Sperren und Zensur: Wird sich Facebook schon bald vor einem deut­schen Gericht ver­ant­worten müssen?

Immer wieder löscht Facebook Bei­träge seiner Nutzer und sperrt diese mehr oder weniger will­kürlich nach eigenem Gut­dünken, ohne sich an den geschlos­senen Nut­zungs­vertrag zu halten. Damit könnte even­tuell bald schon Schluss sein. Jürgen Fritz und Rechts­anwalt Dr. Christian Stahl streben eine Mus­ter­klage gegen den Internet-Giganten an, welche sehr weit­rei­chende Folgen nach sich ziehen könnte.

David gegen Goliath

Fünfmal hat Facebook mich in den letzten Monaten m.E. ver­trags- und rechts­widrig gesperrt und etliche meiner Pos­tings einfach gelöscht, meinen Account einmal sogar völlig gelöscht, dann aber nach meiner Inter­vention wie­der­her­ge­stellt. Ich habe darüber mehrfach berichtet. Und ich bin kein Ein­zelfall, sondern einer von hun­derten, tau­senden, zig­tau­senden, wenn nicht von noch viel mehr. Auch darüber habe ich hier auf diesem Blog schon geschrieben.
Hanno Vol­lenweider hat recher­chiert, was hinter den Kulissen in den Lösch­zentren abläuft. Einige haben schon einen Rechts­bei­stand ein­ge­schaltet und Facebook dazu bekommen, rechts­widrige Sper­rungen zurück­zu­nehmen, doch mir ist kein Fall bekannt, dass jemand eine Mus­ter­klage gegen den US-Konzern in Deutschland geführt und gewonnen hätte, so dass die Rechts­wid­rigkeit des Agierens von Facebook von einem deut­schen Gericht kon­sta­tiert worden wäre. Höchste Zeit, just dies zu bewirken.
Nach meiner vierten und vor­letzten Sperre habe ich mich daher ent­schieden, gegen Facebook zu klagen und werde ver­suchen, eine Mus­ter­klage gegen den Hundert-Mil­li­arden-Giganten zu führen. Dies gleicht natürlich einem Kampf David gegen Goliath, aber dies muss ja bekanntlich nicht immer zugunsten von Goliath ausgehen.

Die Stein­schleuder

Nun habe ich schon viele Rechts­strei­tig­keiten vor Gericht aus­ge­fochten, auch ganz alleine, ohne jeden Rechts­bei­stand und ohne jeden Berater gegen einen Fach­anwalt und ein anderes Mal einen mehr­jäh­rigen Prozess gegen einen Mil­li­arden schweren deut­schen Konzern, damals sogar ein DAX-Unter­nehmen sowie etliche andere, und ich habe noch niemals einen Rechts­streit vor Gericht ver­loren. Da ich über vier Jahre im Poli­zei­dienst aktiv war und sogar über­legte, Dozent für Straf- oder Staats- und Ver­fas­sungs­recht an der Lan­des­po­li­zei­schule zu werden (mich dann aber für einen anderen Stu­di­engang ent­schied), verfüge ich über ganz ordent­liche juris­tische Grund­kennt­nisse. Ich weiß also, wovon und worüber ich schreibe.
Dies würde hier im Falle von Facebook aber natürlich nicht reichen. Ohne hoch­qua­li­fi­zierten Rechts­anwalt, der sich spe­ziell im Medi­en­recht exzellent aus­kennt, geht es hier unmöglich. Also war die erste Aufgabe, hier einen solchen zu finden, der a) fachlich hoch­kom­petent, zugleich aber b) seinem Man­danten gegenüber auch wirklich fair ist. Just so einen zu finden, ist nicht gerade leicht, aber ich glaube, es ist mir gelungen: Dr. Christian Stahl in Regensburg. Dazu später mehr. Doch zunächst zur Rechtslage, die Dr. Stahl wie folgt erläutert:

