Der Tag der Befreiung: Merkels Scheitern als Neu­anfang für die Demokratie

Als am späten Sonn­tag­abend kurz vor Mit­ter­nacht die ver­sam­melte FDP-Führung vor die Kameras trat, erlebte Deutschland eine his­to­rische Stunde: Der 19. November 2017 wird als Tag der Befreiung in die Geschichts­bücher ein­gehen. Mit einer von vielen nicht für möglich gehal­tenen Stand­haf­tigkeit haben die Libe­ralen sich selbst und das Land gerettet. Trotz des ehr­lichen Bemühens um eine part­ner­schaft­liche Zusam­men­arbeit mussten Christian Lindner & Co. am Ende fest­stellen, dass ihnen offenbar als einzige Son­die­rungs­partei die Zukunft Deutsch­lands wich­tiger war als die Sicherung der Wie­derwahl Angela Merkels. Geschäfts­führend darf die Kanz­lerin nun noch bis zu ihrer Ablösung wei­ter­machen – lange dürfte dies nicht sein. Hatte irgend­jemand Zweifel, warum es die FDP im Bun­destag braucht, dann war dies der per­fekte Moment, um all diese Zweifel zu zer­streuen. Keine andere Partei hätte die Mög­lichkeit bekommen und zugleich die Kraft gehabt, das „System Merkel“ zu beenden und für eine wirk­liche poli­tische Wende zu sorgen. Die nächsten Wochen müssen nun zeigen, ob es zu Neu­wahlen kommt, oder sich – viel­leicht auch mit anderem CDU-Per­sonal – neue Kon­stel­la­tionen für eine Bun­des­re­gierung ergeben. In jedem Fall steht Deutschland vor der auf­re­gendsten poli­ti­schen Zeit seit dem Mau­erfall. Dabei hin­ter­lässt die Kanz­lerin ein Land, dem es vor­der­gründig gut geht, das aber tief gespalten und jeder Iden­tität beraubt ist. So groß ist der von Angela Merkel ange­richtete gesell­schaft­liche Schaden, dass der Wie­der­aufbau Deutsch­lands viele Jahre in Anspruch nehmen wird.

Merkels Kanz­ler­schaft, die unter dem Motto der Ent­de­mo­kra­ti­sierung stand, geht iro­ni­scher­weise mit einer gestärkten Demo­kratie zu Ende

Para­do­xer­weise muss man Merkel fast dankbar sein für die haar­sträu­benden Fehler ihrer Amtszeit: Die kon­zeptlose Zuwan­de­rungs­po­litik, der naive Umgang mit dem Islam und die ver­korkste Ener­gie­wende haben erst dafür gesorgt, dass eine in weiten Teilen von ihr selbst ent­po­li­ti­sierte Gesell­schaft plötzlich die Lust an der poli­ti­schen Debatte wie­der­ent­deckt hat. Deutlich gestiegene Wahl­be­tei­li­gungen und ein lei­den­schaft­licher öffent­licher Diskurs zeugen von der neuen Leben­digkeit unserer Demo­kratie. Merkel war dies unheimlich. Die von ihr geführte „Große Koalition“ hatte daher zum Ende ihrer Regie­rungszeit noch rasch ein Gesetz auf den Weg gebracht, bei dem die Stasi Pate gestanden haben könnte. Doch mit der uner­bitt­lichen Ver­folgung uner­wünschter Mei­nungs­äu­ße­rungen wurde nur erreicht, dass erstmals seit langer Zeit alle gesell­schaft­lichen und poli­ti­schen Strö­mungen im höchsten deut­schen Par­lament abge­bildet sind. So geht Merkels zwölf­jährige Kanz­ler­schaft, die ganz unter dem Motto des „Nudging“ und der Ent­de­mo­kra­ti­sierung stand, iro­ni­scher­weise mit einer gestärkten Demo­kratie zu Ende, in der die poli­ti­schen Partner ihre Rolle selbst­be­wusst wahr­nehmen. Im Bun­destag wird es künftig eine echte Oppo­si­ti­ons­arbeit geben, und die Bun­des­re­gierung wird – wie immer sie zusam­men­ge­setzt sein mag – nicht länger am Par­lament vor­bei­re­gieren können, wie dies unter Merkel üblich war. Statt Macht­po­litik in Hin­ter­zimmern wird es künftig wieder einen wirk­lichen par­la­men­ta­ri­schen Diskurs geben können.

Mit ver­stei­nerter Miene werden uns nun die Slomkas, Miosgas und Klebers darauf vor­be­reiten, dass das Ende der Welt gekommen ist

Doch nicht nur der Geist Angela Merkels, auch das Jamaika-Gespenst ist ver­trieben. Und niemand leidet so sehr dar­unter wie Deutsch­lands Jour­na­listen. Mit ver­stei­nerter Miene werden uns nun die Slomkas, Miosgas und Klebers darauf vor­be­reiten, dass das Ende der Welt gekommen ist, weil ihre links-grünen Träume geplatzt sind. Sie werden Gift und Galle spucken, weil eine Partei Rückgrat gezeigt hat, obwohl die Jour­naille geglaubt hatte, dies uns allen längst abtrai­niert zu haben. Und auch die Grünen selbst sind außer sich vor Wut, wissen sie doch, dass Merkel der letzte Strohhalm war, an den sie sich hätten klammern können. Ohne seinen Wirt ist auch der grüne Virus nicht über­le­bens­fähig. Es droht die harte Oppo­si­ti­onsbank, die den Grünen wenig Pro­fi­lie­rungs­po­tential bieten wird. Der ver­meintlich gestoppte Nie­dergang der Polit­sekte dürfte neue Fahrt auf­nehmen, so sehr sie sich als Opfer dar­stellt. Und noch eine Oppo­si­ti­ons­partei wird die nächsten Wochen gespannt ver­folgen: Für die Zustim­mungs­werte der AfD wird nun ent­scheidend sein, wie schnell sich die Union erneuert. Gelingt es der CDU, umgehend eine gestandene Per­sön­lichkeit als Merkel-Nach­folger zu prä­sen­tieren, während die CSU sich schnell von See­hofer trennt, könnten viele Hun­dert­tausend Wähler zu ihr zurück­kehren, die aus Protest gegen Merkel zur AfD abge­wandert waren. Falls nicht, dürfte neben der beherzten FDP vor allem die AfD zulegen. Eine Neuwahl könnte die Kräf­te­ver­hält­nisse im Bun­destag also ganz schön ver­schieben. Nach der Ära Merkel scheint alles möglich. Haben wir keine Angst vor der Zukunft!

Mein aktu­elles Buch „Das Grauen – Deutsch­lands gefähr­liche Par­al­lel­ge­sell­schaft“ ist im Handel erschienen. „Spuk­schloss Deutschland“ ist als Ebook und als signiertes Taschenbuch erhältlich. Im Paket können Sie die beiden Bücher direkt von mir zum Son­der­preis erwerben.

Ramin Peymani / peymani.de