Es hört sich an wie ein Hollywood-Film, nur dass es kein Happy End dabei gibt.
Saudi Arabien: Hinter der weltoffenen, schicken, westlichen Fassade existiert eine andere Welt in dem schwerreichen Ölstaat. Der Emir von Dubai und Premier der Vereinigten Arabischen Emirate, Mohammad bin Raschid al-Maktoum, residiert in einem pompösen Palast. Überbordende, orientalische Pracht überstrahlt die düstere Seite: Von den mehreren Dutzend Kindern des Emirs leben die Töchter in einem goldenen Käfig. Luxus pur, aber in völliger Unfreiheit und Bevormundung. Die Töchter dürfen weder reisen noch studieren noch Männer kennenlernen, nicht einmal ein Handy besitzen.
Von zwei Töchtern des Emirs und Premierministers ist bekannt, dass sie ausgebrochen sind und doch wieder eingefangen wurden. Eine davon ist Prinzessin Latifa Bint Mohammed bin Rashid Al Maktoum, bekannt unter dem Namen Sheikha Latifa. Sie ist 32 Jahre alt, eine hübsche junge Frau. Sie spricht gutes Englisch und kämpft um ihre Freiheit von einem übermächtigen und — nach ihrer Darstellung – grausamen und skrupellosen Vater. Er schrecke vor nichts zurück, wenn es um seine Interessen und seine Reputation geht, auch nicht vor Mord und Folter, erzählt die junge Frau, die vollkommen ungeschminkt und mit halb aufgelösten Haaren in einer Zimmerecke sitzt und ein Video aufspricht. Sie wirkt nicht besonders ängstlich, eher angespannt. Aber sie sagt, was sie zu sagen hat ruhig und nüchtern. Man nimmt ihr ab, dass sie sich der Lebensgefahr, in die sie sich begibt, bewusst ist und das in Kauf nimmt.
Die Szenerie sieht aus wie ein Hotelzimmer irgendwo, und sie spricht davon, dass sie gerade die Flucht wagt. Es könne ihr letztes Video sein, das sie jemals macht, denn wenn ihr die Flucht nicht gelinge, so Sheika Latifa, könne es durchaus sein, dass ihr Vater sie foltern und ermorden lässt. Dass dies keine medienwirksame Show einer hysterischen Tochter ist, lassen anhaltende Klagen verschiedener internationaler Hilfsorganisationen vermuten. Es gibt anscheinend massive Menschenrechtsverletzungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten und rigorose bis grausame Maßnahmen gegen jeden, der es wagt, Kritik zu üben.
Außerdem hatte sie den ersten Fluchtversuch schon mit 16 Jahren unternommen. Damals wurde sie sehr schnell wieder eingefangen und verhaftet. Mit Schlägen und Drogen soll sie ruhiggestellt und gefügig gemacht worden sein, erzählt Sheika Latifa in ihrem Video. Drei Jahre lang sei sie in Haft gesessen, danach aber von einem normalen Gefängnis zurück in ihr goldenes Gefängnis gekommen. Bessere Haftbedingungen, gleiche Unfreiheit. Nun, so sagt sie, wage sie den zweiten Fluchtversuch. Sie ist sich bewusst, das es nicht bei Prügeln und Drogen bleiben würde, wenn sie scheitert. In diesem Fall möchte sie, dass das Video verbreitet wird, als letztes Hindernis, dass ihr Vater – gerade wegen seiner Reputation — sie nicht ganz so einfach foltern und umbringen kann, weil die Weltöffentlichkeit aufmerksam wird. „Wenn ihr dieses Video sehen könnt,“ sagt Sheika Latifa, „dann bedeutet das für mich nichts Gutes“.
Nun, genau das ist geschehen. Das Video ist auf mehreren Kanälen zu sehen. Es hat insgesamt mehr als eine Million Zuschauer.
Prinzessin Latifa hat es gewagt und verloren. Sie soll Berichten zufolge mit einem Jetski nach Oman entkommen sein und von dort aus zur indischen Hippi-Insel Goa geflohen. Doch da kam sie nicht an. Die Yacht „Nostromo“, auf der sie sich befand, wurde am 4. März auf offenem Meer aufgebracht. Personal und Mitreisende haben das öffentlich berichtet.
