Martin Schulu und Angela Merkel - Foto von: Pietro Naj-Oleari, European Parliament flickr.com https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

Die neue GroKo ver­spricht Steu­er­erhö­hungen und Zwangsversicherung

Die SPD hat Bedin­gungen für eine neue GroKo for­mu­liert: Zwangs­ver­si­cherung und Steu­er­erhö­hungen für „Bes­ser­ver­die­nende“. Ist die FDP daran schuld, wenn das jetzt kommt?

(Von Dr. Rainer Zitelmann)

Mehrere füh­rende SPD-Poli­tiker haben ihre Bedin­gungen für eine neue GroKo for­mu­liert, nämlich eine Umsetzung des Steu­er­kon­zeptes der SPD und die Ein­führung einer „Bür­ger­ver­si­cherung“. Für soge­nannte „Bes­ser­ver­diener“ bedeuten diese beiden Maß­nahmen erheb­liche Mehr­be­las­tungen – und genau dies ist der Sinn der Übung. Da die CDU/CSU auf die SPD als Koali­ti­ons­partner ange­wiesen ist, kann man erwarten, dass sie – wie in der Ver­gan­genheit – weit­gehend auf die For­de­rungen der Sozi­al­de­mo­kraten ein­gehen werden.

„Bür­ger­ver­si­cherung“ = Newspeak für Zwangsversicherung

Die SPD hat die Ein­führung der „Bür­ger­ver­si­cherung“ zu einer zen­tralen For­derung für eine neue GroKo erhoben. Auch in der CDU/CSU gibt es Anhänger für dieses Konzept. „Bür­ger­ver­si­cherung“ ist ein Euphe­mismus – oder, um es ein­facher zu sagen: Eine Eti­ket­ten­schwindel. Der Begriff klingt schön, gemeint ist aber nichts anderes als eine Zwangs­ver­si­cherung, in die künftig auch Beamte und Selbst­ständige gepresst werden sollen. Ich emp­fehle, dass ver­nünftig den­kende Men­schen diesen Mogel­pa­ckungs-Begriff, der aus dem Newspeak-Arsenal von George Orwells „1984“ stammen könnte, nicht ver­wenden sollten, denn damit geht man den Sozi­al­de­mo­kraten schon auf den Leim.

Gemeint ist mit der „Bür­ger­ver­si­cherung“ Fol­gendes: Für Per­sonen, die sich neu ver­si­chern wollen, soll es nicht mehr die Mög­lichkeit geben, sich privat gegen Krank­heits­ri­siken zu ver­si­chern, sondern sie sollen zwangs­weise in die gesetz­liche Kran­ken­ver­si­cherung gepresst werden. Ist das einmal umge­setzt, dann ist zu erwarten, dass suk­zessive die Bei­trags­be­mes­sungs­grenze ange­hoben wird, um „soziale Gerech­tigkeit“ her­zu­stellen. Ergebnis: Selbst­ständige zahlen künftig viel mehr für weniger Leis­tungen. Das ver­steht die SPD unter „Abschaffung der Zweiklassenmedizin“.
In einer nächsten Phase ist zu erwarten, dass weitere Ein­künfte, z.B. Miet­ein­nahmen und Ein­künfte aus Kapi­tal­ver­mögen, ein­be­zogen werden, für die dann auch Ver­si­che­rungs­bei­träge erhoben würden. Diese For­derung wird von den Grünen, den Linken und dem linken Flügel der SPD erhoben. Es sei ein „Gebot der sozialen Gerech­tigkeit“ auch solche Ein­künfte ein­zu­be­ziehen, also z.B. Ver­mieter und Sparer zu ver­pflichten, auf ihre Ein­künfte Bei­träge an die gesetz­liche Kran­ken­ver­si­cherung zu entrichten.

Zwar gibt es wahr­scheinlich einen Bestands­schutz für bisher privat Kran­ken­ver­si­cherte, aber diese werden erheb­liche Pro­bleme bekommen, weil pri­vaten Kran­ken­ver­si­che­rungen letztlich die Zukunfts­per­spektive genommen wird.

47,5% Steuer für Per­sonen, die 6333 Euro zu ver­steuern haben

Die Umsetzung der SPD-Steu­er­pläne ist eine weitere For­derung der SPD für eine neue GroKo. Im Kern geht es um massive Steu­er­erhö­hungen für „Bes­ser­ver­die­nende“. Die soge­nannte Rei­chen­steuer setzte bisher bei Ledigen erst mit einem zu ver­steu­ernden Jah­res­ein­kommen von 254.477 Euro ein. Künftig, so die SPD; soll der Spit­zen­steu­ersatz von 42 Prozent auf 45 Prozent erhöht werden, und zwar für Per­sonen, die min­destens 76.000 Euro im Jahr zu ver­steuern haben. Bislang waren nur 0,22% der Steu­er­zahler von der Rei­chen­steuer betroffen, künftig werden es sehr, sehr viel mehr sein (nur dass die Rei­chen­steuer dann nicht mehr so heißt, sondern der bis­herige Steu­ersatz der Rei­chen­steuer künftig der Spit­zen­steu­ersatz ist).

