EU-Eta­tisten, Steu­er­oasen & Steu­er­wüsten — Ein Frust­spiel in drei Akten

Aggression, so belehrt uns das Inter­net­le­xikon Wiki­pedia, „…ist eine feind­selig angrei­fende Ver­hal­tens­weise eines Orga­nismus.“ Ein Aggressor ist folglich, wer einen feind­se­ligen Angriff gegen Per­sonen oder Sachen unter­nimmt. Kein Mensch, der seine fünf Sinne bei­sammen hat, würde jemanden, der keine feind­se­ligen Angriffe unter­nimmt, als aggressiv bezeichnen. Was in aller Welt geht also in den Köpfen von Leuten vor, die genau das tun? Welche ver­quere Logik treibt sie dazu?
(Von Andreas Tögel)
Offen­sichtlich übt ein län­gerer Auf­enthalt an den Schalt­hebeln der Brüs­seler Macht­zen­trale einen ver­derb­lichen Ein­fluss auf das Denk­ver­mögen der Betrof­fenen aus. Er ist imstande, das Bewusstsein der Zen­tral­bü­ro­kraten derart zu ver­ändern, dass bestimmte Tat­sachen scheinbar in ihr exaktes Gegenteil ver­kehrt werden. Der­jenige, der seine Mit­men­schen unbe­helligt lässt und gegen diese keine feind­se­ligen Angriffe unter­nimmt, gilt für die sol­cherart Ver­wirrten plötzlich als „aggressiv“.
So geschehen dieser Tage, als die Damen und Herren EU-Kom­missare mit scharfer Kritik an der „aggres­siven Steu­er­po­litik“ einiger Mit­glied­staaten ihres zunehmend tota­litäre Züge anneh­menden Impe­riums auf­horchen ließen. Um jeg­lichem Miss­ver­ständnis vor­zu­beugen: Nicht etwa zu starke fis­ka­lische Begehr­lich­keiten; nicht kon­fis­kato­risch hohe Steu­er­sätze werden von den sich an ihrer Macht berau­schenden Büro­kraten kri­ti­siert, sondern – im Gegenteil – aus­ge­rechnet jene Staaten, die ihren Bürgern und Betrieben ver­hält­nis­mäßig geringe Fis­kal­lasten auferlegen.
“Diese Prak­tiken unter­graben die Gerech­tigkeit und gleiche Wett­be­werbs­be­din­gungen auf unserem Bin­nen­markt”, erklärt der sozia­lis­tische Wirt­schafts­kom­missar Pierre Moscovici. Die Ironie, dass der Mann im Namen des Wett­be­werbs de facto ein (Steuer-)Monopol fordert, erschließt sich ver­mutlich nur aus­ge­machten Fein­schme­ckern. George Orwell jeden­falls sähe damit die in seinem Roman „1984“ beschriebene Dys­topie endlich ver­wirk­licht: Wahrheit ist Lüge, Krieg ist Frieden und geringe Steu­er­lasten bedeuten Aggression. Nun, Wahr­heits­kom­missar Moscovici stammt aus Frank­reich – einem Land, das im Hin­blick auf Zen­tra­lismus und wohl­eta­blierten Real­so­zia­lismus den meisten anderen Pro­vinzen des von Brüssel aus gesteu­erten Impe­riums weit voraus ist. Schon der eben­falls linke Minis­ter­prä­sident Georges Cle­menceau (1841–1929) wusste: „Frank­reich ist ein frucht­bares Land. Man Pflanzt dort Beamte und überall sprießen Steuern.“ Die Liebe zu hohen Steu­er­sätzen ist bei Fran­zosen mög­li­cher­weise schon in den Genen angelegt.
Wie dem auch sei: Es gehört zu den belieb­testen, von ein­ge­fleischten Eta­tisten aller Herren Länder ebenso uner­müdlich, wie ohne jede plau­sible Begründung getrom­melten Parolen, dass ein (Steuer-)Wettbewerb zwi­schen Staaten zwangs­weise zu einem Abwärts­wettlauf führt und somit „ruinös“ ist. Dass Wett­bewerb eine ebenso zwin­gende Vor­aus­setzung für eine funk­tio­nie­rende Markt­wirt­schaft dar­stellt wie Rechts­si­cherheit, Ver­trags­freiheit und Arbeits­teilung, wird aus­ge­blendet. Dass die Errichtung eines Fis­kal­kar­tells durch die Brüs­seler Hoch­bü­ro­kratie infolge des Weg­falls jeg­lichen Anreizes, Steu­er­gelder sparsam ein­zu­setzen, zwangs­weise zu immer weiter zuneh­menden fis­ka­li­schen Begehr­lich­keiten und zu einer durch nichts zu begren­zenden Macht­kon­zen­tration in der Hand einer selbst­er­nannten Polit­elite führt, wird diskret verschwiegen.
