubereiten.

Noch gab es Hoffnung an den Kapi­tal­märkten. Mit Blick auf die SARS-Epi­demie von 2002 waren die Bör­sianer bis ver­gangene Woche davon über­zeugt, dass es schon nicht so schlimm werden würde. Die chi­ne­sische Wirt­schaft würde sich v‑förmig erholen und im Sommer wäre alles ver­gessen. Und selbst, wenn es etwas länger dauert, würden die Noten­banken mit noch mehr und noch bil­li­gerem Geld die Wirt­schaft und natürlich vor allem die Kapi­tal­märkte wieder retten. Ange­sichts der damit abseh­baren Flut bil­ligen Geldes gibt es aus Sicht der Bör­sianer nur eines: Aktien kaufen.

Schulen und Kin­der­gärten geschlossen

Doch nun kommen Zweifel auf. Mehr als 50.000 Ita­liener dürfen ihre Hei­matorte nicht mehr ver­lassen. Schulen und Kin­der­gärten bleiben in Mailand, dem öko­no­mi­schen Herzen des Landes, geschlossen. Das Virus ist in Europa ange­kommen und trifft mit Italien ein Land, wo die reale Wirt­schafts­leistung schon ohne Virus seit Jahren sta­gniert und die poli­tische Unzu­frie­denheit wächst. Korea, immerhin die dritt­größte Volks­wirt­schaft Asiens und ein wich­tiger Indi­kator für den Zustand der Welt­wirt­schaft, meldet immer mehr Fälle. Und in China wachsen nicht erst jetzt die Zweifel an den offi­zi­ellen Zahlen.

Unab­hängig davon, ob es nun eine relativ harmlose Erkrankung ist, die nicht mehr Tote fordert als eine normale Grip­pe­welle, oder doch eine Pan­demie, vor der wir uns ernsthaft fürchten sollten, mehren sich die Anzeichen, dass die wirt­schaft­lichen Folgen erheblich sein dürften. Erheb­licher, als die Finanz­märkte es erwartet haben und vor allem erheb­licher, als es eine ohnehin geschwächte Welt­wirt­schaft – ganz zu schweigen von der Eurozone – ver­kraften könnte.

An den Börsen rennen alle zum Ausgang

Die Bör­sianer erkennen, dass bil­liges Geld allein nichts nutzt, wenn die Gewinne der Unter­nehmen weg­brechen. Diese Erkenntnis scheint sich nun durch­zu­setzen. Die Hoffnung, dass es ohne Bles­suren ausgeht, stirbt, und alle rennen zum Ausgang. Denn es gibt in unserer ver­netzten Welt nur wenige Unter­nehmen, die nicht direkt oder indirekt davon betroffen sind. Gewinner gibt es natürlich auch: die Her­steller von Atem­masken und Medi­ka­menten. Doch das rettet den Markt nicht. Denn es ist anders als 2002. Damals lag der Anteil der chi­ne­si­schen Wirt­schaft am Welt-Brut­to­in­lands­produkt bei unter acht Prozent, heute bei fast 18 Prozent. Mehr als 50 Prozent des welt­weiten Wirt­schafts­wachstums ver­danken wir der Volks­re­publik, die diesen Boom mit einer mas­siven Ver­schuldung finan­ziert hat. Seit Jahren ver­sucht die poli­tische Führung des Landes, von der Abhän­gigkeit immer weiter stei­gender Schulden los­zu­kommen. Ohne Erfolg.

Mit der Abhän­gigkeit von immer mehr Schulden sind die Chi­nesen nicht allein. Die US-Regierung fährt zurzeit ein Defizit von rund fünf Prozent des BIP und erreicht damit eine reale Wachs­tumsrate der Wirt­schaft von nur rund zwei Prozent. Wir haben weltweit immer mehr Schulden gemacht und immer weniger real­wirt­schaftlich damit bewirkt. Der Auf­schwung seit der Finanz­krise ist der schwächste seit dem Zweiten Welt­krieg – und dies trotz bisher unvor­stell­barer Inter­ven­tionen der Notenbanken.