„Facebook-Sperre – Das Problem

FB sperrt in letzter Zeit ver­mehrt Nutzer oder ein­zelne Bei­träge mit der Behauptung, dass diese gegen die „Com­munity Stan­dards“ (Gemein­schafts­stan­dards) von Facebook ver­stoßen würden. Neben klar rechts­wid­rigen Inhalten sind davon ver­mehrt auch recht­mäßige Nutzer betroffen, die lediglich zulässige Mei­nungen äußern. Hin­ter­grund ist der ver­stärkte (rechts­widrige) Kampf gegen die Mei­nungs­freiheit. Dieser wird sowohl von der Bun­des­re­gierung (Jus­tiz­mi­nister Maas) als auch bestimmten klar dem links­ra­di­kalen Spektrum zuzu­ordnen Orga­ni­sa­tionen wie etwa der Amadeu-Antonio-Stiftung und ihrer Vor­sit­zenden Anetta Kahane geführt und als Kampf gegen „Hate-Speech“ verharmlost.

Ziel dieses Vor­gehens ist, auch ver­fas­sungs­rechtlich und nach der Men­schen­rechts­kon­vention erlaubte Mei­nungs­äu­ße­rungen mit dem Stigma einer angeb­lichen Dif­fa­mierung Dritter zu ver­sehen und so einen Vorwand zu finden, unbe­queme Mei­nungs­äu­ße­rungen aus dem öffent­lichen Diskurs zu ver­drängen. Dies zeigt sich z.B. an islam­kri­ti­schen Äuße­rungen, die von den selbst­er­nannten Zen­soren regel­mäßig als „ras­sis­tisch“ dif­fa­miert werden. Gleich­zeitig werden offen ras­sis­tische, anti­se­mi­tische oder volks­ver­het­zende Bei­träge links­ra­di­kaler oder isla­mi­scher Nutzer von Facebook regel­mäßig nicht gelöscht.

Mei­nungs­freiheit findet ihre Grenzen aber nicht dort, wo andere Men­schen sich an dieser Meinung stören – das Äußern unbe­quemer Ansichten ist gerade Inhalt der Mei­nungs­freiheit. In Zeiten sozialer Medien muss dieses grund­le­gende Men­schen­recht gerade auch auf Platt­formen wie Facebook, Twitter und Co. ver­teidigt werden.

Recht­liche Möglichkeiten

Nutzer können sich grund­sätzlich auf zwei Wegen wehren:

1. Zum einen ver­stößt Facebook gegen den Nut­zungs­vertrag, wenn es Bei­träge der Nutzer nach Belieben löscht, auch wenn diese nicht gegen einen eng aus­zu­le­genden eigenen Standard ver­stoßen. Auch wenn Facebook als Pri­vat­un­ter­nehmen grund­sätzlich nicht an Grund­rechte gebunden ist, müssen nach st. Rspr. Grund­rechte zumindest bei zivil­recht­licher Aus­legung von Ver­trags­klauseln Anwendung finden. Zudem verfügt Facebook (zusammen mit Twitter) über ein Oli­gopol im Bereich der Mei­nungs­äu­ßerung von Pri­vat­per­sonen, so dass es auch aus kar­tell­recht­lichen Gründen ver­boten ist, Nutzer beliebig zu sperren.

2. Zum anderen sind viele Maß­nahmen letztlich nichts anderes als staatlich ange­ordnete Zensur. Gerade der Bun­des­jus­tiz­mi­nister hat in zahl­reichen Ver­laut­ba­rungen deutlich gemacht, dass er als staat­liche Instanz von Facebook ver­langt, miss­liebige Bei­träge zu löschen. Es ist in der Recht­spre­chung aner­kannt, dass der (zur Neu­tra­lität ver­pflichtete und an Grund­rechte gebundene) Staat seinen eigenen Regeln nicht ent­kommen kann, indem er Auf­gaben pri­va­ti­siert (keine „Flucht ins Pri­vat­recht“). Das „Netz­werk­durch­set­zungs­gesetz“ ist ein solcher Versuch, staat­liche Zensur durch Ver­la­gerung auf Private zu ver­schleiern. Damit stellt sich jede unbe­rech­tigte Zen­sur­maß­nahme als staat­licher Ein­griff dar, gegen den vor den Ver­wal­tungs­ge­richten vor­ge­gangen werden kann.“

Soweit Dr. Stahl.

