Es ist eine seltsame Tatsache, dass Menschen geneigt sind, voraussehbar kommende Unglücke oder gar Katastrophen schlichtweg zu ignorieren und einfach weiterzumachen. Wird schon gutgehen. Das ist immer schon so gewesen, aber eben oft nicht gutgegangen.
Um hier nur ein Beispiel anzuführen: Es ist schon lange bekannt, dass der Vesuv eines schönen Tages wieder ausbricht – nach Messungen aus dem Dezember 2017 könnte das schon sehr bald der Fall sein. Nicht weit davon liegt unter den phlegreischen Feldern, in den Außenbezirken Neapels ein unterirdisch brodelnder Supervulkan, der ebenfalls in einem „kritischen Stadium“ ist. Schert das wen? Nein. Neapel wächst weiter, als gäbe es diese Bedrohung nicht. Dabei kann man in einem schönen, gepflegten Museumsareal bei Neapel sehr eindrücklich sehen, welchen massenhaften, schrecklichen Tod und Verwüstung der Vesuv bei seinem Ausbruch im Jahre 79 n. Chr. über die gesamte Region brachte: Den Untergang von Pompeji, Herculaneum und Stabiae und das gesamte Umland der Städte.
Fachleute, Experten, Wirtschaftsprofessoren, Finanzgenies, große Investoren warnen seit einigen Jahren alle, durch die Bank, dass die jetzige Aktienhausse früher oder später in sich zusammenbrechen wird und es an den Börsen einen Jahrhundertcrash geben muss. Insbesondere deshalb, weil kaum echte Werte durch blühende Firmen mit echter Wertschöpfung hinter den steigenden Aktienkursen stehen, sondern hauptsächlich Angebot und Nachfrage. Ein nicht geringer Teil der übersteuerten Börsenwerte ist nämlich dem beispiellos niedrigen Zinsniveau geschuldet, das nur noch wenige Anlagen mit nennenswerter Rendite ermöglicht. Eine davon ist die Börse. Zusätzlich verlockt das Niedrigst-Zinsniveau manchen Zocker, sogar Schulden zu machen, um an der Börse einzusteigen. Der Zinsdienst ist wesentlich geringer als die Gewinnmöglichkeiten mit Aktien … also Halali.
Die ganze Börse hängt nur davon ab,
ob es mehr Aktien gibt als Idioten — oder umgekehrt.
André Kostolany
Wir leben in einer riesigen Schulden-Vermögenswerte-Blase. Es kann auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen nicht unendlich mehr von allem geben. Ganz vereinfacht gesagt: Die globale Riesenblase muss irgendwann platzen, weil am Ende die Riesenschulden auf der einen Seite nicht mehr zurückgezahlt werden können und die Papier-Riesenvermögen auf der anderen Seite damit nichts Werthaltiges mehr kaufen können.
Der Schweizer und Kosmopolit Egon Greyerz ist einer der Mahner in der Wüste. Ein freundlicher, feiner, eleganter Herr mit geschliffenen Manieren, blitzblauen, klugen Augen und viel Erfahrung. Er mahnt oft und laut, wie viele andere auch. Aber Mahner sind nicht populär. Matthias Weik und Marc Friedrich sind zwar populärer, weil sie eine flottere Schreibe haben, aber auch sie sehen das Ende der Party kommen und warnen vor dem Ende und den Gefahren des Casino-Kapitalismus’.
Was aber geschähe, wenn die Börse über die Klippe ihrer steil aufsteigenden Kurse ins Bodenlose stürzt? Und warum würde sie das tun? Und kann man sich irgendwie schützen?
Die Botschaft von Egon Greyerz ist simpel: Man kann sich schützen, aber niemand wird ganz ungeschoren davonkommen. Wer die Augen aufmacht und sich vorbereitet, wird aber wesentlich weniger gerupft werden. Wer wegzieht aus der Umgebung des Vulkans, verliert vielleicht etwas durch Verkauf seines Anwesens und die Umzugskosten, aber er endet nicht als verbrannte Leiche in einer glühenden Ascheschicht — und als mahnendes Exponat im Museum.