Mas­siver Ein­bruch der japa­ni­schen Wirtschaft

Man muss es sich so vor­stellen wie ein schwer bela­denes Flugzeug, das nur unter größter Mühe in der Luft gehalten werden kann. Es fliegt, aber es fliegt nicht hoch. Der kleinste externe Schock könnte zum Absturz führen und die nächste Rezession wäre da. Kreisten die Sorgen bisher um Han­dels­krieg, Pro­tek­tio­nismus und harten Brexit, haben wir nun mit dem Virus einen mög­lichen Aus­löser für den Absturz. Noch hören wir Mel­dungen wie diese vom Inter­na­tio­nalen Wäh­rungs­fonds am Rande des G20-Gipfels in Riad: Wegen des Virus dürfte das globale Wirt­schafts­wachstum in diesem Jahr um 0,1 Pro­zent­punkte und das chi­ne­sische Wachstum um 0,4 Pro­zent­punkte geringer aus­fallen, ver­kündete dort die Direk­torin des IWF, Kris­talina Geor­gieva. Wie rea­li­tätsfern diese Ein­schätzung ist, zeigen der massive Ein­bruch der japa­ni­schen Wirt­schaft und der Rückgang des Tou­rismus in Frank­reich um 40 Prozent.

Doch was bleibt dem IWF anderes übrig, als darauf zu hoffen, dass es noch irgendwie gut gehen wird? Die Geld­po­litik ist schon jetzt voll auf Expansion, und die Schulden sind es eben­falls. Es wird schwer, dem Flugzeug wieder Auf­trieb zu ver­schaffen. Deutschland würden eine weitere Aus­breitung des Virus und ein Ein­bruch der Welt­wirt­schaft massiv treffen. Kein anderes Land hat sich in einem solchen Maße abhängig gemacht vom Export. Kein anderes Land ist so anfällig für die Stim­mungen der Welt­wirt­schaft. Schon im ver­gan­genen Jahr hat unsere Industrie unter dem Nach­fra­ge­rückgang aus China und aus anderen Regionen gelitten. Nur knapp kamen wir an einer Rezession vorbei. 2020 müssen wir schon ver­dammtes Glück haben, damit uns das erneut gelingt. Alle Stim­mungs­in­di­ka­toren der Wirt­schaft zeigen klar nach unten. So oder so dürfte die Wohl­stands­il­lusion, in der wir uns in den letzten Jahren befanden, bitter enden und offen­legen, dass wir die guten Jahre nicht genutzt haben, um unser Land fit für die Zukunft zu machen.

Poli­tische Span­nungen werden immens zunehmen

Es ist auch kein Zufall, dass der Euro ange­sichts der Virus-Bedrohung seit Wochen noch schwächer notiert. Denn ohne ein wirt­schaftlich starkes Deutschland wird es immer schwerer, die Wäh­rungs­union zu sta­bi­li­sieren. Denn auch hier sollten wir uns von der Politik nichts vor­machen lassen: Nur das billige Geld der EZB hat dem Euro bisher Zeit gekauft. Gesundet ist der Patient nicht wirklich und die poli­ti­schen Span­nungen werden immens zunehmen, falls die Eurozone wieder in die Rezession fällt.
Die USA dürfte am Ende am leich­testen mit der Krise zurande kommen. Dennoch könnte die Epi­demie am Ende Donald Trump die Wie­derwahl kosten. Denn eine anfällige Rezession hat bisher noch immer dazu geführt, dass der Amts­in­haber seinen Job verlor.

Zum Schluss ein kurzer Aus­blick auf die Zeit danach. Natürlich wird sich die Wirt­schaft wieder erholen, wie stets nach solchen Krisen. Poli­tisch könnte bis dahin einiges pas­sieren, übrigens auch in China, wo die Auto­rität der Regierung unter dem Miss­ma­nagement der Situation leidet. Die Folge könnten mehr Repres­salien und damit ein struk­turell gerin­geres Wachstum in China sein. In Europa dürfte die Bereit­schaft zu mehr staat­lichen Schulden – auch in Deutschland – zunehmen, und man wird dazu über­gehen, Geld- und Fis­kal­po­litik „besser zu koor­di­nieren“, was nichts anderes bedeutet, als dass die Noten­banken die Staaten direkt finan­zieren. So bekommen die Bör­sianer dann auf längere Sicht doch Recht, und die Aktien werden wieder steigen. Nicht, weil die Wirt­schaft genesen und das Flugzeug stabil eine größere Höhe erreicht hätte, sondern nur deshalb, weil es die beste Mög­lichkeit sein wird, seine Erspar­nisse vor Nega­tiv­zinsen und Inflation zu schützen.

