Seit November 2014 ist Jean-Claude Juncker Präsident der Europäischen Kommission, mithin Oberhaupt der Exekutive und damit auf EU-Ebene vergleichbar mit den Regierungschefs auf nationaler Ebene. Herr Juncker leidet bisweilen unter einem hartnäckigen Ischiasleiden, welches sich immer wieder mal in eher untypischen Symptomen bemerkbar macht. Ansonsten gilt er als körperlich wie geistig kerngesund. Oder wie seine alleinige Pressesprecherin Mina Andreeva diese Woche sagte, nachdem kurzfristig wieder sehr seltsame Symptome tief aus dem Ischias aufflammten: „Der Präsident ist bei voller Gesundheit und Vollgas“.
Caligula und Incitatus
Gaius Caesar Augustus Germanicus, besser bekannt unter dem Namen Caligula, war von 37 bis 41 n. Chr. römischer Kaiser. Caligula war an Gladiatorenkämpfen und Wagenrennen außerordentlich interessiert und verwendete große Summen seines Vermögens zu deren Finanzierung, was in der Kaiserzeit als populäre Maßnahme zur Beschwichtigung der hauptstädtischen Massen diente. Am Vortag von Rennen ließ er die Straßen zum Circus durch Soldaten absperren und ordnete Ruhe an, damit sein Lieblingspferd, Incitatus, nicht in seiner Konzentration gestört würde.
Der Kaiser soll Incitatus mit einer Tränke aus Marmor, Zaumzeug aus Elfenbein, einem mit Purpur gefärbten Sattel und einem Halsband aus Edelsteinen und Perlen beschenkt haben. Das Pferd soll sogar seinen eigenen Palast bewohnt haben, mit eigenem Gesinde und kostbaren Möbeln. Caligula habe Einladungen an die höchsten Würdenträger des Reichs oft im Namen von Incitatus ausgestellt, wird berichtet. Daher benötigte das Pferd natürlich geeignete Repräsentationsräume.
Bei kostspieligen Gelagen erhielt Incitatus angeblich goldfarbene Gerste als Futter und trank Wein aus goldenen Pokalen auf die Gesundheit des Kaisers. Dieser soll bei Staatsakten eine gängige Schwurformel folgendermaßen abgewandelt haben: „Auf das Wohlergehen und das Vermögen von Incitatus“. Weil Caligula so sehr angetan war von den Verdiensten des Pferdes, soll er für das Jahr 42 n. Chr. gar geplant haben, Incitatus zum Konsul zu ernennen und mit einem ständigen Sitz im Senat, der einst wichtigsten Institution der römischen Republik, zu bestallen. Dies ging dann wohl vielen Senatoren doch zu weit.
Die Gewaltherrschaft des Caligula endete nach nicht einmal vier Jahren mit seiner Ermordung durch die Prätorianergarde. Moderne Psychiater vermuten, dass Caligula wohl manisch-depressiv war, also an einer bipolaren Störung litt.
Claudius
Caligulas Nachfolger als römischer Kaiser, Claudius (41 – 54 n. Chr.), litt der Überlieferung zufolge an physischen Gebrechen. Bevor ihn sein Neffe Caligula im Jahr 37 zum Konsul machte, wurde er von seiner Familie jedenfalls von fast allen öffentlichen Auftritten und Ämtern ausgeschlossen. Claudius litt an einer Lähmung, möglicherweise Folge eines Geburtstraumas und einem auffälligen Maß an Unkontrolliertheit der Bewegungen sowie Stottern.
Seine Knie sollen schwach gewesen sein, gaben unter ihm leicht nach und sein Kopf zitterte. Er soll gestammelt haben und seine Reden seien konfus gewesen. „Wenn er aufgeregt war, lief seine Nase und er sabberte“, ist bei einem Biographen zu lesen. Allerdings habe es ihm nicht an Würde gefehlt, wenn er still stand oder saß. Claudius, so vermutet man heute, litt unter verschiedenen motorischen und verbalen „Ticks“, die für eine Erkrankung am Tourette-Syndrom sprechen.
Nero
Auf Claudius folgte 54–68 n. Chr. Claudius Caesar Augustus Germanicus oder kurz: Nero. „Welch ein Künstler geht mit mir zugrunde“, soll dieser kurz vor seinem Tod immer wieder geklagt haben. Nero soll zwar nicht unbedingt geisteskrank gewesen sein, jedoch versagte bei ihm wohl regelmäßig seine Impulskontrolle. Im Streit brachte er seine schwangere Frau Poppea mit einem Fußtritt in den Bauch um. Bei schlechten Nachrichten fiel er gelegentlich in Ohnmacht. Außerdem befahl er mehrfach, seine eigene Mutter zu ermorden. Sexuell soll er den Quellen zufolge extrem ausschweifend gewesen sein.
Der Wiener Psychiater Harald Aschauer kommt in einer Begutachtung der Quellen zu dem Ergebnis, dass nicht von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung gesprochen werden könne. Der Künstler-Kaiser zeigte wohl nur vier von neun typischen Merkmalen und erst ab fünf erfüllten Kriterien spreche man von einer narzisstischen Störung, an der Nero also nach psychiatrischem Befund gerade noch so vorbeischrammte.
Es spreche allerdings einiges dafür, so fährt der Gutachter fort, dass Nero an „Cäsarenwahn“ gelitten habe. Dies sei „keine Wahnkrankheit im medizinischen Sinne; vielmehr handelt es sich um ein Muster suchtartiger Verhaltensexzesse“. Dazu gehören Herrschsucht, Prunksucht, Bausucht, Verschwendungssucht, Genuss- und Vergnügungssucht sowie Rachsucht mit Gewaltbereitschaft. Das passe zum neuerdings diagnostizierten Hybris-Syndrom.
Jean-Claude Juncker
Jean-Claude Juncker war von 1989 bis Juli 2009 Finanzminister und von 1995 bis Dezember 2013 Premierminister Luxemburgs sowie von 2005 bis 2013 Vorsitzender der Euro-Gruppe. Seit November 2014 ist er Präsident der Europäischen Kommission, mithin Oberhaupt der Exekutive und damit auf EU-Ebene vergleichbar mit den Regierungschefs auf nationaler Ebene, also quasi EU-Kanzler.
Herr Juncker gilt als körperlich wie geistig kerngesund, abgesehen von einem hartnäckigen Ischiasleiden, welches sich bisweilen in eher untypischen Symptomen bemerkbar macht.
Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht auf dem Blog des Autors Jürgen Fritz — www.juergenfritz.com