Das Beste am Bitcoin ist, dass er nicht demo­kra­tisch ist!

Anmerkung der Redaktion: Eigentlich bin ich gegenüber dem BitCoin, und sowieso allen mir derzeit bekannten Kryptos sehr skep­tisch ein­ge­stellt. Auf der anderen Seite bin ich jedoch im Herzen vom Paläo­li­ber­ta­rismus über­zeugt — auch wenn ich per­sönlich dessen Umsetzung in unserer heu­tigen, von denk­faulen Drohnen über­be­völ­kerten Welt für fast unmöglich halte. Diesen Beitrag von Charles Krüger finde ich klasse! Viel­leicht lädt er ja den ein oder anderen auch zum Träumen von einer bes­seren Welt ein — Hanno Vollenweider
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Das Beste am Bitcoin ist, dass er uns allen klipp und klar vor Augen führt, was alles ohne den Staat funktioniert.
(Von Charles Krüger für das Ludwig von Mises Institut Deutschland)
Viele Men­schen denken zum Bei­spiel, dass es einen Staat und eine Zen­tralbank braucht, um ein funk­ti­ons­fä­higes Geld­system zu haben. Natürlich widerlegt die Geschichte diesen Mythos, weil für hun­derte Jahre private Wäh­rungen – typi­scher­weise vor allem Gold und Silber – der Standard waren, und erst im 20. Jahr­hundert wurden sie nach und nach abge­schafft und durch staat­liches Papiergeld ersetzt. Und zwar nicht, weil Gold und Silber als Wäh­rungen nicht funk­tio­niert hätten, sondern weil sie die Eigen­schaft hatten, dass man sie – im Gegensatz zu Papier­scheinen – nicht einfach unbe­grenzt neu drucken konnte.
Viele Staaten hatten den Gold­standard deshalb im Laufe des Ersten Welt­krieges abge­schafft, um die unglaub­lichen Kosten des Krieges stemmen zu können und haben einfach alles not­wendige Geld gedruckt, was die Infla­ti­ons­raten nach oben schießen ließ. Der Gold­standard wurde also gerade deshalb abge­schafft, weil er für den Staat zu wenig mani­pu­lierbar war, und der Staat alles Geld über Steuern hätte ein­nehmen müssen, was den Men­schen wie­derum deutlich gemacht hätte, wie extrem teuer das sinnlose Blut­ver­gießen ist. Der Druck der Men­schen auf ihre Regie­rungen, den Krieg schnellst­möglich zu beenden, wäre viel höher gewesen, wenn man die Kosten offen gesehen und nicht durch das Drucken von Geld ver­schleiert hätte.
Die letzten Ver­knüp­fungen von Papiergeld und Gold wurden dann schluss­endlich in den 1970er Jahren in den USA gekappt, das heißt, wir leben gerade mal seit knapp 50 Jahren in einem voll­ständig unge­deckten Papier­geld­system. Doch selbst dieser his­to­risch recht kurze Zeitraum reicht aus, um die Men­schen ver­gessen zu lassen, dass der Staat für den über­ra­genden Teil der Mensch­heits­ge­schichte das Geld­system nicht kon­trol­lierte und deshalb nicht einfach per­manent neues Geld drucken und damit das Geld der Men­schen ent­werten konnte.
Das Auf­kommen des Bit­coins lässt hoffen, dass die Kon­trolle über das Geld jedoch wieder an die Men­schen zurückgeht und das Geld durch Staaten und Zen­tral­banken nicht mehr mani­pu­liert werden kann.
Ein wei­terer Mythos, den Bitcoin prak­tisch zer­stört, ist die Idee, dass es Regie­rungen braucht, um Regeln zu haben. Bitcoin hat keinen Herr­scher. Es gibt niemand, dem das ganze Bitcoin-Öko­system gehört und der alles nach eigenem Willen ver­ändern kann. Es gibt nie­manden, der demo­kra­tisch gewählt wird und Ent­schei­dungen für alle trifft. Niemand kann sagen: „So machen wir das jetzt, und ihr müsst euch jetzt alle daran halten“. Keine ein­zelne Person und keine Insti­tution hat die alleinige Kon­trolle über Bitcoin!
Es gibt keine Regierung, aber trotzdem gibt es Regeln. Es ist zum Bei­spiel genau defi­niert, wie man neue Bit­coins erzeugen kann, wie viele Bit­coins ins­gesamt jemals ent­stehen können, wie Trans­ak­tionen aus­sehen müssen, damit sie legitim sind und vieles mehr.
