Afrika – weder hoff­nungslos noch für immer arm

Was wir hier im selbst­zu­frie­denen, fast schon ein­ge­bil­deten Europa noch gar nicht zur Kenntnis genommen haben, ist, dass Afrika nicht ein einfach nur ein bet­tel­armer Kon­tinent voll Wüsten und Dschungeln ist. Der Kon­tinent ent­wi­ckelt sich positiv, der Auf­schwung in den ver­schie­denen Ländern Afrikas ist — je nach Land – deutlich zu bemerken. Im Gegensatz zum müden, über­schul­deten Westen, in dem die Zen­tral­banken seit Jahren Staats­an­leihen en masse kaufen, um die Staaten mit ihren ver­krus­teten Struk­turen vor dem Kollaps zu bewahren, weisen zahl­reiche afri­ka­nische Staaten zwei­stellige Wirt­schafts­wachs­tums­raten auf.

Einer Zusam­men­fassung des Berichtes der OECD zur Ent­wicklung Afrikas zufolge, hatte der Kon­tinent noch im letzten Jahr mit hef­tigem Gegenwind – sowohl wegen glo­baler, als auch regio­naler Ereig­nisse – zu kämpfen. Ange­merkt werden hier zu nied­riges Preis­niveau im Handel, schlechte Wirt­schafts­leistung im glo­balen Handel, mit­telbare Aus­wir­kungen der Ver­lang­samung von Chinas Wirt­schafts­wachstum und Neben­wir­kungen des Ara­bi­schen Früh­lings, das alles noch ver­stärkt durch den immer noch schwä­renden Kon­flikt in Libyen. Der gesamte OECD-Bericht zu Afrika ist hier her­un­ter­zu­laden: African_Economic_Outlook_2017

Doch seit Ende 2016 pro­fi­tiert Afrika von stei­genden Preisen im Handel, stei­gender pri­vater Nach­frage auf den hei­mi­schen Märkten, solidem Wirt­schafts­ma­nagement und ein weitaus bes­seres Umfeld für Unter­nehmen und Startups. Die Hürden für Exis­tenz­grün­dungen wurden stark abgebaut und der Tou­rismus boomt.

Ost­afrika ist dabei der Spit­zen­reiter. Die Wirt­schafts­leistung des Armen­hauses Äthiopien ist seit dem Jahr 2000 jährlich um sieben Prozent gewachsen. Damit liegt das Land in der  Top Ten-Liste der am schnellsten wach­senden Volks­wirt­schaften der Welt. Ein Land, das früher für seine Hun­gersnöte bekannt war, spielt heute in der Welt­spit­zenliga der erfolg­reichen Wirtschaften.

Auch Ruanda, mit dem wir Europäer vor allem „Bür­ger­krieg“ ver­binden, ist auf einem guten Weg. In den letzten zehn Jahren hat sich das Brut­to­so­zi­al­produkt mehr als ver­doppelt. Tan­sania hat sich zu einem Magneten für Inves­toren aus aller Welt ent­wi­ckelt, da Infra­struktur und Ein­zel­handel sich ständig und dyna­misch nach oben ent­wi­ckeln. Mit Boden­schätzen, einer gesunden Land­wirt­schaft und Bergbau hat das Land auch ein starkes Fundament.

Die Mobil­kom­mu­ni­kation hat quer durch die afri­ka­ni­schen Länder rasante Fort­schritte gemacht. In den dichter bevöl­kerten Gebieten sind Handys und auch Smart­phones weit ver­breitet und die Netz­de­ckung gut, die Anzahl der Nutzer steigt steil an, auch Nor­mal­ver­braucher können sich die Gebühren leisten. Mobiles Banking ist Gang und Gebe, besonders in Gebieten, wo die nächste Bank nicht gerade um die Ecke liegt.

Afrika hat auch die Kryp­to­wäh­rungen für sich ent­deckt. Besonders Länder, in denen die Wäh­rungen noch instabil sind oder gegen die füh­renden Welt­wäh­rungen fast wertlos, bieten elek­tro­nische Kryp­to­wäh­rungen die Mög­lichkeit, über’s Internet Waren aus dem Ausland zu kaufen, das Ver­mögen vor den Abwer­tungen ihrer hei­mi­schen Wäh­rungen zu retten und in den Bal­lungs­ge­bieten damit über Internet einzukaufen.

Erwachtes Leben: Eine etwas andere Afrika-Reise von [Otto, Andreas]In Nigeria und Sim­babwe zum Bei­spiel sind Bit­coins, Ethereum, Litecoin und Ripple geradezu eine Stra­tegie für Händler und Akti­visten, mit den Mög­lich­keiten dieses neuen Geldes die Wirt­schaft zu demo­kra­ti­sieren. Bisher bedeu­teten Wäh­rungs­zu­sam­men­brüche oder Hyper­in­fla­tionen immer auch eine voll­kommene Ent­eignung der ein­fachen Leute, im Gegensatz dazu waren Inhaber von Dol­lar­gut­haben die Pro­fi­teure. Kryp­to­wäh­rungen dagegen bieten nicht nur Schutz vor solchen Bar­geld­ent­wer­tungen, sondern ermög­lichen es auch lokalen Klein­un­ter­nehmen, lan­desweit oder über Lan­des­grenzen hinaus zu ver­kaufen. Das war vorher nur den gut orga­ni­sierten Olig­archen möglich. Ein Neben­ein­ander und auch Ver­qui­ckungen von regio­nalen, staat­liche und Kryp­to­wäh­rungen, je nach den Anfor­de­rungen, könnte Afrika zu neuer wirt­schaft­licher Sta­bi­lität und Inno­va­tionen führen.

