Photo by Nic Walker - CC BY-NC-SA 2.0

Der Pro­gressive, der kon­ser­vative Mut­ter­mörder und der neu­linke Verräter

Pro­gressive Men­schen sind Kon­ser­vative, deren Heimat die per­ma­nente Dis­sidenz gegenüber den geis­tigen Ver­falls­er­schei­nungen ihrer Zeit ist, for­mu­lierte Christian Felsner. Was aber, wenn Ultra­kon­ser­vative aus vor­mo­dernen Gewalt­kul­turen in Massen ein­strömen und die ehemals Pro­gres­siven derart dege­ne­rierten, dass sie sich zusammen mit diesen Reak­tio­nären respektive Regres­siven gegen das eigene Volk wenden, um einen neuen Tota­li­ta­rismus zu erschaffen, wie ihn die Welt noch nicht gesehen?

Die ver­küm­merte Neo­philie des Konservativen
Der Kon­ser­vative will das Erreichte bewahren und verhält sich allem Neuen gegenüber, auch dem bes­seren und höheren Neuen, feindlich, min­destens aber sehr reser­viert, trägt gegenüber dem Neuen von vor­ne­herein Res­sen­ti­ments in sich, ja sieht dieses a priori zunächst mal als Bedrohung an. Sein Grund­dogma lautet: „Das haben wir immer schon so gemacht“, womit er zum Aus­druck bringen möchte: Und genau so sollten wir es auch wei­ter­machen und ja mög­lichst wenig ändern. Damit negiert er genau das, was ihn selbst erst her­vor­ge­bracht hat: die Ent­wicklung, die Evolution.
Er negiert quasi seine eigene Mutter, die ihm über­haupt erst das Leben schenkte, und meint, diese habe fortan kein Exis­tenz­recht mehr, min­destens aber muss ihre Macht radikal gebrochen werden. Denn der Homo sapiens ist nichts anderes als das höchst unwahr­schein­liche Resultat einer über Mil­li­arden Jahre wäh­renden ste­tigen Höher­ent­wicklung von der unbe­lebten Materie über die Urzelle, die ersten Viel­zeller, Pflanzen, die ersten Tiere hin zum kom­ple­xesten solchen: dem Menschen. 
Und auch in der Mensch­heits­ge­schichte sehen wir eine stete Höher­ent­wicklung von den Früh­formen der Horde über die Ent­stehung von Kultur bis hin zur Hoch- und Schrift­kultur usw. Dabei ist die kul­tu­relle Evo­lution nur eine Fort­setzung der phy­si­ka­li­schen (Ent­stehung und Ent­wicklung des Uni­versums) und der bio­lo­gi­schen solchen (Ent­stehung und Ent­wicklung des Lebens) mit anderen Mitteln, die den ganzen Ent­wick­lungs­prozess, der zuvor unendlich langsam von­statten ging, nun unge­heuer beschleunigt und in der tech­ni­schen Ent­wicklung der letzten Jahr­zehnte und Jahr­hun­derte seine Spitze findet.
Der alt­ba­ckenste, phan­ta­sie­lo­seste und lang­wei­ligste Mensch der Welt
All das, abge­sehen von der tech­ni­schen Ent­wicklung, will der Kon­ser­vative, der sein eigenes zufäl­liges So-sein zum abso­luten Maßstab machten möchte, bei sich stoppen und meint in gren­zen­loser Selbst­über­schätzung, er selbst wäre nun der Höhe­punkt der Ent­wicklung. Ab jetzt könne es kein Höher und Über mehr geben, außer eben viel­leicht in der Technik, um sich das Leben immer bequemer und kom­for­tabler zu gestalten. Was steckt hinter dieser ver­küm­merten Neo­philie, dieser ver­küm­merten Liebe zum Neuen, Bes­seren? Dahinter steckt wohl in erster Linie Bequem­lichkeit – Bequem­lichkeit und extreme Ich-Zen­trierung. Der Kon­ser­vative will sich selbst und sein erreichtes Level zum abso­luten Maßstab machen, womit er seiner eigenen Mutter, die ihn über­haupt erst her­vor­brachte, der Evo­lution ein Ende setzen möchte.