Herr Greyerz ist ein überzeugter Besitzer von Edelmetallen. Und er beschäftigt sich mit allem, was damit zu tun hat, dem Weltfinanzsystem, der Golddeckung, den nationalen und globalen Wirtschaften, Bretton Woods und dem Glass-Steagall Act, mit dem Problem der Zentralbanken, den Zinsen und Tangible Assets. Seine eigene Erfolgsgeschichte gibt ihm Recht. Er sieht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen brutalen Crash im Aktienmarkt kommen, der das Verhältnis von Aktien zu Gold um 98% zugunsten des Goldes zerscheppern wird.
Um dies zu illustrieren und jedem verständlich zu machen, der sich bisher mit dem Thema noch nicht beschäftigt hat: Herr Greyerz nimmt den Aktienindex DOW (Dow Jones Industrial Average Index) für seine Anlalyse. Es gibt verschiedene Indices, in Deutschland nimmt man den DAX. Um die allgemeine Entwicklung am Aktienmarkt zu messen und einschätzen zu können, kann man nicht nur einzelne Aktien einzelner Unternehmen heranziehen, sondern wählt ein Bündel repräsentativer Aktien, aus deren Werten im Überblick sich ein allgemeiner Trend auf dem Aktienmarkt ablesen lässt.
Im Folgenden möchten wir Ihnen, lieber Leser ein bißchen veranscheulichen, wovon Egon Greyerz in seinem beachtenswerten Artikel spricht. Denen, die sich auskennen, sei der Originalartikel empfohlen.
Die Geschichte des Aktienmarktes als DOW/Gold-Ratio
Die Dow/Gold Ratio gibt Auskunft, wieviele Unzen Gold man für eine DOW-Einheit bezahlen muss. Auf dem Chart unten ist zum Beispiel zu sehen, dass 1999 eine DOW-Einheit 45 Unzen Gold kostete. Im Jahr 2011 (Spitze des roten Pfeils) kostete die DOW-Einheit 6 Unzen. Danach erholten sich die Aktienkurse wieder so, dass man etwas mehr als eine DOW-Einheit etwas mehr als zwanzig Unzen Gold wert ist.
Diese Erholung des Aktienmarktes seit nun 19 Jahren ist aber weniger einer guten wirtschaftlichen Entwicklung oder positiven Ertragszahlen der Firmen geschuldet, als vielmehr den virtuellen “Druckmaschinen”, die die Geldmenge durch Fiat-Money massiv nach oben gepusht haben. Würde man diese Kurve um diesen Faktor bereinigen, so Egon von Greyerz, rutschten die Aktien in einer langen Abwärtsbewegung talwärts. Dieser Trend, so Herr Greyerz, wird sich weiter fortsetzen. In dem Moment, wo das beschriebene, für Aktien günstige finanzielle und wirtschaftliche Umfeld kippt, würde der Abwärtstrend in einen steilen Absturz übergehen.
Seine Argumentation wird noch deutlicher mithilfe einer Grafik zur langfristigeren Bewegung auf dem Aktienmarkt.
Es geht aufwärts: Die “Weltwirtschaft” entsteht
Das obige Chart zeigt eine 200jährige Erfolgsgeschichte der Aktienkurse gegenüber den Goldkursen. Es ist eine vollkommen zutreffende Widerspiegelung der aufwärts strebenden Weltwirtschaft und des Wirtschaftswachstums, der Industrialisierung und des Gebrauches von Erdöl, um die nötige Energie für die Produktion,Transport, Stromnetz, das Kunststoffzeitalter bereit zu stellen. Erdöl ermöglichte den Bau und das Fahren mit Autos, dadurch die Autoindustrie mit ihren Arbeitsplätzen, dadurch den Individualverkehr, den Straßenbau samt Arbeitsplätzen und die vervielfältigte die Chancen in Lohn und Brot zu kommen, da man durch Autos wesentlich flexibler und mobiler wurde. Ganz besonders das riesige Amerika mit seinen Einwanderern und der aufstrebenden Industrie befeuerte die Entwicklung.
