Wie die Will­kom­mens­kultur den Rechts­staat zersetzt

Deutschland wird zur Zeit noch weltweit bewundert und beneidet wegen seines funk­tio­nie­renden Rechts­staates, der Geset­zes­treue, Gleichheit vor dem Gesetz und die daraus resul­tie­rende Rechts­si­cherheit bietet.

Aller­dings wird der Rechts­staat täglich zer­setzt unter dem mora­li­sie­renden Druck der Will­kom­mens­kultur, ver­stärkt seit der von unserer Kanz­lerin aus­ge­lösten Mas­sen­ein­wan­derung von 2015/2016, die noch längst nicht bewältigt und sicher noch lange nicht beendet ist.

Wie diese stille Zer­setzung des Rechts­staats aus­sieht, kann man bei­spielhaft an einer Ein­ladung zu einer Ver­an­staltung „Inte­gration im Dialog“ mit dem Beauf­tragten des Ber­liner Senats für Inte­gration und Migration stu­dieren, die am 18. Oktober im Rathaus Köpenick statt­finden soll.

Hier der Text der Einladung:

„Sie kommen aus dem Bür­ger­krieg in Syrien, aus dem Irak und aus Afgha­nistan, aus Krisen- und Armuts­re­gionen der ganzen Welt. Seit Jahr­zehnten kommen Geflüchtete nach Berlin. Ihnen Schutz zu bieten, gehört zu unseren demo­kra­ti­schen Grund­werten. Für die Geflüch­teten geht es nun auch darum, die Sprache zu lernen, eine Wohnung, einen Aus­bil­dungs­platz oder Arbeit zu finden. Der Senat bereitet in diesem Jahr ein Gesamt­konzept zur Inte­gration und Par­ti­zi­pation Geflüch­teter vor.

WIE IST DIE SITUATION HEUTE?

WIE GEHT ES WEITER IN DEN BEZIRKEN?

WIE GESTALTET DER SENAT SEINE FLÜCHTLINGSPOLITIK?

Diese und andere Fragen dis­ku­tiert der Inte­gra­ti­ons­be­auf­tragte von Berlin, Andreas Ger­mers­hausen, zusammen mit Bezirksbürgermeister*innen, Vertreter*innen der Bezirks­ämter, Ver­einen, Initia­tiven, Geflüch­teten und den Bür­ge­rinnen und Bürgern der Ber­liner Bezirke.

WIR LADEN SIE HERZLICH EIN, IN TREPTOW-KÖPENICK DABEI ZU SEIN“.

Was so gut­menschlich klingt, hat es in sich.

Dieser Senatstext geht gleich in der Ein­leitung von völlig fal­schen Prä­missen aus. Er behauptet „Geflüchtete“ seien auch Leute aus „Armuts­re­gionen der ganzen Welt“. Das wider­spricht der Ver­fas­sungs- und Geset­zeslage: Leute, die nach Deutschland kommen, weil sie hier wirt­schaftlich besser gestellt sein werden, als in ihrer Heimat, sind begrifflich weder „Flücht­linge“, noch „Geflüchtete“ (was immer letz­teres sein soll – dieser Ter­minus soll offenbar die not­wen­digen Unter­schei­dungen ver­wi­schen) – zumal die aus wirt­schaft­lichen Gründen Geflüch­teten in ihren Her­kunfts­ländern gerade nicht zu den Ärmsten gehören, sondern zu denen, die sich das Schlepper-‚Honorar‘ leisten können.

Ein wei­teres fehl­ge­lei­tetes Apriori ist, dass alle, die irgendwie (meist illegal) über die deut­schen Grenzen kommen, einen Anspruch darauf hätten, hier zu bleiben und „inte­griert“ zu werden.

Nach gel­tendem Recht haben einen solchen Anspruch nur die­je­nigen, die wirklich ver­folgt werden (das ist eine Min­derheit unter denen, die da kommen) und die nicht vorher schon ein sicheres Drittland erreicht haben – da bleibt prak­tisch niemand mehr übrig; nach Recht und Gesetz wären also aus­schließlich Kon­tin­gente aner­kannter Asyl­be­rech­tigter aus sicheren Dritt­ländern in der EU aufzunehmen.