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Auf Zero Hedge habe ich diesen Beitrag gefunden, der – besser noch als meiner – die Lage zusammenfasst:

If we asked a panel of epi­de­mio­lo­gists to imagine a virus opti­mized for rapid spread glo­bally and high lethality, they’d likely include these characteristics:

  1. Highly con­ta­gious, with an R0 of 3 or higher.
  2. A novel virus, so there’s no immunity via pre­vious exposure.
  3. Those car­rying the pathogen can infect others while asym­pto­matic, i.e. having no sym­ptoms, for a pro­longed period of time, i.e. 14 to 24 days.
  4. Some car­riers never become ill and so they have no idea they are infecting others.
  5. The virus is extremely lethal to vul­nerable sub­po­pu­la­tions but not so lethal to the entire populace that it kills its hosts before they can transmit the virus to others.
  6. The virus can be spread by mul­tiple pathways, including aerosols (dro­plets from sneezing/coughing), brief contact (with hotel desk clerks, taxi drivers, etc.) and contact with sur­faces (credit cards, faucets, door handles, etc.). Ideally, the virus remains active on sur­faces for pro­longed periods, i.e. 7+ days.
  7. Those infected who recover may catch the virus again, as acquired immunity is not 100%.
  8.  As a result of this and other fea­tures, it’s dif­ficult to manu­facture a vaccine that will reliably protect against infection.
  9. The tests designed to detect the virus are inher­ently limited, as the virus may be present in tissue that isn’t being swabbed.
  10. The sym­ptoms of the illness are essen­tially iden­tical with less con­ta­gious and lethal flu types, so people who catch the virus may not know they have the novel pathogen.

As you pro­bably know by now, these are all cha­rac­te­ristics of Covid-19, and this is why it is unstoppable. As we now know, mil­lions of people left Wuhan while the epi­demic was raging in January, spre­ading the virus throughout China and the world via hundreds of airline flights to other nations.“ – Stelter: Das alles leuchtet ein. Wir haben in der Tat einen Erreger, der wohl unmöglich zu stoppen ist.

Und was sind die Folgen. Viel klarer als in meinem kurzen Kom­mentar hier zusammengefasst:

If we asked a panel of business exe­cu­tives to imagine a global system opti­mized for vul­nerability to external shocks, they’d likely include these characteristics:

  1. Long global suppy chains, four, five and six layers deep, so those in the top layers have no idea where parts and com­ponents actually come from.
  2. Just-in-time deli­veries and limited invent­ories dependent on complex logi­stics, so any shock quickly dis­rupts the entire network as key nodes fail.
  3. A global supply chain dependent on hundreds of finan­cially mar­ginal fac­tories and sup­pliers who do not have the means to pay employees for weeks or months while the factory is idle.
  4. A global supply chain dependent on hundreds of finan­cially mar­ginal fac­tories with high debts and expenses that will close down and never re-open.
  5. A global con­sumer economy dependent on the per­manent expansion of debt.
  6. A global financial system with extremely limited capacity to absorb defaults as sup­pliers and zombie cor­po­ra­tions (i.e. com­panies dependent on ever-greater bor­rowing to survive) fail.
  7.  A global economy bur­dened with overcapacity.
  8. A global economy dependent on „the wealth effect“ of rising stock and housing markets to fuel spending, so when these bubbles burst spending evaporates.

These are pre­cisely the cha­rac­te­ristics of our pre­ca­rious global economy, dependent on rising debt, vast spe­cu­lative bubbles, vul­nerable supply chains and mar­ginal con­sumers and pro­ducers. (…) Given the exquisite pre­ca­riousness of the global financial system and economy, hopes for a brief and mild downturn are wildly unrea­listic. The global economy is falling off a cliff, and calling it a „recession“ while debt and spe­cu­lative excesses col­lapse is a form of denial.When debt and spe­cu­lative excesses col­lapse, it’s a depression, not a recession.“Stelter: Das stimmt natürlich. Sollte das Virus sich so ver­breiten, besteht in der Tat ein erheb­liches Risiko für einen „Margin Call“ im welt­weiten Finanz­system. Kein schönes Szenario.

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Dr. Daniel Stelter –www. think-beyondtheobvious.com