Es ist immer wieder zweck­mäßig, theo­re­tische Über­le­gungen an der Wirk­lichkeit zu über­prüfen: Das beste Bei­spiel für die positive Wirkung steu­er­lichen Wett­be­werbs ist die Schweiz, wo die Begriffe Föde­ra­lismus und Sub­si­dia­rität nicht nur in Sonn­tags­reden beschworen, sondern tat­sächlich gelebt werden. Die Steu­er­hoheit von Gemeinden und Kan­tonen bringt steu­er­lichen Wett­bewerb mit sich und übt eine scharf dis­zi­pli­nie­rende Wirkung auf die klein­räumig orga­ni­sierten Gebiets­kör­per­schaften aus. Nicht umsonst ist die Schweiz ein erst­klassig ver­wal­tetes Land mit ver­gleichs­weise nied­rigen Steuer- und Abga­ben­lasten. Würden Pierre Mosco­vicis haar­sträu­bende Ein­las­sungen der Wahrheit ent­sprechen, hätte der „ruinöse“ Steu­er­wett­bewerb unter Gemeinden und Kan­tonen das Land längst zugrunde gerichtet. Offen­sichtlich ist das aber nicht der Fall.
Der Bann­strahl Saurons – Pardon – der EU-Kom­mission, richtet sich (vorerst) gegen Belgien, die Nie­der­lande Zypern, Irland, Luxemburg, Malta und Ungarn. Letz­teres ist den Sozia­listen in allen Par­teien bekanntlich schon auf­grund seiner Auf­säs­sigkeit in Fragen der „gerechten“ Ver­teilung von „Flücht­lingen“ ein Dorn im Auge. Mit der Aner­kennung der Ergeb­nisse demo­kra­ti­scher Wahlen in den fernen Pro­vinzen des Euro­im­pe­riums haben es die Zen­tra­listen ja bekanntlich nicht so besonders.
Die Behauptung, Steu­er­oasen würden andere Länder (also Steu­er­wüsten) infolge ihrer Attrak­ti­vität für Unter­nehmer, Inves­toren und Leis­tungs­träger „berauben“, indem sie diesen Steu­er­ein­nahmen weg­nähmen, ist nach­gerade absurd. Wer würde sich zu der selt­samen Beschul­digung ver­steigen, der Auto­her­steller VW beraube BMW und Mer­cedes, indem er den Kon­su­menten preis­güns­tigere Fahr­zeuge anbietet und damit Kund­schaft abspenstig macht? Es ist eben das Wesen einer markt­wirt­schaftlich ver­fassten Gesell­schaft, Wett­bewerb zuzu­lassen. Aus welchem guten Grund sollte das aber nur für Pro­du­zenten von Gütern und Dienst­leis­tungen, nicht aber für ter­ri­to­riale Macht­mo­no­po­listen gelten? Mit welchem Recht können schlecht ver­waltete oder solche Länder, die infolge falsch gesetzter Anreize das Geld der Net­to­zahler vor­sätzlich oder fahr­lässig ver­ludern, andere, die das nicht tun, dazu nötigen, mit ihnen gleich­zu­ziehen? Ist die För­derung staat­licher Kor­ruption und Wohl­stands­ver­nichtung durch eine Aus­schaltung des Steu­er­wett­be­werbs und die Ver­hin­derung von Abstim­mungen mit den Füßen wirklich sinnvoll? Oder bedeuten solche Bestre­bungen nicht vielmehr blanken Irrsinn auf aller­höchstem Niveau?
Macht kor­rum­piert, wie wir wissen. Je größer die Gra­vi­ta­ti­ons­kräfte eines Impe­riums werden und je stärker die damit ver­bundene Macht­kon­zen­tration zunimmt, desto kor­rupter werden die herr­schenden Eliten. Bei­spielhaft zeigt sich das an ihren unge­bremsten fis­ka­li­schen Begehr­lich­keiten nach dem Brexit. Darauf, auch nur auf einen ein­zigen Cent an Ein­nahmen aus der nun deutlich kleiner wer­denden Union zu ver­zichten, kommt in der Macht­zen­trale niemand. Den ver­blei­benden Net­to­zahlern soll statt­dessen noch tiefer in die Taschen gegriffen werden. Und wer bei diesem üblen Spiel nicht mit­spielen will, wird von der außer Rand und Band gera­tenen Brüs­seler Büro­kra­ten­k­a­ma­rilla als „Aggressor“ denunziert.
Um auf den Begriff Aggression zurück­zu­kommen: Als Fazit drängt sich hier ein berühmtes Zitat des chi­ne­si­schen Phi­lo­sophen Kon­fuzius auf:
„Wenn Worte ihre Bedeutung ver­lieren, ver­lieren Men­schen ihre Freiheit“.


Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist gelernter Maschi­nen­bauer, aus­übender kauf­män­ni­scher Unter­nehmer und über­zeugter “Aus­trian”.
Erst­ver­öf­fent­li­chung auf Ludwig von Mises Institut Deutschland