Einer davon ist derjenige, der für Prinzessin Latifa anscheinend die ganze Flucht organisiert hat: Hervé Jaubert ist ein ehemaliger französischer Marineoffizier, Marineingenieur und Ex Agent (bis 1993) des französischen Geheimdienstes. Der über 60jährige hat gute Verbindungen.
https://www.youtube.com/watch?v=iSD6K_ZkrQE
In diesem Video berichtet er, dass er sich für Prinzessin Latifa einsetzte und ihr half, aus ihrer Hölle zu entkommen. Sie wollten mit der „Nostromo“ nach Indien und von dort aus in die USA fliegen. Am 4. März wurden sie von der indischen Küstenwache aufgebracht. Mit fünf Kriegsschiffen, bestückt mit Kanonen und Raketen, zwei Flugzeugen und einem Helikopter war die indische Armee mit dabei. Zwölf Bewaffnete enterten die Yacht. Sie sollen die Schiffsbesatzung mit den Gewehren zusammengeschlagen und ausgeraubt haben und das ganze Boot geplündert.
Die Yacht wurde in die Vereinigten Arabischen Emirate geschleppt, die gesamte Besatzung mit verbundenen Augen und Handschellen irgendwohin ins Gefängnis verschleppt. Hervé Jaubert weiß nicht, wohin. Jaubert war in Einzelhaft und alle wurden täglich verhört. Man sei anständig behandelt worden, dennoch habe er gedacht, jeder Tag sei sein letzter. Alle rechneten damit, exekutiert zu werden.
Sie wurden gezwungen, ein Geständnis auf Video abzugeben und Dokumente zu unterschreiben. Nach zwei Wochen wurde Jaubert entlassen. Er vermutet, dass es die Veröffentlichungen über den ganzen Fall waren, die sein Leben und seine Freiheit retteten.
Hervé Jaubert hat edel gehandelt, ist jedoch kein Ritter in silbern-schimmernder Rüstung. Er gründete Anfang 2000 eine Firma, die sich mit dem Bau von Unterseebooten beschäftigte. Auf Einladung des Sultans Ahmed bin Sulayem zog er mit seiner Firma 2004 nach Dubai, wo er eine leitende Stellung bei der Investmentgesellschaft „Dubai World“ übernahm. Gleichzeitig baute er Unterseeboote für touristische Ausflüge und Schnellboote, doch er geriet mit seinen Firmen in Schwierigkeiten. Letztlich wurde er in Dubai wegen Unterschlagung von über drei Millionen Dollar angeklagt. Und wieder gibt es eine Hollywoodreife Szene in dem ganzen Geschehen. Jaubert schrieb 2010 ein Buch über seine filmreife Flucht: Er will sich unter weiblicher Vollverschleierung verborgen, darunter einen Tauchanzug mit Rebreather tragend, heimlich davongemacht haben und unter Wasser entkommen sein.
Das bekam Sheika Latifa zu Ohren und sie wandte sich an ihn, um ihre Flucht zu planen. Neben den Erfahrungen als Flüchtling, Marineoffizier, Ingenieur und Geheimdienstagent kann Fluchthelfer-Fachkraft Hervé Jaubert allerdings noch mit einem hervorragenden Netzwerk punkten. Die Mobilisierung von Berichterstattern und Öffentlichkeit gehört sicher dazu. Aber auch die Anwaltskanzlei “Detained in Dubai”, nach eigenem Bekunden „DIE internationale Autorität in Bezug auf die Gesetzeslage in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE)“ hat hier zusammen mit Hervé Jaubert ihre Hand im Spiel.
Man kennt sich in der Betreuung von Mandanten, die in den VAE wegen Finanzverbrechen angeklagt werden, ebenso aus wie mit geschäftlichen Rechtsstreitigkeiten oder Problemen durch „Interpol Red Notices“ (eine “Red Notice” wird aufrund eines nationalen Haftbefehls von Interpol auf Antrag eines Mitgliedslandes oder internationalen Tribunals erlassen. Sie ergeht an Polizeibehörden weltweit.)