Der Dollar und andere Währungen waren goldgedeckt, große Erfindungen wurden gemacht, Firmenimperien entstanden.
Die “Panik von 1837” — ein Lehrstück
Im Jahr 1837 bis 1844 gab es die Panik von 1837 (Spitze des schwarzen Pfeils, obiges Chart), die das Ergebnis einer Spekulationsblase war. Diese große Wirtschaftskrise erfasste mehrere Länder Europas und die USA.
Die 1837er-Panik sollte man sich etwas genauer anschauen und verstehen, dann bekommt man auch ein Gefühl für das, was heute geschieht. Herr Greyerz streift dieses Thema nur kurz, es ist aber sehr anschaulich für das, was er uns sagen will. Deshalb hier etwas ausführlicher:
Der Ursprung dieser Wirtschaftskrise nahm seinen Ausgang in der in ganz Europa um sich greifenden Welle von Aktienspekulationen, insbesondere Eisenbahnaktien. Zum Beispiel die erste deutsche Dampf-Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth. Das war zwar eine teure Angelegenheit, dennoch investierten viele in die ausgegebenen Aktien, um bei der „neuen Zeit“ ganz vorne mit dabei zu sein. Das erforderliche Aktienkapital für die „Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft“ war schnell zusammengekommen. Als die Bahn am 7. Dezember 1835 in Betrieb ging, schossen die Kurse der Aktien in die Höhe: Innerhalb von fünf Wochen ein Kursgewinn von 36%. Am 26. Januar 1836 erreichte der Kursgewinn 100%. Ein Run auf Eisenbahnaktien begann. Man ging davon aus, dass noch eine Menge „Luft nach oben“ sei, denn ganz Deutschland, ganz Europa musste ja jetzt mit Eisenbahnnetzen versorgt werden. Die Eisenbahn war das Transportmittel der anbrechenden, goldenen Zukunft. Deutschland hinkte zu dieser Zeit England und den USA weit hinterher. Es sah danach aus, als würde das Füllhorn der Eisenbahnaktien gerade erst geöffnet.
Die Aktien der Tausnusbahn waren 1837 um das Vierzigfache überzeichnet (heißt: Vierzig mal mehr Kaufinteressenten als Aktien) und die erste Kursnotierung am Markt lag bereits 70% über dem Ausgabepreis (Emissionspreis).
Eine zweite Aktienhausse geschah zeitgleich in England und den USA mit Aktien von Unternehmen, die in der Baumwollindustrie tätig waren. Immer mehr Anleger zahlten immer mehr, um Anteile dieser „Goldgruben“ zu ergattern. Die Kurse stiegen und stiegen. Abenteurer, Spekulanten, Pensionäre, Kleinbürger, jeder wollte das große Geld machen.
Jedoch nahmen sehr viele Kleinanleger Kredite auf, um auf das sichere Pferd “Aktie” zu setzen. Möglichkeiten gab es genug, denn die Zahl der Banken im Vereinten Königreich war stark angestiegen. Die neuen Bankhäuser wurden gegründet, weil 1826 durch den „Coutry Bankers Act“ das Monopol der „Bank of England“ als Handelsbank für alle Wertpapiere außerhalb von 65 Meilen um London gebrochen wurde. 1833 war das Monopol vollkommen abgeschafft. Die vielen, neuen Banken brauchten Kapital und entstanden ebenfalls als Aktiengesellschaften. Die Geldhäuser brauchten Geschäfte und Umsatz und achteten nicht besonders auf die Bonität ihrer Kreditnehmer. Kredite wurden in großem Umfang jedem gegeben, der Geld brauchte. Dadurch wurde die Geldmenge stark ausgeweitet.
Im Mai 1836 drehte sich die Stimmung, der Höhepunkt der ganzen Spekulationsblase war irgendwie überschritten. Die Kurse gingen zurück. Trotz der geschaffenen, großen Geldmenge durch die ausgegebenen Kredite verursachten die Kursrückgänge eine Bargeldverknappung in der Bevölkerung. Das Geld war in Aktien, Wechseln etc. gebunden. Also versuchte man, etwas vom Papiervermögen zu verkaufen. Die Bank of England wollte dagegensteuern, dass jetzt massenhaft Wechsel von anderen Aktienbanken bei ihr eingelöst wurden und untersagte allen ihren Filialen, jedwede, auf eine Aktienbank gezogene Wechsel (mit Abzinsung) gegen Geld einzulösen. Man wollte damit eine weitere Geldmengenausweitung verhindern.