Überall ent­wi­ckeln sich Städte mit einer breiten Mit­tel­schicht, die sich besonders durch Selb­ständige, Frei­be­rufler und Fir­men­gründer aus­zeichnet. Diese Leute wollen und brauchen keine Ent­wick­lungs­hilfe, sondern suchen Geschäfts­be­zie­hungen zu inter­na­tio­nalen Unter­nehmen. Dadurch, dass sich China schon früh­zeitig in Afrika enga­gierte, und – im Gegensatz zu den west­lichen Ländern – ohne eine meterhohe Bug­welle mora­li­scher Über­le­genheit, Part­ner­schaften und Geschäfts­be­zie­hungen einging, ent­standen große, gemeinsame Pro­jekte, Arbeits­plätze, Infra­struk­turen, Sied­lungen, Straßen, Schulen. Die Chi­nesen sind beliebte Partner, die sich nicht in die inneren Ange­le­gen­heiten des Landes ein­mi­schen und sich höf­li­cher­weise auch jeder bes­ser­wis­se­ri­schen Beur­teilung der Regierung ent­halten. In Dschibuti hat China seit Sommer 2017 seinen aller­ersten aus­län­di­schen Mari­ne­stütz­punkt ein­ge­richtet. Das kleine Land mit etwa 850.000 Ein­wohnern liegt an der stra­te­gisch wich­tigen Meerenge Bab Al-MAndab. Jedes Schiff, das durch den stark befah­renen Suez­kanal schippert, muss hier vorbei. Chinas Kriegs­schiff dort soll von hier aus die chi­ne­sische Tan­ker­flotte schützen, denn über diese Was­ser­straße wird die Hälfte der chi­ne­si­schen Ölim­porte transportiert.

Der ehe­malige Bot­schafter der Schweiz, Dominik Lan­gen­bacher beschreibt in einem Interview den „schwarzen Kon­tinent“ als wesentlich besser gestellt, als man in Europa ver­mutet. Und die Afri­kaner als „geer­deter“, als wir in den ent­wi­ckelten Indus­trie­staaten. Auch er berichtet von inter­es­santen Ent­wick­lungen, ganz anderen als nur „Hun­gers­nöten, Armut und Kon­flikten“- sondern von großen Fort­schritten in Wirt­schaft und Politik.

Botswana, bei­spiels­weise, sei ein Mus­terland. Dort finde eine echte, demo­kra­tische Ent­wicklung statt. Die Dia­manten, die dort gewonnen werden, werden so ver­wendet, dass das ganze Volk davon pro­fi­tiert. Auch Ghana sei heute eine stabile Demo­kratie, die aus ihren Schätzen Kakao, Gold und Erdöl ein gutes Wirt­schafts­ein­kommen erziele. Sogar in Somalia sei der Bür­ger­krieg beendet und das Land sta­bi­li­siere sich.

Inter­essant ist seine Antwort auf die Frage „Warum haben wir denn immer noch Flücht­linge aus solchen Ländern in der Schweiz?“:

Die Leute aus den meisten afri­ka­ni­schen Ländern haben keinen Anspruch auf den Flücht­lings­status. Auch für Somalier wäre es ange­bracht, die Situation zu über­prüfen. Nach meiner Ansicht könnte man die neu Ankom­menden heute zurück­schicken. […] Die Flücht­lings­krise in Europa ist eher eine Migra­ti­ons­krise. Wir haben uns bei der Migration zu lange nur auf die huma­nitäre Asyl­schiene fest­gelegt. Das rächt sich nun. Wir haben es ver­passt, neben der Frei­zü­gigkeit mit der EU eine Immi­gra­ti­ons­po­litik für den Rest der Welt zu entwickeln.“ 

Und auf die Frage, ob die Afri­kaner denn nach Europa kommen, um zu profitieren:

Die meisten kommen nach meinen Erfah­rungen nicht, um zu arbeiten. Vielmehr sind sie darüber infor­miert, dass sie hier Sozi­al­leis­tungen erhalten, und die Somalier und Eri­treer wissen, dass sie nicht zurück­ge­schickt werden. Wir schätzen die Afri­kaner oft falsch ein, sie haben eine Über­le­bens­stra­tegie und sind sehr kreativ. […]Für Afri­kaner ist es weder pro­fi­tieren noch schma­rotzen. Aber wenn das Umfeld so lieb ist und etwas gibt, kann man es doch nehmen.“ 

Die dritte, ziemlich über­ra­schende Infor­mation erfahren wir auf die Frage nach den afri­ka­ni­schen Hun­gers­nöten von Dominik Langenbacher:
„Abge­sehen von den wirk­lichen Kri­sen­ge­bieten sind Hun­gersnöte oft haus­ge­macht. In Ent­wick­lungs­ländern ver­suchen die Regie­rungen oft, sich auch an den Bauern zu berei­chern. So besteht für die Land­wirte kein Anreiz, über die Selbst­ver­sorgung hinaus zu pro­du­zieren. Das führt in schlechten Zeiten zu Not.
Sie meinen, es wäre genug Nahrung vorhanden?
Ja. Allein das Jub­batal in Somalia könnte das ganze Horn von Afrika ernähren. Man müsste es nur richtig bewirt­schaften. Die Bauern wüssten wie. Sie haben Apps, auf denen sie sehen, wann für den Anbau der Regen kommt und auf welchem Markt sie für ihre Ernte den besten Preis erzielen können.“