Das hat auch seinen guten Grund: Abge­sehen davon, dass wir im Ausland dafür werben, sich in den inter­na­tio­nalen Bezie­hungen an Regeln zu halten (und es selbst nicht tun, indem wir u. a. die Rege­lungen der Dublin-Ver­ein­ba­rungen brechen), spricht auch alles andere dagegen, unter­schiedslos jeden hier auf­zu­nehmen. Es ver­stößt gegen den Gleich­heits­grundsatz, Ungleiches gleich zu behandeln; Wohl­stands­mi­granten zu behandeln, als wären sie Asyl- oder Flücht­lings­sta­tus­be­rech­tigte, ver­stößt gegen gel­tende Gesetze, u. a. das Auf­ent­halts­gesetz. Vor allem tut die Gleich­setzung mit Wohl­stands­mi­granten denen Unrecht, die wirklich Bedarf für und Anspruch auf Hilfe und Unter­stützung haben.

Auch wenn man nach dem Willen der Kanz­lerin und ihrer Will­kommens-Jünger nicht von Ober­grenzen sprechen darf: Es gibt es Kapa­zi­täts­grenzen sowohl finan­zi­eller als auch psy­cho­lo­gi­scher und vor allem auch demo­gra­phi­scher Art.

Die „Inte­gration“ klappt weit über­wiegend eben nicht, wie immer häu­figer fest­ge­stellt werden muss. Das liegt nicht an feh­lenden Inte­gra­ti­ons­an­ge­boten, sondern am man­gelnden Willen der Ein­wan­derer, solche Angebote zu nutzen. In der Öffent­lichkeit wird die feh­lende Inte­gra­ti­ons­wil­li­gikeit der „Geflüch­teten“ mit einem Tabu belegt.

Weiter werden mit der unter­schieds­losen Ali­men­tierung aller die Berech­tigten und die Unbe­rech­tigten in einen Topf geworfen. Damit wird nicht nur für eine sin­kende Akzeptanz für die Auf­nahme von „Geflüch­teten“ gesorgt, man schädigt auch die wirklich Schutz­be­dürf­tigen, die unter den zuneh­menden Res­sen­ti­ments gegen „Geflüchtete“ eben­falls leiden müssen.

Vor allem aber ist diese Auf­nahme aller aus mora­li­schen oder huma­ni­tären Gründen eine Heu­chelei ersten Ranges: Wir geben für jeden „Geflüch­teten“, der nach Deutschland kommt, min­destens hundert mal soviel aus, wie der UNHCR für Flücht­linge (pro Kopf) zur Ver­fügung hat. Würden wir dieses Geld dem UNHCR zur Ver­fügung stellen, könnten damit über 100 Mil­lionen Flücht­linge weltweit ver­sorgt werden, also alle gegen­wär­tigen 60 Mil­lionen Flücht­linge um so besser). Eine mora­lische Ver­pflichtung (oder auch nur Recht­fer­tigung), den Wenigen auf Kosten der Vielen zu helfen, kann es nicht geben.

Also: Rechtlich und mora­lisch ver­tretbar ist nur die Unter­stützung jener Ein­rei­senden, die tat­sächlich Asyl oder zumindest sekun­dären Schutz ver­dienen und erhalten (und auch nur so lange, wie sie das benö­tigen). Alles, was darüber hin­ausgeht, geht zulasten der Bedürf­tigen zugunsten derer, die nicht bedürftig sind – ver­bunden mit der Gefahr, dass der „Refugees-welcome“-Extremismus in sein Gegenteil umschlägt.

Der Senat von Berlin ist gewählt worden, um Recht und Gesetz zu schützen. Mit dem absicht­lichen Auf­weichen recht­licher Kri­terien zugunsten mora­lisch zwei­fel­hafter Prin­zipien, trägt er zur Erosion von Recht und Gesetz bei. Wenn das nicht gestoppt wird, werden wir eines Tages fest­stellen, dass eine hyper­mo­ra­li­sie­rende Gesell­schaft keinen Schutz vor Willkür bietet.

Dank an meinen Leser A.N. für den Hinweis und die groß­zügige Unterstützung.

vera-lengsfeld.de

 

Titelbild: Von Olbertz aus der deutsch­spra­chigen Wiki­pedia, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3431921