Weil die Rentnerin Ingrid Millgramm (84) aus Hunger Lebensmittel gestohlen hat, muss sie für 90 Tage ins Gefängnis. Wegen ihrer kleinen Rente hatte sie sich wochenlang nur von Wasser und Knäckebrot ernährt. Nun hat sie Angst vor dem Knast.
Wochenlang hatte die Rentnerin Ingrid Millgramm aus Bad Wörishofen in Bayern noch auf Gnade gehofft. Nun muss sie für 90 Tage in die JVA Memmingen. Denn die 84-Jährige hatte Lebensmittel im Wert von 70,11 Euro gestohlen und war bereits mehrfach wegen Diebstahls verurteilt.
„Ich habe aber extra nur die bereits reduzierten Waren und Lebensmittel gestohlen“, zitiert die Augsburger Allgemeine die Rentnerin. Nach dem Tod ihres Mannes hatte Ingrid Millgramm ihr Vermögen verloren und sich wochenlang nur von Knäckebrot und Leitungswasser ernährt. „Ich habe vor Hunger gestohlen, und dafür schäme ich mich heute zutiefst.“
Von ihrer Rente bleiben ihr nach Abzug der Fixkosten für Miete, Strom und Medikamente maximal 100 Euro im Monat. Dabei habe sie doch 45 Jahre gearbeitet, sagt die gelernte Schneiderin. Hilfen wie etwa von der Tafel lehnt sie ab, weil sie sich zu sehr für ihre Altersarmut schämt.
Als „Oma Ingrid, die vor Hunger klaute“ war sie bundesweit bekannt geworden, nachdem sie wegen Ladendiebstahls in fünf Fällen verurteilt worden war. Dafür war sie zu einer Geldstrafe verurteilt worden, die sie aber auch nicht bezahlen konnte.
Nach zwei weiteren Bewährungsstrafen ging das Memminger Gericht dann davon aus, dass ihre Sozialprognose schlecht ist und weitere Straftaten zu befürchten sind. Dieser Einschätzung ist jetzt auch die Generalstaatsanwaltschaft München gefolgt.
Keine Gnade für Ingrid Millgramm
Bis zuletzt hatte Anja Mack, die Rechtsanwältin von Ingrid Millgram, darauf gehofft, dass das Justizministerium im letzten Moment noch „Gnade vor Recht“ ergehen lässt. Doch die zuständige Generalstaatsanwaltschaft München lehnt dies ab. Ihr Pressesprecher, Oberstaatsanwalt Joachim Ettenhofer, sagte:
“Gnadenerweise haben besonderen Ausnahmecharakter. Sie kommen in der Regel nur dann in Betracht, wenn ganz besondere und derart schwerwiegende Umstände vorliegen, dass andere Strafzwecke wie die Schuld des Täters, die Verteidigung der Rechtsordnung, die Wiederherstellung des Rechtsfriedens und die Wirkung der Bestrafung auf Dritte diesen gegenüber zurücktreten.”
Das Gnadenverfahren könne nicht dazu dienen, rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen zu korrigieren. Ausnahmsweise sei ein Gnadenerweis möglich, wenn neue erhebliche Umstände eingetreten sind, die das Gericht berücksichtigen konnte und die eine Vollstreckung im Verhältnis zu Vergleichsfällen als außergewöhnliche Härte erscheinen ließen.
„Solche Gründe waren vorliegend nicht erkennbar“, sagte Oberstaatsanwalt Joachim Ettenhofer zum Fall Ingrid Millgramm. Sowohl die wirtschaftliche und gesundheitliche Situation der Verurteilten als auch ihr hohes Lebensalter habe das Gericht in der getroffenen Entscheidung und insbesondere bei der Strafzumessung bereits berücksichtigt.
Zudem habe das Gericht berücksichtigt, dass „die Verurteilte mehrfach vorbestraft ist und die Tat während des Laufs zweier Bewährungsfristen beging, sich also durch die Verhängung von Bewährungsstrafen nicht beeindrucken ließ“.
Emilia David / BerlinJournal.biz