Bild: Elliott Brown - https://www.flickr.com/photos/ell-r-brown/7657849280 - CC BY 2.0

Ita­liens Popu­listen-Regierung schockt Europa! Freibier für alle, Deutschland zahlt!

Der ele­gante Jura-Pro­fessor Giu­seppe Conte soll Ita­liens neue Regierung führen. In Wahrheit holen sich Lega und Fünf-Sterne-Bewegung nur ein freund­liches Gesicht für ihr wildes Pro­gramm. Europa droht schweres Ungemach.
(Von Wolfram Weimer)
Ita­liens neue Regierung ist auf den ersten Blick gelebte Real­satire. Wilde Rechts- und schräge Links­po­pu­listen gehen eine Koalition ein, als gelte das Motto “Clowns aller Länder, ver­einigt euch”. Auf den zweiten Blick ist das Regie­rungs­bündnis der rechts­po­pu­lis­ti­schen Liga mit der linksan­ar­chi­schen Fünf-Sterne-Bewegung eine Kampf­ansage an Europa. Denn die beiden Par­teien haben sich auf ein Pro­gramm geeinigt, das aus Italien ein sozi­al­po­li­ti­sches Schla­raf­fenland machen soll: radikale Steu­er­sen­kungen, Früh­renten für die Massen, Min­dest­ein­kommen für alle, bessere Schulen, neue Kran­ken­häuser fürs ganze Land. Nach Berech­nungen ita­lie­ni­scher Uni­ver­sitäts-Institute belaufen sich die Kosten alleine für das Start­pro­gramm auf runde 150 Mil­li­arden Euro.
Das Popu­listen-Pro­gramm soll auf zwei Wegen bezahlt werden: Schulden und Europa. Am besten beides zusammen, indem die Euro­päische Zen­tralbank dem Land 250 Mil­li­arden Schulden erlässt. Letztlich soll Deutschland haften und zahlen. Die Vor­stel­lungen der neuen Macht­haber in Rom erinnern fatal an die links­extreme Regierung in Grie­chenland vor zwei Jahren.
Die Finanz­märkte zucken ange­sichts der Revo­lu­ti­ons­pläne in Rom schon zusammen, die Bör­sen­kurse in Mailand sind auf Tal­fahrt, der Zins­auf­schlag (Spread) für ita­lie­nische Staats­an­leihen steigt, obwohl die EZB in Frankfurt immer mehr dieser Schuld­titel in ihre Bücher nimmt. Lega-Chef Salvini schwa­dro­niert, höhere Schulden küm­merten ihn nicht. Und Sterne-Frontmann Di Maio findet eine ver­blüffend naive Formel für den Börsen- und Euro­krach, der nun droht: “Indi­ka­toren wie Spread und BIP inter­es­sieren uns nicht, für uns zählt das Lächeln eurer Familien.”
Premier ohne Machtbasis
Rom steuert also auf ein Him­mel­fahrts­kom­mando zu mit laut­starken Popu­listen, die viele Ideen, aber wenig Ver­ant­wortung haben. Um Europas Ent­setzen zu mildern, haben sie nun ein freund­liches Gesicht zum wilden Pro­gramm gefunden. Gui­seppe Conte heißt der aus­er­korene nächste Regie­rungschef. Er ist 54 Jahre alt, Jura-Pro­fessor aus Florenz und ohne jede Politik-Erfahrung. Genau das wollen die Popu­listen – eine freund­liche Mario­nette, die ihre wilde Politik nicht stört. Conte hat keine eigene Macht­basis, dafür aber mit Salvini und Di Maio die beiden poli­ti­schen Schwer­ge­wichte am Kabi­netts­tisch sitzen. Sie werden ihm dik­tieren, was er zu tun und zu lassen hat.
Selbst Contes Stu­denten sind völlig ver­blüfft über die Wahl ihres Pro­fessors, ist er ihnen bislang nicht einmal als besonders poli­tische Figur auf­ge­fallen. Doch Conte bringt etwas anderes mit, was ihn für die Popu­listen als per­fekte Besetzung erscheinen lässt – er ist seriös, welt­läufig und sym­pa­thisch. Der Jura-Pro­fessor hat an inter­na­tio­nalen Elite-Uni­ver­si­täten stu­diert, von Yale über die Sor­bonne bis Cam­bridge. Er ist hoch­ge­bildet, elo­quent (zuweilen dozierend), elegant gekleidet und par­kett­sicher, wenn er denn auf Merkel, Macron, Trump und Putin trifft.
Popu­listen-Doppel, Füll­hörner und ein freund­licher Professor
Wer ihn kon­tak­tieren möchte, so lässt Conte wissen, möge so schreiben, als koste jede Mit­teilung 10 Euro, das helfe bei der Kon­zen­tration aufs Wesent­liche. In sein WhatsApp-Profil hat er (große Vor­bilder schaden nie) ein Kennedy-Zitat geschrieben: “Every accom­plishment starts with the decision to try.” Jeder Erfolg beginnt mit der Ent­scheidung, es zu versuchen.
Und so ver­sucht Italien es mit dem Popu­listen-Doppel, Füll­hörnern und einem freund­lichen Pro­fessor. Nach ersten Umfragen findet die Mehrheit der Ita­liener das Spek­takel in Rom groß­artig. Die neue Koalition bekommt klare Zustim­mungs­mehr­heiten und der Lega-Chef, Matteo Salvini, steigt zum belieb­testen Poli­tiker nach dem Staats­prä­si­denten auf.
Italien erhofft sich von der neuen Regierung nicht wirklich etwas Kon­kretes, man will vor allem “etwas ganz anderes”. Die alten Par­teien-Eliten gelten als korrupt und unfähig, die Pro­bleme Ita­liens zu lösen. Das jahr­zehn­te­lange Macht­spiel um Koali­tionen, Posten und Seil­schaften ist man satt. Die alte Polit-Olig­archie und ihre byzan­ti­nische Büro­kratie hat darum die Quittung erhalten. Und so wird Rom nun von neuen Wilden und einem gedie­genen Pro­fessor regiert. Auf die Frage, was Europa nun zu erwarten hat, bekommt man eine beun­ru­hi­gende Antwort: “Das wird keine unter­würfige Regierung sein.”


Wolfram Weimer für TheEuropean.de