Der regierende saudische Prinz Mohammed bin Salman ist ein Liebling des Westens. Er reformiert ein bisschen am strengen, wahabitischen Islam im Königreich, lässt Frauen auch neuerdings zu Fußballspielen zu und ins Kino gehen. Sogar Autofahren dürfen sie. Aber wenn sie damit nicht zufrieden sind und aufmucken, versteht er keinen Spaß. Die unbotmäßigen Frauen werden dann gerne auch mal inhaftiert und könnten wegen „Terrorismus“ angeklagt werden. Das bedeutet dann die Todesstafe.
Kanada liegt am anderen Ende der Welt, nicht nur geographisch. Kanada sieht sich als Vorreiter für Menschenrechte und alles, was heute politisch korrekt ist. Die kanadische Außenministrin Chrystia Freeland forderte daher die Freilassung einer dieser saudi-arabischen Frauenrechtlerinnen, namentlich der Aktivistin Samar Badawi. Prinz Mohammed Bin Salman gefiel das gar nicht. Natürlich ist es politisch geschickt und opportun, etwas mehr Neuzeit im Wüstenkönigreich zuzulassen und dazu gehören auch irgendwie Frauenrechte. Aber andererseits muss er auch aufpassen, dass das nicht ausartet. Der Anraunzer aus Kanada kam sehr ungelegen.
Riad schoss sofort zurück und prangerte diese Forderung der kanadischen Außenministerin als eine „unverhohlene Einmischung“ in die inneren Angelegenheiten des Königreiches an, gegen jede grundlegende, internationale Norm und alle internationalen Protokolle. Aber dabei blieb es nicht.
Als erstes wurde der kanadische Botschafter aus Saudi-Arabien ausgewiesen und der saudische Botschafter aus Kanada zurückgerufen.
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Dann wurde ein Handelsabkommen zwischen Saudi-Arabien und Kanada ausgesetzt und alle saudischen Investitionen eingefroren. Am darauffolgenden Montag annoncierte das Wüstenkönigreich, alle Flüge nach Toronto würden in der kommenden Woche eingestellt. Weiterhin sollen die ungefähr 7000 saudi-arabischen Studenten aus Kanada wieder heimkehren. Wer darüber unglücklicher ist, die Kanadier oder die Studenten, sei hier nicht erörtert.
Bis dahin konnte man die Reaktion des Königreiches zwar als überzogen einstufen, aber soweit war das alles noch im zivilen Rahmen.
Dann startete das Königreich Saudi-Arabien eine Medienkampagne gegen Kanada. Im saudischen Fernsehen brachte der News-Sender Al-Arabiya eine kleine Doku über kanadische Gefängnisse und die darin begangenen Menschenrechtsverletzungen, so á la „Wer im Glashaus sitzt …“ Dabei verstieg sich der Sender, dessen Eigentümer mit dem Königshaus gut befreundet sind, zu der Aussage, dass in den letzten zwei Jahren 75% der Gefangenen in Kanada in Haft verstorben seien, bevor ihr Prozess überhaupt stattfand.
Weiters wurde im Film der deutschstämmige Holocaustleugner Ernst Zündel als politischer Gefangener vorgestellt. Das war nicht, wie es scheinen mag, ein dummer Fehlgriff, ausgerechnet einen Holocausleugner als Galionsfigur der politischen Gefangenen in Kanada zu wählen. In Saudi-Arabien wird die Regierung des Dritten Reiches von vielen immer noch mit einem gewissen Respekt und Bewunderung — insbesondere für die Verfolgung der Juden – betrachtet.
Auch das Thema der Unterdrückung und Fast-Ausrottung der kanadischen Natives führte das saudische Königreich gegen Kanada ins Feld. Tweets, die sich in ähnlichem Stil äußerten, wie die Besorgnis der kanadischen Ministerin über die Inhaftierung der Frauenrechtlerinnen, wurden massenhaft an das kanadische Außenministerium getwittert: „In Saudi Arabien machen sind wir wegen des Genozids in Sorge, den Kanada an indigenen Menschen begeht. Wir unterstützen auch das Recht Québecs auf eine unabhängige Nation“ (Québec ist die „Hauptstadt“ des frankophonen Teils Kanadas und der liebäugelt immer wieder einmal mit Separation).
Den Kracher im Rachefeldzug gegen Kanada bildete aber ein Tweet, der wenige Stunden nach der Ausweisung des kanadischen Botschafters erschien und tatsächlich als blanke Drohung aufgefasst werden konnte:
Der Airliner der Air Canada fliegt in leicht abwärts geneigten Winkel auf den CN-Tower in Toronto (Kanada) zu. Es wirkt unzweifelhaft wie das Szenario des 11. September 2001, bei dem zwei Passagierjets in die beiden Türme des World Trade Centers in New York geflogen sind.
Darüber steht in dem roten Schild: „Die Nase in Dinge stecken, wo sie nichts zu suchen hat“ und darunter wird ein arabisches Sprichwort auf Englisch gezeigt: „Der, der sich in etwas einmischt, was ihn nichts angeht, findet etwas, was ihm nicht gefällt.“
Der Tweet wurde hunderte Male retweetet. Bedenkt man, dass 15 von 19 der angeblichen Flugzeugentführer des 11. September Saudis waren und dass der Drahtzieher dahinter Osama Bin Laden war, ein Sohn eines saudischen Baulöwen, hat so ein Bild in der Tat eine durchschlagende Wirkung. Die Drohung war nicht misszuverstehen.
Getwittert wurde das Bild nach Berichten von einer Jugendgruppe namens „Infographic KSA“, die sich auf ihrer Webseite als freiwilliges Non-Profit-Projekt junger, saudischer Leute beschrieb, die sich für Technologie und Fakten in Sozialen Medien interessieren.
Das Königreich Saudi-Arabien und die Organisation „Infographic KSA“ entschuldigte sich für dieses Foto und erklärte, man habe damit den Heimflug des Botschafters illustrieren wollen. Die vermutete Drohung sei nicht beabsichtigt gewesen.
Allerdings gibt es von saudischer Seite schon ähnlich aggressive, graphische Darstellungen mit Flugzeugen: So sendete derselbe Sender Al Arabiya schon ein Jahr zuvor eine Animation, was passieren würde, wenn ein Passagierjet der Qatar Airways in saudischen Luftraum eindringen würde.