Die Märkte sind angeschlagen. Mochte man bis zum Durchbrechen der 200-Tages-Linie an der Wall Street am letzten Montag noch von einer Korrektur sprechen, so dürfte nun klar sein, dass uns Schlimmeres bevorsteht.
Märkte crashen nicht am Höchststand. Sie brechen erst ein, nachdem sie schon mehrere Wochen oder Monate unter Druck waren. Zunächst herrscht die Überzeugung vor, dass es sich lohnt, bei einem Zurücksetzer zuzukaufen. War das doch seit Jahren die richtige Strategie. Danach kommt die Hoffnung, dass es sich um eine „gesunde“ Korrektur handelt, die die Grundlage für die nächste Phase des Bullenmarktes legt. Sodann wird die Alternativlosigkeit der Aktien gepredigt und die wahre Gefahr in den Anleihenmärkten gesehen. Auch werden die robuste Lage der Weltwirtschaft und die nachhaltig gute Gewinnentwicklung der Unternehmen gepriesen. Ein Umfeld, indem man nur Aktien kaufen könne.
Trotzdem fallen die Aktien weiter. Der Markt ist angeschlagen.
Rutschig nach unten
Wie im Bärenmarkt Anfang der 1970er-Jahre kann es auch deutlich bergab gehen, ohne dass es einen spektakulären Crash gibt. Diesmal glaube ich das nicht. Sollten die Aktien weiter sinken, droht in der Tat ein Crash. Der Grund dafür ist einfach: die zu hohe Verschuldung im System. Wir haben es mit Unternehmen zu tun, die sich – gerade in den USA – so hoch verschuldet haben wie noch nie und Investoren, die im verzweifelten Versuch bei Niedrigzinsen noch gute Erträge zu erwirtschaften, mit immer mehr Kredit spekulieren.
Beides zusammen macht die Märkte so anfällig für eine Fortsetzung der Korrektur.
Sinkt der Aktienkurs, sinkt der Marktwert des Eigenkapitals des Unternehmens. Damit steigt der Verschuldungsgrad und damit aus Sicht der Fremdkapitalgeber das Risiko. In der Folge verkaufen diese die Anleihen des Unternehmens, was zu steigenden Zinsen/Risikoprämien führt, was wiederum ein höheres Risiko signalisiert, welches wiederum mehr Investoren dazu bringt, die Anleihen und die Aktien zu verkaufen.
Beschleunigt wird diese Abwärtsbewegung durch die Investoren, die bei immer höherer Verschuldung und immer weniger Puffer haben, um Verluste zu tragen. Sinkt der Wert ihres Portfolios, kommen sie unter zunehmendem Verkaufsdruck. Zunächst noch freiwillig um Gewinne zu sichern, dann immer mehr auf Druck der Kapitalgeber. Der berüchtigte Margin Call.
So kann aus einer anfänglich als nur vorübergehend angesehenen Entwicklung ein sich selbst verstärkender Abwärtstrend werden. Wie auf einer Rutschbahn wird es immer schneller und unmöglich, sich festzuhalten. Wir nähern uns genau diesem Punkt.
Technologiewerte ziehen nach unten
Die Technologiewerte haben einen Anteil von 27 Prozent am S&P 500. Sie zogen den Markt in den letzten Monaten nach oben und sie führen ihn nun nach unten. Dabei beginnt der Absturz aus durchaus stratosphärischen Höhen. Laut Analysten der Société Générale ist die Marktkapitalisierung des Nasdaq 100 relativ zum US-BIP inzwischen höher als während des Dotcom-Booms.
Wie an dieser Stelle vor zwei Wochen diskutiert, gibt es vielfältige Warnindikatoren aus dem Techbereich. Seither sind diese nicht weniger geworden, sondern eher mehr:
- Immer offensichtlicher wird, dass Tesla nicht in der Lage ist, die Serienproduktion des Models 3 in den Griff zu bekommen. Im letzten Jahr machte das Unternehmen bei zwölf Milliarden Umsatz rund 3,5 Milliarden US-Dollar Verlust. Die Nettoschulden belaufen sich auf neun Milliarden US-Dollar. Trotzdem rissen die Investoren dem Unternehmen bis vor Kurzem die Anleihen aus der Hand. Jetzt dreht der Wind: Die bis 2025 laufende Anleihe mit einem Coupon von 5,3 Prozent ist im März abgestürzt. Selbst bei einem Kurs von 87 Prozent widerspiegelt die Anleihe noch immer den Optimismus der Investoren. Ich denke, die Wahrscheinlichkeit, dass Tesla in sieben Jahren die Anleihe tilgt und bis dahin den Zinszahlungen nachkommt, ist gering. Alleine in diesem Jahr muss das Unternehmen weitere 2 zwei Milliarden US-Dollar aufnehmen, um eine Runde weiterzukommen. Nicht alle glauben daran, ist doch die Aktie bei den Short-Sellern (die auf fallende Aktienkurse wetten) sehr beliebt.