Stand der Dinge

  • Ich habe bereits nach meiner vierten Sperrung Herr Dr. Stahl im August beauf­tragt zu prüfen, ob ich gegen Facebook klagen kann respektive ob hier gute Erfolgs­aus­sichten bestehen, denn nur dann hat es ja einen Sinn.
  • Dr. Stahl schätzt die Erfolgs­aus­sichten recht gut ein, da in meinem Fall ganz offen­sichtlich über­haupt kein Verstoß gegen die „Gemein­schafts­stan­dards“ von Facebook vor­liegt und schon gar kein Rechtsverstoß.
  • Er bean­tragte dann eine Deckungs­zusage bei meiner Rechts­schutz­ver­si­cherung. Ich emp­fehle allen, denen von Facebook oder anderen elek­tro­ni­schen Platt­formen ähn­liches wider­fährt, unbe­dingt eine solche abzu­schließen (Privat-Rechts­schutz, ohne Verkehrs‑, Berufs‑, Woh­nungs-RS reicht. Diese gibt es sogar mit nied­rigem Selbst­behalt (150 EUR) schon für ca. 100 EUR p.a. Dabei bitte auf die War­tezeit achten. Fast alle gewähren erst drei Monate nach Ver­si­che­rungs­beginn einen Versicherungsschutz.)
  • Mein Rechts­schutz­ver­si­cherer kam zu einer ähn­lichen posi­tiven Ein­schätzung, was die Erfolgs­aus­sichten anbe­langt, und erteilte eine Deckungszusage.
  • Herr Dr. Stahl hat dann eine 13-seitige Kla­ge­schrift auf­ge­setzt und beim Land­ge­richt Hamburg ein­ge­reicht. Facebook, das seinen Fir­mensitz in Europa in Irland hat, wird bestrebt sein, das Ver­fahren in Irland und nicht in Deutschland nach deut­schem Recht zu führen. Wir dagegen werden bestrebt sein, Facebook vor ein deut­sches Gericht zu bekommen. Hier dürfte ein wesent­licher Schlüssel für das Ganze liegen. Wir könnten natürlich auch in Irland klagen, aber der Aufwand wäre unver­gleichlich höher und hätte ein abschre­ckende Wirkung.

Worauf klagen wir?

Die umfang­reiche Kla­ge­schrift enthält mehrere Punkte, die wir ein­klagen werden:

  1. die Fest­stellung der Rechts­wid­rigkeit meiner vierten Sperrung über 30 Tage (meine anschlie­ßende fünfte Sperrung werden wir im Rahmen einer Kla­ge­er­wei­terung mit auf­nehmen, evtl. auch noch die ersten drei kür­zeren Sper­rungen über ein, drei und sieben Tage);
  2. die Wie­der­frei­schaltung der gelöschten Bei­träge, ins­be­sondere die Ver­linkung zu meinen Artikeln Weshalb sind gerade Muslime immer wieder zu solch unfassbar grau­samen Taten fähig? und Warum ich den Islam ablehne); ansonsten ein Ord­nungsgeld von je bis zu 250.000 EUR, ersatz­weise Ord­nungshaft zu voll­ziehen an den Vorständen;
  3. Ver­ur­teilung von Facebook, Aus­kunft zu erteilen, a) ob die Sperre durch eigene
    Mit­ar­beiter oder ein beauf­tragtes Unter­nehmen erfolgte, und b) in letz­terem Fall, durch welches; ansonsten ein Ord­nungsgeld von je bis zu 250.000 EUR, ersatzweise
    Ord­nungshaft zu voll­ziehen an den Vorständen;
  4. Ver­ur­teilung zur Aus­kunfter­teilung, ob Facebook Wei­sungen, Hinweise,
    Rat­schläge oder sonst irgend­welche Vor­schläge von der Bun­des­re­gierung oder nach­ge­ord­neten Dienst­stellen hin­sichtlich der Löschung von Bei­trägen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat, und ggf. welche;
  5. Ver­ur­teilung an mich Scha­dens­ersatz zu zahlen in Höhe von 50 EUR für jeden Tag der rechts­wid­rigen Sperrung.