In seiner Ent­stehung als poli­tische Welt­an­schauung war der Kon­ser­va­tismus anti­auf­klä­re­risch und gegen die Fran­zö­sische Revo­lution, gegen den Libe­ra­lismus gerichtet. Er wurde getragen vom Adel, Klerus und den Fürsten gegen die Stände, gegen die Bürger. Und er bekämpfte von Anfang an den Ratio­na­lismus der Auf­klärung, also genau den See­lenteil, der den Men­schen gerade erst als das besondere Tier aus­zeichnet: den Logos, das Denkvermögen.
Eine starke Rela­ti­vierung der Ver­nunft, wenn nicht heftige Res­sen­ti­ments dieser gegenüber kenn­zeichnen den Kon­ser­va­tiven, der sich gerne auf ein „Walten der gött­lichen Vor­sehung in der Geschichte“ und „die Ein­sicht in die Unzu­läng­lichkeit der mensch­lichen Ver­nunft“ beruft, worin er der isla­mi­schen Welt­an­schau­ungs­lehre und deren Anhänger zum Ver­blüffen ähnelt, wobei diese jenes Pos­tulat noch weiter treiben und den Men­schen generell zum Knecht eines ima­gi­nierten „höheren“,  in Wahrheit eines pri­mi­tiven Wesens zu degra­dieren trachten. Der Kon­ser­vative ist im Grunde der alt­ba­ckenste, phan­ta­sie­lo­seste und lang­wei­ligste Mensch, den man sich über­haupt nur vor­stellen kann.
Drei Dinge, die den Kon­ser­va­tiven positiv auszeichnen
Drei Dinge heben den Kon­ser­va­tiven aktuell jedoch positiv hervor. Erstens hat der Kon­ser­vative deut­licher als die meisten erkannt, was die ori­ginäre und primäre Aufgabe eines jeden Staates, genauer der Staats­gewalt ist: die Gewähr­leistung der inneren und äußeren Sicherheit seiner Staats­bürger. Ange­sichts der enormen Bedro­hungslage, in welcher West­europa und ganz besonders Deutschland sich befinden, ein Punkt, der gar nicht hoch genug ein­ge­schätzt werden kann.
Zweitens sind Kon­ser­vative im Gegensatz zu Sozia­listen grund­sätzlich fähig, a) etwas aus eigener Kraft auf­zu­bauen und b) das zu bewahren und zu beschützen. Das ist alles andere als trivial, wie auch der Ent­wick­lungs­ori­en­tierte zuge­stehen muss.
Drittens sind es aus­ge­rechnet die deut­schen respektive euro­päi­schen Kon­ser­va­tiven, die den Ultra­kon­ser­va­tiven aus dem Mor­genland noch am ehesten etwas ent­ge­gen­zu­setzen haben. Jene wollen quasi ihren Kon­ser­va­tismus, das, was sie halt kennen und lieb gewonnen haben – zu mehr Phan­tasie reicht es eben nicht -, dem noch extre­meren und vor allem völlig rück­stän­digen ein­ge­wan­derten Kon­ser­va­tismus gegenüber verteidigen.
Die (Pseudo-)Liberalen, deren Aufgabe es eigentlich wäre, die frei­heitlich-demo­kra­tische Welt vor diesem reak­tio­nären Ultra­kon­sver­va­tismus zu schützen, ver­sagen hier auf ganzer Linie. In Wahrheit handelt es sich nicht um Liberale, sondern per­so­ni­fi­zierte Luschen-(Liberale). Im Ver­gleich zu ihnen erscheinen die Kon­ser­va­tiven, diese Lang­weiler vor dem Herrn, derzeit als das geringere Übel.
Der Zer­stö­rungs­drang des neuen Linken