Jene Anwaltskanzlei veröffentlichte am 22. April auf ihrer Seite einen Eigenbericht zur Sache Skeika Latifa, der als erstes feststellt, dass die UAE offenbar überhaupt nicht erwartet haben, dass das illegale Kapern der Yacht und die Entführung von Jaubert, Sheika Latifa, Tiina Jauhiainen und der Bootsbesatzung der Nostromo dermaßen viel Staub aufwirbeln würde. Bevor die britische Daily Mail die ganze Geschichte veröffentlichte, schreibt die Anwaltskanzlei, habe man in den VAE geplant, alle Gefangenen barbarisch zu ermorden. Angeblich, so die Kanzlei, wäre es schon zu spät gewesen, wenn sich die Veröffentlichung der Daily Mail nur um einen Tag verspätet hätte. So aber, um weiteren Ansehensschaden zu vermeiden, habe man – bis auf Latifa – alle wieder freigelassen.
Man habe von Seiten der VAE dann verwirrende Berichte über eine andere Tochter des Emirs mit demselben Namen „Latifa“ verbreitet, um den Eindruck zu erwecken, es habe gar keine Flucht gegeben, was aber auch nichts nutzte.
Jaubert und Jauhiainen wurden bedroht, nur ja nichts über die ganze Sache nach außen dringen zu lassen, oder der Emir werde sie „überall auf der Welt finden“. Auch das nutzte nichts und die Berichte der beiden wurden weltweit veröffentlicht. Auch Versuche, die Kampagne für Sheika Latifa zu diskreditieren fruchteten nichts.
Die VAE könne nach dem ganzen Desaster und ihren höchst verbrecherischen Aktionen jetzt nur noch Schadensbegrenzung betreiben, beurteilt die Anwaltskanzlei die Lage. Und so fluten die VAE jetzt die globalen Medien mit angeblich durchgestochenen Informationen aus angeblich inneren Regierungskreisen, das es Prinzessin Latifa „exzellent“ gehe und dass sie daheim, bei ihrer Familie sei. Die Regierung schweigt aber offiziell eisern zu dem Fall, obwohl von Journalisten und Menschenrechtsgruppen ständig nachgefragt wird.
In einer internationalen Pressekonferenz referierte die Londoner Kanzlei „Detained in Dubai“ zusammen mit den Zeugen Tiina Jauhiainen und Hervé Jaubert zu dem Fall Sheika Latifa:
https://www.youtube.com/watch?v=oZHOyib9rXo
So langsam dürfte es sehr peinlich werden für den Premierminister und Emir von Dubai, Mohammad bin Raschid al-Maktoum. Seine Tochter ist unzweifelhaft volljährig und wurde und wird gegen ihren Willen in Gefangenschaft gehalten (falls sie noch lebt). Bei einem Fluchtversuch wurde sie rechtswidrig von überhaupt nicht berechtigten Militärs gefangen genommen und entführt. Ein ganzes Boot wird illegal nach Piratenart von Bewaffneten gekapert, geplündert, die gesamte Crew ausgeraubt und entführt. Offenbar gab es auch einen konkreten Mordbefehl der Regierung gegen die gesamte Bootsbesatzung. Ob Tochter Latifa überhaupt noch am Leben ist, scheint sehr fraglich.
Man ist fassungslos ob solcher verbrecherischer Verhaltensweisen und vor allem angesichts des beharrlichen Schweigens westlicher Regierungen. Nicht ein Wort aus Washington, London, Paris, Berlin usw. Wo bleiben die furiosen Verfechter der Menschlichkeit, die schon bei unbestätigten Gerüchten vermeintlicher Giftgasangriffe ohne lange zu fackeln Bombergeschwader in Marsch setzen? Wo bleiben die sonst auf Knopfdruck abrufbaren Empörungsinszenierungen? Könnte es etwas damit zu tun haben, dass die VAE treue US-Alliierte sind? Oder mit den umfangreichen Waffengeschäften, die der Westen mit dem Emir von Dubai macht?