Jede weitere unbe­rechtige Sperrung wird im Rahmen von wei­teren Kla­ge­er­wei­te­rungen in das Ver­fahren mit auf­ge­nommen und wird den Streitwert immer weiter erhöhen.

Wie geht es weiter?

Über den wei­teren Verlauf des Ver­fahrens werde ich berichten, ins­be­sondere über die erste wichtige Ent­scheidung, ob das Land­ge­richt Hamburg die Klage annimmt, sich mithin für sachlich (Akzep­tierung des Streit­wertes) und vor allem örtlich (ganz wichtig!) zuständig erklärt, die Klage also nicht nach Irland ver­weist, sondern in Deutschland annimmt und Facebook zwingt, sich hier bei uns vor einem deut­schen Gericht zu stellen.
Wer eben­falls ins Auge fassen möchte, gegen Facebook oder auch Twitter bzw. andere elek­tro­nische Kom­mu­ni­ka­ti­ons­platt­formen wegen rechts­wid­riger Sper­rungen oder Löschungen rechtlich vor­zu­gehen, der kann sich hier an Dr. Christian Stahl wenden, der eine erste Prüfung vor­nimmt. Ich habe schon sehr viele Juristen und Rechts­an­wälte ken­nen­ge­lernt – alle meine bis­he­rigen Anwälte waren nicht wirklich gut, teil­weise haben ich selbst den Großteil der Arbeit gemacht, das ist dieses Mal genau umge­kehrt – und könnte mir in Bezug auf Fach­kom­petenz, Serio­sität und Fairness  keinen bes­seren an meiner Seite vor­stellen. Ins­be­sondere seine zehn­seitige Begründung der fünf oben genannten Kla­ge­punkte, die ich hier natürlich nicht wie­der­geben kann, ist vom Aller­feinsten. Auch merkt man bei ihm, dass es ihm nicht primär oder aus­schließlich darum geht, selbst finan­ziell einen guten Schnitt zu machen (bei nicht wenigen Anwälten ein häufig anzu­tref­fendes Phänomen).

Mög­liche Aus­wir­kungen, wenn meine Mus­ter­klage Erfolg hat

Sollte meine Mus­ter­klage gegen Facebook erfolg­reich ver­laufen, so dürfte sich das rasend schnell nicht nur in Deutschland, sondern auch darüber hinaus ver­breiten und könnte einen wahren Domi­no­effekt aus­lösen. Wenn nur jeder 10.000ste Facebook-User klagt, so sprechen wir bei über zwei Mil­li­arden Usern bereits von über 200.000 Klagen. Alleine der Schaden, der durch die Anwalts- und Gerichts­kosten für Facebook ent­stehen könnte, beliefe sich auf astro­no­mische Höhen, die auch ein Hundert-Mil­li­arden-Dollar-Konzern nicht ohne wei­teres weg­stecken können wird.
Der Kampf David gegen Goliath hat also begonnen. Und auch wenn ins­be­sondere die finan­zielle Über­le­genheit des Goliaths hier noch tau­sendmal größer ist als im Bild oben dar­ge­sellt, all die vielen kleinen Davide sind nicht völlig wehrlos.
 
Jürgen Fritz / juergenfritz.com