Gleich­zeitig soll der Soli laut SPD zwar für Bürger, die bis 52.000 Euro zu ver­steuern haben, abge­schafft, für alle anderen aber weiter erhoben werden. Das heißt aber, dass jemand, der 76.000 Euro im Jahr zu ver­steuern hat (= 6.333 Euro im Monat) künftig in Wahrheit ca. 47,5 Prozent Steuern zu bezahlen hat, da ja die 5,5% Soli noch den 45% zuge­schlagen werden.

„Rei­chen­steuer“ steigt auf über 50 Prozent

Darüber hinaus soll nach den Plänen der SPD, die sie jetzt als Grundlage für Ver­hand­lungen über eine GroKo for­mu­liert hat, die „Rei­chen­steuer“ von derzeit 45 auf künftig 48 Prozent plus Soli ange­hoben werden – sie würde danach bei 50,64 Prozent liegen (48 Prozent plus Soli 2,64%).

Abschaffung der Abgeltungssteuer

Zudem will die SPD die Abgel­tungs­steuer abschaffen. Ob das nur für Zins­ein­künfte oder auch für Divi­denden erfolgen soll, beant­wortete die SPD, trotz mehr­facher Anfragen, nicht. Nach dem Wortlaut des SPD-Wahl­pro­gramms träte bei Abschaffung der Abgel­tungs­steuer der per­sön­liche Ein­kom­men­steu­ersatz an Stelle der bis­he­rigen Regelung. An dieser Stelle habe ich vor­ge­rechnet, dass bei Abschaffung der Abgel­tungs­steuer für Erträge von 100 Euro, die eine Kapi­tal­ge­sell­schaft erwirt­schaftet, in der Spitze bei Aus­schüttung über 65 Prozent an den Fiskus ent­richtet werden müssten. Dieser Pro­zentsatz ergibt sich, wenn man die Besteuerung auf Unter­neh­mens­ebene (Kör­per­schafts- und Gewer­be­steuer) und die Besteuerung der Aus­schüttung mit dem pri­vaten Höchst­steu­ersatz addiert. Will die SPD das? Oder will sie künftig, dass Divi­denden weiter der Abgel­tungs­steuer unter­liegen und diese nur für Zins­ein­künfte abge­schafft wird? Letz­teres würde dem Staat bei gegen Null gehenden Zinsen kaum Ein­nahmen bringen. Es ist perfide, dass die SPD fordert, man müsse Sparer, die ohnehin unter der Nied­rig­zins­po­litik leiden, durch Steu­er­erhö­hungen noch stärker schröpfen und ihnen von den Mini­zinsen bis zu 50 Prozent weg­zu­nehmen. Und unerhört wäre es, wenn sie Divi­den­den­ein­künfte künftig mit dem per­sön­lichen Steu­ersatz besteuern würde. Das aber sind die For­de­rungen der SPD.
Übrigens: Wenn die „Bür­ger­ver­si­cherung“ einmal ein­ge­führt ist und per­spek­ti­visch zur „Ver­brei­terung der Bemes­sungs­grundlage“ auch Kapi­tal­ein­künfte ein­be­zogen würden, dann stiege die Belastung für Bes­ser­ver­die­nende bei Zins­ein­künften in der Spitze auf weit über 50 Prozent, da zu den Steuern noch Zwangs­bei­träge an die gesetz­liche Kran­ken­ver­si­cherung hinzu kämen.

Union wird mitmachen

Wird sich die CDU/CSU gegen all das wehren? Das ist aus zwei Gründen nicht zu erwarten:

1. Nach dem Scheitern von Jamaika ist Merkel auf die SPD ange­wiesen. Neu­wahlen fürchtet Merkel zu recht wie der Teufel das Weih­wasser, denn die Union könnte unter die 30-Prozent-Marke fallen, was Merkels poli­ti­sches Ende bedeuten könnte.

2. Die Union hat sich in den ver­gan­genen Jahren ohnehin ver­grünt und sozi­al­de­mo­kra­ti­siert. Sie hat alle SPD-For­de­rungen für „mehr soziale Gerech­tigkeit“ über­nommen, also Miet­preis­bremse, Rente mit 63, Min­destlohn usw. Sie wird auch bei der Zwangs­ver­si­cherung und den Steu­er­erhö­hungen für „Bes­ser­ver­die­nende“ auf die SPD-For­de­rungen ein­schwenken und dies sogar als soziale Wohltat ver­kaufen, da gleich­zeitig eine Ent­lastung unterer und mitt­lerer Ein­kommen erfolgen würde.

Ist die FDP schuld, wenn das jetzt kommt?