Bitcoin hat Regeln, aber keine Herr­scher. Bitcoin ist „Anarchie“ im Sinne von „keine Herr­scher“, aber nicht „Anarchie“ im Sinne von „Chaos“. Ganz im Gegenteil. Der Aufbau von Bitcoin sorgt stets dafür, dass die Regeln der Währung immer und aus­nahmslos zu 100 Prozent ein­ge­halten werden und jeg­licher Regel­bruch sofort vom Netzwerk abge­lehnt wird. Das ist das exakte Gegenteil von „Chaos“ und der Inbe­griff von „Ordnung“. Bitcoin beweist, dass man keine Insti­tution wie einen Staat braucht, um sinn­volle Regeln zu haben und diese auch durchzusetzen.
Und hier kommen wir zu der unglaublich wich­tigen Idee von Kon­sens­regeln, einem Haupt­be­standteil von Bitcoin. Theo­re­tisch könnte jeder die Block­chain auf­spalten und seine eigene Kryp­to­währung mit eigenen Regeln ver­öf­fent­lichen. Das Problem wäre nur, dass man andere Men­schen über­zeugen müsste, die neuen Regeln anzu­er­kennen und die neue Währung zu nutzen.
Hier kommt aber wie­derum fol­gendes Prinzip zum Tragen, das besagt, dass der Wert einer Währung davon abhängt, wie viele andere Men­schen diese Währung nutzen und haben wollen. Eine Währung, die nur eine Person nutzt, wäre also prak­tisch wertlos. Man hat daher stets einen hohen Anreiz, die gleichen Kon­sens­regeln wie viele andere Men­schen zu nutzen. Es ist trotzdem keine Demo­kratie. Man muss sich nicht nach der Mehrheit richten. Man kann sich auch mit 5 Prozent der Gemein­schaft  abspalten. Den Unter­schied zwi­schen dem Kon­sens­system von Bitcoin und Demo­kratie möchte ich nun hervorheben.
In einer Demo­kratie hat die Mehrheit die Mög­lichkeit, ihren Willen der Min­derheit auf­zu­zwingen. Wenn also zum Bei­spiel die Mehrheit höhere Steuern fordert, dann muss sich die Min­derheit auch dar­an­halten, auch wenn sie diese Steuern ablehnt.
Ein anderes Bei­spiel sind die Rund­funk­ge­bühren, über die erst vor Kurzem in der Schweiz abge­stimmt wurde. Die Mehrheit hat dafür gestimmt, die Rund­funk­ge­bühren zu behalten, also hat die Min­derheit Pech gehabt und muss Wohl oder Übel dafür bezahlen, weil die Mehrheit ihr ihren Willen aufzwingt.
Kon­sens­regeln sind anders. Bei Bitcoin kann die Mehrheit der Min­derheit nicht ihren Willen auf­zwingen. Ganz im Gegenteil: Wenn es in der Com­munity eine Mei­nungs­ver­schie­denheit gibt, dann können sich ver­schiedene Teile abspalten und ihre eigene Kryp­to­währung erzeugen, indem sie andere Kon­sens­regeln ver­ein­baren. Oder kurz: Jede Com­munity kann eine eigene Währung haben, die nach eigenen Regeln funktioniert.
Genau dieses Abspalten haben wir bereits sehr häufig in der Bit­co­in­ge­schichte gesehen, als manche Men­schen dachten, sie könnten etwas besser machen, und des­wegen haben sie sich abge­kapselt und alleine nach ihren Regeln wei­ter­ge­macht. Es ist im Prinzip wie ein Sezes­si­ons­recht in einem Staat, wo sich eine Region abspaltet, um nach eigenen Vor­stel­lungen und Regeln zu leben.
Laut der Web­seite forkdrop.io ist es mitt­ler­weile schon fast 70 Mal pas­siert, dass sich ver­schie­denste Gruppen vom ori­gi­nalen Bit­coin­system abge­spaltet haben.
Wenn man aus einer Währung mehrere Wäh­rungen erzeugt, die alle nach eigenen Regeln funk­tio­nieren, dann erhält man einen freien Markt und Wett­bewerb und kann her­aus­finden, welche Währung den größten Nutzen hat und deshalb von den meisten Men­schen genutzt wird. Alles ist frei­willig, weil niemand gezwungen wird, eine bestimmte Währung zu nutzen.