Damit saßen aber Anleger, Aktieninhaber, Aktiengesellschaften aufgrund dieser Regelung plötzlich auf Wechseln oder Kreditverbindlichkeiten, die nur noch bedrucktes Papier waren. Immer mehr Banken und Unternehmen kamen in Zahlungsschwierigkeiten und mussten schließen. Damit gerieten auch solide Unternehmen mit in den Strudel und kämpften um ihre Existenz. Entlassungen waren die Folge, die Eigentümer von Aktien der insolventen Unternehmen verloren alles. Arbeitslosigkeit und Armut griffen um sich.
Andere Europäische Länder wurden in die Krise hineingezogen. Die Exportwirtschaft nach den USA fiel in sich zusammen, denn dort war Ähnliches – nur mit Baumwoll- und Landaktien – geschehen. Eine Weile liefen die Exporte nach den USA noch, aber immer öfter blieben die Rechnungen unbeglichen. In den USA begann auch eine Pleitewelle. Die wiederum die Exporteure in Europa schädigte. Das DOW/Gold-Verhältnis crashte um 70%.
Es gibt viele Parallelen zu der heutigen Situation, die — neben dem Studium der Charts — die Gründe für einen Börsencrash sichtbar werden lassen.
Die Zyklen setzen sich auch im 20sten Jahrhundert fort …
Im Dezember 1913, in einer Nacht- und Nebel-Aktion, einen Tag vor Weihnachten, als die meisten Senatoren des Kongresses schon im Weihnachtsurlaub waren, wurde die Gründung der Federal Reserve Bank durchgezogen und von Präsident Woodrow Wilson unterschrieben. Seitdem gibt es das moderne Zentralbankenwesen und deren Geldpolitik und damit auch stärkere Schwankungen im DOW-Gold Verhältnis. Beim Börsencrash (schwarzer Freitag) von 1929 ließ das Dow/Gold-Verhälnis um 90% zusammenbrechen.
… und wirken auch heute
In der heutigen Situation sieht Egon Greyerz, wie alle anderen Experten auch, wieder dieselben Muster. Eine riesige Spekulationsblase an den Börsen, die platzen muss. Nur ist sie diesmal nicht von wilder Aufbruchsstimmung angetrieben, sondern durch mangelnde Alternativen. Die wirtschaftliche Entwicklung des Westens lässt jedenfalls wenig Aufbruchsstimmung zu. Die Sanktionskriege, das Abwürgen insbesondere der deutschen Autoindustrie, die steigenden Energiepreise, die Handelsbarrieren, die sinkenden Einkommen der Konsumenten, die Zukunftsangst insbesondere der Europäer vor der unbegrenzten Einwanderung, sinkende Geburtenraten, hohe Besteuerung … die Liste ist lang.
Sicher hat man heute durch Computer und Programme an den Börsen, aber auch durch kaum bekannte Arbeitsgruppen, wie die „working group on financial markets“ (plunge protection team), einige Tools an der Hand, um zu verhindern, dass ein zufälliger, auslösender Faktor am Markt sofort durchschlagen kann. Der Crash wird wahrscheinlich nicht mehr unversehens durch ein Ereignis kommen, das dann eine nicht mehr anzuhaltende Kaskade in Bewegung setzt.
Aber irgendwann wird das Spiel (wieder einmal) zwangsläufig ein Ende haben. Und dann werden diejenigen, die über echte Sachwerte (Wald, Immobilie, Ackerland, Gold, Silber, Rohstoffe, echte Kenntnisse) verfügen und schuldenfrei sind, weitaus weniger schmerzlich getroffen werden, als die große Masse, die zwar weiß, dass der Vesuv ausbrechen wird, aber solange man nicht weiß, wann, macht man die Augen zu und einfach weiter.