So einfach ist das aus Sicht mancher Wähler: Ab sofort ist an jedem Schwachsinn, der von anderen Par­teien pro­du­ziert wird, die FDP schuld. Denn sie hätte es ja ver­hindern können, wenn sie nur bei Jamaika mit­ge­macht hätte. Vor­der­gründig leuchtet die Argu­men­tation ein, denn in der Tat hätte es bei Jamaika bei­spiels­weise keine Ver­schärfung der Miet­preis­bremse, keine Anhebung des Min­dest­lohnes und erst recht keine Zwangs­ver­si­cherung gegeben. Kurz­fristig hätte die FDP manches ver­hindern können.

Sie wäre jedoch – ähnlich wie 2009 bis 2013 – von der Union majo­ri­siert worden, nur dass es diesmal noch schlimmer gekommen wäre, weil die Union gemeinsam mit den Grünen gegen die FDP gestanden hätte. Das wurde schon in den Koali­ti­ons­ver­hand­lungen deutlich, als Merkel den Grünen fast jeden Wunsch von den Lippen ablas, die FDP jedoch bei wich­tigen Themen abblitzen ließ.

Kurz­fristig wird die FDP Zustimmung verlieren

Ange­sichts der links­grünen Medi­en­kam­pagne wird die FDP kurz­fristig an Zustimmung ver­lieren. Denn die Mehrheit der Wähler denkt nun einmal nicht lang­fristig und stra­te­gisch, sondern kurz­fristig – und lässt sich vom Geheul der Medien beein­drucken und beein­flussen. So ist es ver­ständlich, wenn manche FDP-Wähler ent­täuscht reagieren, weil sie gehofft hatten, die FDP werde in der Regierung mit ent­scheiden bzw. wenigstens Schlim­meres ver­hüten können, was aus der Oppo­sition heraus natürlich nicht mehr möglich ist. Ich kann diese Wähler ver­stehen, doch ich möchte zu bedenken geben:
Die FDP wäre bei Jamaika von Merkel ver­nichtet worden – diesmal end­gültig. Die Wähler hätten ihr, wenn sie das Jam­mer­schau­spiel von 2009 ff. wie­derholt hätte, keine dritte Chance mehr gegeben. Und es ist kei­neswegs nur die FDP wichtig, dass es sie gibt, sondern für alle, denen die Markt­wirt­schaft am Herzen liegt. Denn was geschieht, wenn es nur noch sozi­al­de­mo­kra­tische Par­teien im Bun­destag gibt, haben wir seit 2013 erleben dürfen.

CSU zur FDP: „Das macht ihr richtig“

Wenn die CDU so wei­ter­macht, wird sie sich über­flüssig machen. Denn diese Partei steht für nichts mehr. Ihre Wähler werden sich, wenn sie den Kurs nicht ändert, bei den kom­menden Wahlen auf andere Par­teien ver­teilen – auf Grüne, FDP und AfD. Das wird aber irgendwann eine Rebellion in der CDU aus­lösen. Bei den Koali­ti­ons­ver­hand­lungen haben sich Christian Lindner, Jens Spahn und Alex­ander Dob­rindt besonders gut ver­standen, manche nennen sie sogar schon eine „Achse“. Ein füh­render CSU-Mann umarmte Lindner zum Abschied und meinte: „Das macht ihr richtig“, so berichtet die „Frank­furter All­ge­meine Sonntagszeitung“.

Bei den Koali­ti­ons­ver­hand­lungen wurde klar, dass ein Riss durch die Union geht: Die Merkel-Lakaien Alt­maier & Co sind ver­liebt in Claudia Roth und Kathrin Göring-Eck­hardt. Sie sind schon lange in ihrem Herzen über­zeugte Grüne. Dafür nähern sich Spahn, Lindner und die ver­nünf­tigen Leute in der CSU. Die alte Feind­schaft zwi­schen CSU und FDP ist in der Ära Lindner über­wunden und nach dem Aus­scheiden des Oppor­tu­nisten Horst See­hofer könnten CSU und FDP sogar Ver­bündete werden gegen Ver­grünung und Sozi­al­de­mo­kra­ti­sierung. Ent­weder wird die Union auf­ge­rieben und die FDP über­nimmt die Rolle der füh­renden bür­ger­lichen Partei. Oder in der Nach-Merkel-Ära über­nehmen Leute wie Spahn und Söder die Union und werden in vier Jahren mit Lindner eine Koalition bilden. Jetzt bleibt uns ver­mutlich nichts anderes übrig, als vier Jahre zuzu­schauen, wie Merkel und die SPD ihren für Deutschland so ver­häng­nis­vollen Kurs fort­setzen. Schuld daran sind alleine sie – und nicht die­je­nigen, die sich einer Mit­wirkung an dieser Tra­gödie ver­weigert haben.

Dr. Rainer Zitelmann / TheEuropean.de