Im Prinzip verhält es sich so wie in einem Verein, indem sich die Mit­glieder auf gewisse Kon­sens­regeln geeinigt haben. Wenn die Regeln jetzt geändert werden, dann hat man mehrere Mög­lich­keiten. Zwei davon sind: Man akzep­tiert die neuen Regeln oder man tritt aus und gründet seinen eigenen Verein mit eigenen Regeln und hofft darauf, dass viele mitkommen.
Wichtig ist, dass dies explizit anti-demo­kra­tisch ist, weil die Mehrheit der Min­derheit ihren Willen nicht auf­zwingen kann. Ganz im Gegenteil: Indem jede beliebige Min­derheit sich jederzeit abspalten kann, kann sich jede Min­derheit gegen die Mehrheit durch­setzen, was genau dem Mehr­heits­prinzip der Demo­kratie ent­ge­gen­steht. Die Kon­sens­regeln sind in ihrem Wesen per Defi­nition indi­vi­dua­lis­tisch, weil jedes Indi­viduum alleine für sich ent­scheidet, welche Währung mit welchem Konsens man nutzen möchte, während Demo­kratie grund­legend kol­lek­ti­vis­tisch ist.
Und das ist das Geniale am Bitcoin. Denn schluss­endlich sorgt das Kon­sens­prinzip dafür, dass Kon­flikte mini­miert werden, weil jeder die Währung mit den Regeln nutzen kann, die er am sinn­vollsten findet. Wenn man glaubt, man könnte ein sinn­vol­leres Regel­system fest­legen, dann kann man sich abspalten und schauen, wie viele Men­schen mit­kommen. Niemand wird gezwungen, irgendeine Währung mit ihren Regeln zu akzeptieren.
Im starken Kon­trast dazu erzeugt Demo­kratie jede Menge Kon­flikte. Im gerade erwähnten Bei­spiel der Abstimmung in der Schweiz über die Rund­funk­ge­bühren wird die Min­derheit gezwungen, gegen ihren Willen die Rund­funk­ge­bühren zu bezahlen, auch wenn sie diese gerne abschaffen würde. Das Kon­flikt­po­tential steigt also, weil die Mehrheit der Min­derheit ihren Willen auf­zwingt. Und die Min­derheit hat nicht das Recht zu sagen, sie will das nicht.
Nach dem Kon­sens­prinzip wäre die Abstimmung fol­gen­der­maßen gelaufen: Die Mehrheit hätte für die Rund­funk­ge­bühren gestimmt. Die Min­derheit hätte dagegen gestimmt und sich dar­aufhin abge­spalten und die Rund­funk­ge­bühren abge­schafft. Die Mehrheit, die die Rund­funk­ge­bühren wollte, hätte diese dann bezahlt, und die Min­derheit, die dagegen war, nicht. Jeder hätte seinen Willen bekommen und nach eigenen Vor­stel­lungen gelebt und das Kon­flikt­po­tential wäre sofort mini­miert. Aber das wäre explizit anti-demo­kra­tisch, weil die Min­derheit die Mehr­heits­ent­scheidung abge­lehnt und statt­dessen ihr eigenes Ding gemacht hätten.
Des­wegen ergibt es auch keinen Sinn, wenn Manche sagen: „Bitcoin demo­kra­ti­siert das Geld­system“. Bitcoin demo­kra­ti­siert über­haupt nichts. Demo­kratie ist eine Staatsform und Bitcoin ist explizit anti-staatlich, indem es die staat­liche Kon­trolle über das Geld­system abschafft. Bitcoin ist also grund­legend anti-demo­kra­tisch und das macht Bitcoin so attraktiv!
Bitcoin basiert auf frei­wil­ligen, fried­lichen Kon­sens­regeln und nicht auf auf­ge­zwun­gener Demo­kratie und Mehr­heits­herr­schaft. Bitcoin ist Freiheit in der Praxis: Regeln, aber keine Herr­scher. Ein Ver­stän­digen auf gemeinsame Rah­men­be­din­gungen, aber keine Demo­kratie. Geld, aber keinen Staat. Herr­schafts­lo­sigkeit und Anar­chismus, aber kein Chaos.
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Charles Krüger ist der Betreiber seines gleich­na­migen YouTube Channels, wo er mehrmals pro Woche über Themen wie Liber­ta­rismus, Freiheit und Markt­wirt­schaft redet. Er ist der Autor des Buches “Die größte Täu­schung der Mensch­heits­ge­schichte”. Alle Infos zu seiner Arbeit findet man auf www.charleskrueger.de.