- Facebook sieht sich derweil immer größerem öffentlichen Druck ausgesetzt. Da mag es die Amerikaner (zu Recht) herzlich wenig jucken, wenn Die Grünen in Deutschland eine Zerschlagung von Facebook fordern. Härter trifft es das Unternehmen und die anderen Datenkonzerne, dass zunehmend eine härtere Gangart bei Regulierung und Beststeuerung eingefordert wird und zwar bis weit in wirtschaftsfreundliche Kreise hinein. Auch die Idee, die Downloadgeschwindigkeit für diese Unternehmen zu senken, um sie so zu größerer Kooperation beim Datenschutz zu zwingen, hätte erhebliche Konsequenzen für Geschäftsmodelle und Profitabilität.
- Dass Amazon direkt in den Fokus der Kritik des US-Präsidenten geraten ist, weil dieser die Berichterstattung der Washington Post missbilligt, mag als nur temporäres Problem gesehen werden. Ein Unternehmen, welches steuerlich bevorzugt wird und zugleich seinen enormen Datenschatz dazu verwendet, in immer neue Bereiche vorzudringen, wo es ohne jegliche Notwendigkeit Gewinn zu erzielen, rasch Marktanteile gewinnt, muss einer stärkeren Regulierung unterworfen werden. Die Öffnung des Datenschatzes für andere Anbieter und Wettbewerber ist da eine richtige Idee. So wie in Deutschland die Versicherer ihre Daten auch kleineren Wettbewerbern zur Verfügung stellen müssen. Ohne dies ist kein Wettbewerb denkbar.
Vieles deutet darauf hin, dass sich das Klima für die Technologiefirmen dauerhaft verschlechtert. Kommt dazu noch die reale Gefahr eines ausgemachten Handelskrieges, haben wir die Aussicht auf fallende Gewinne und ängstlichere Märkte.
Langfristzinsen sinken wieder
Was die Profis erkannt haben. So herrscht zwar noch die Meinung vor, dass die US-Fed die geplanten Zinserhöhungen durchzieht, was die kurzfristigen Zinsen nach oben getrieben hat. Die langfristigen Zinsen, gemessen an US-Staatsanleihen, sind im März jedoch deutlich gesunken. Die Kurse der Anleihen also gestiegen.
Vordergründig ist das eine gute Nachricht, schließlich verträgt unsere überschuldete Welt keine höheren Zinsen. Es könnte aber auch das Signal dafür sein, dass die Investoren mit einer erneuten Rezession und Turbulenzen an den Märkten rechnen. Rutschen die Börsen nämlich weiter, dürften wir vor einer erneuten Finanzkrise stehen, haben wir doch in den letzten zehn Jahren nicht wirklich etwas an den Grundursachen geändert.
Im Gegenteil: Die Schulden sind deutlich höher und die Krisenanfälligkeit damit entsprechend auch. (Das Märchen von der bewältigten Finanzkrise)
Kommt es zu einer neuen Krise, wirkt diese erst mal deflationär: Die Preise von praktisch allen Assets kommen unter Druck. Der beste Fluchtpunkt sind dann die Anleihen erstklassiger Schuldner ohne Ausfallrisiko. Zwar mag man an der Kreditwürdigkeit des US-Staates (und angesichts der demografischen Entwicklung und der verdeckten Verbindlichkeiten für Rente und Euro-„Rettung“ auch des Deutschen!) zu Recht zweifeln. Kurzfristig sind die Anleihen dennoch der beste Parkplatz für Vermögen.
Rasch wären die Sorgen vor steigender Inflation und steigenden Zinsen vergessen.
Endspiel für die Notenbanken
Die Notenbanken sind gefordert, erneut Weltfinanzsystem und Weltwirtschaft zu retten. Dabei ist es höchste Zeit, dass sie sich endlich eingestehen, dass sie mit ihrer Politik kläglich gescheitert sind: Seit Jahren outperformen die Assets, die eher von Deflation profitieren, dabei wollen die Notenbanken doch offiziell die Inflationsrate nach oben treiben. Seit Jahren bekämpfen sie Krisen, die aus zu hoher Verschuldung resultieren mit der Erleichterung weiterer Schuldenaufnahme. Seit Jahren befördern sie damit die schleichende „Zombifizierung“ unserer Wirtschaft, was zu immer geringeren Wachstumsraten führt und damit die Schuldenprobleme weiter verschärft.
Dies wird Draghi und Co. nicht daran hindern, erneut in den geldpolitischen Giftschrank zu greifen. Wie bereitwillig sie das tun werden, kann man schon aus der Tatsache erahnen, dass die EZB bereits im März ihre Käufe von Unternehmensanleihen ausgeweitet hat. Dass die Bilanz der EZB mittlerweile mehr als 40 Prozent des Eurozonen-BIP ausmacht, stört die Notenbanker auch nicht. Auch in Zukunft gilt „whatever it takes“.
Allerdings erst nachdem es so deutlich brennt, dass die Notenbanker eine gute Begründung haben, die Geldschleusen wie noch nie zuvor zu öffnen. Bis zu diesem Zeitpunkt heißt es: Untergewichtung bei Aktien und Trockenhalten des Pulvers auf einem sicheren Parkplatz.
Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com