Der neue Linke aber, der sich zunehmend zum neuen Tota­li­ta­risten wan­delte, ist noch viel schlimmer als der Luschen­li­berale und der Kon­ser­vative. Inwiefern? Er will Ver­än­derung. Er ist nicht so töricht, sich selbst in seinem aktu­ellen So-sein als den Höhe­punkt der Ent­wicklung anzu­sehen, nein, er ist noch viel törichter als der Kon­ser­vative, indem er das aktuelle So-sein gegen ein Nied­ri­geres ein­tau­schen möchte. Wo kommt diese unfassbare Torheit her?
Sie rührt daher, weil er die ganze Welt mit einem unsäglich pri­mi­tiven Mecha­nismus betrachtet und zwar nur in diesem: Er sieht überall nur Klas­sen­feinde, Impe­ria­listen und Unter­drücker, die es zu bekämpfen, und Unter­drückte, die es zu befreien gilt, die aber in Wahrheit zumeist gar nicht befreit werden wollen, sondern ihrer­seits andere unter­drücken wollen, die gar keine Sub­jekt­men­schen werden wollen, sondern für immer im Objekt­modus (Knechte) ver­haftet bleiben möchten und auch alle anderen in diesen Modus zurück­stoßen und darin für immer gefangen halten wollen.
Der neue Linke schlägt sich im Kampf gegen die ein­hei­mi­schen Kon­ser­va­tiven, die Deutschland bewahren und schützen wollen, auf die Seite der fremden reak­tio­nären Ultra­kon­ser­va­tiven, die sich in ihren geistig-kul­tu­rellen Ent­wicklung noch dazu auf weit (!) nied­ri­gerem Niveau befinden. Daher schürt er regel­recht die Mas­sen­im­mi­gration aus vor­mo­dernen Gewalt­kul­turen, um dem natio­nalen Kon­ser­va­tismus den end­gül­tigen Todesstoß zu ver­setzen, dabei nicht sehend, dass dies auch der Todesstoß für all das sein wird, wofür der Linke ursprünglich stand.
Der neue Linke will die hei­mi­schen Kon­ser­va­tiven mit aller Macht bekämpfen, weil er das eigene kul­tu­relle So-sein nicht nur als Durch­gangs­stadium ansieht, welchem bereits ein relativ hohes Level zuge­standen wird und welches als ideales Basis­lager für einen weitere Besteigung des Berges des Unwahr­schein­lichen dienen kann, sondern weil er das bereits Erreichte durchweg oder zumindest wei­test­gehend negiert und ver­ur­teilt, weil er es zer­stören, weil er es ver­nichten will. Und um dieser Ver­nichtung und Zer­störung willen ist ihm jedes Mittel recht und er ver­sucht die eigene ver­achtete Kultur mit solchen zu fluten, die ihrer­seits ultra­kon­ser­vativ sind, weil er in ihnen Ver­bündete sieht im Kampf gegen die hie­sigen Konservativen.
Wo sind die Pro­gres­siven, wo sind die Entwicklungsorientierten?
Alles in allem ist der neue Linke das wohl wider­lichste unter der Sonne in deut­schen Landen. Er ist zum Ver­räter geworden an allem, was ihm heilig sein sollte: an der Auf­klärung, an der Eman­zi­pation, der Auto­nomie, der Mün­digkeit, der Selbst­be­stimmung und Befreiung der Bürger von Herr­schaft und Unter­drü­ckung – das macht er jetzt ja selber. Dies spüren immer mehr Men­schen, daher auch der unfassbare Absturz der SPD. Man kann nur hoffen, dass den Grünen und der Links­partei (SED, PDS, DIE LINKE) mög­lichst bald ähn­liches widerfährt.
Aber gibt es denn gar keine echten Pro­gres­siven, die sich selbst nicht als die Krone der Ent­wicklung ansehen, die nicht vollends dem Pos­tulat der Faulheit und Bequem­lichkeit anheim gefallen sind und für alle Zeiten so bleiben wollen, wie sie eben gerade sind, Ent­wick­lungs­ori­en­tierte, die das schon Erreichte in seinen posi­tiven Aus­for­mungen wert­schätzen, bewahren und beschützen wollen, darin ein Basis­lager für den wei­teren Auf­stieg zu sehen imstande sind und es in seinen nega­tiven Aus­for­mungen aber über­winden und wei­ter­ent­wi­ckeln wollen? Doch die gibt es. Fünf oder sechs auf diesem Pla­neten, viel­leicht auch sieben. Der Rest ist unend­liche Öde. 

 


Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem sehr emp­feh­lens­werten Blog von Jürgen Fritz — juergenfritz.com