Putin im O‑Ton über Fracking

Die Frage, wie Russland zum Fracking steht, wurde bisher kaum gestellt, denn Russland hat die größten Reserven für Fracking-Öl der Welt. Dazu hat Putin sich nun geäußert. 
Auf der rus­si­schen Inves­toren-Kon­ferenz „Russia is calling“ wurde Putin zu den Ölpreisen, Russ­lands Inter­essen auf dem Welt­markt und zum Fracking befragt. Seine Antwort war humorvoll, hatte aber einen sehr ernsten Hin­ter­grund, und es mag für viele uner­wartet sein, wie Putin zur Ölför­derung durch Fracking steht. Daher habe ich seine Antwort auf die Frage eines Teil­nehmers der Kon­ferenz übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Frage: Guten Tag! Mein Name ist Nick Chandramaga, ich arbeite für das fran­zö­sische Ener­gie­un­ter­nehmen Total.
Die Rus­sische Föde­ration bestimmt immer mehr den Ölpreis. Der Ölpreis ist für Russland nach wie vor sehr wichtig. Darüber hinaus hat Russland sehr große Reserven an Fracking-Öl, viel­leicht wird es pro­fi­tabel sein, sie zu erschließen. Aber ist es möglich, ame­ri­ka­nische Pro­du­zenten zum Bei­spiel beim Fracking zu über­holen? Wenn Russland Fracking-Öl erschließt, werden Sie zum größten Pro­du­zenten der Welt. Wie wün­schenswert und effektiv ist das, weil Ihr Land bereits stark von Ölex­porten abhängig ist?
Wla­dimir Putin: Erstens: Russland beein­flusst den glo­balen Ener­gie­markt, beein­flusst ihn sehr stark. Aber den größten Effekt erzielen wir, wenn wir mit anderen großen Energie-För­derern zusam­men­ar­beiten. Nur koor­di­nierte Schritte bringen einen opti­malen Effekt für die glo­balen Ener­gie­märkte. In diesem Sinne werden wir wei­terhin mit Saudi-Arabien, mit den Golf­staaten und mit den OPEC-Ländern im Rahmen des in den letzten Jahren eta­blierten Systems OPEC Plus zusam­men­ar­beiten. Das ist das eine.
Wir haben auch Streit bei einigen klei­neren Fragen, aber im All­ge­meinen haben wir eine gemeinsame Aufgabe. Die Her­aus­for­derung besteht darin, sicher­zu­stellen, dass der Markt aus­ge­wogen ist, dass er sowohl für die Erzeuger als auch für die Ver­braucher akzep­tabel ist. Und das Wich­tigste – ich möchte das betonen – dass er bere­chenbar ist.
Zu der Frage wer wie viel pro­du­ziert. Vor kurzem war Russland die Nummer eins in der Welt bei der Ölför­derung. Das ist aber kein Selbst­zweck. Übrigens hat das Gesamt­pro­duk­ti­ons­vo­lumen in Russland trotz einiger Ein­schrän­kungen leicht zugenommen.
Zum Fracking-Öl. Warten wir ab, bis die Ame­ri­kaner viel Geld für neue Fracking-Tech­no­logien aus­ge­geben haben und dann – Hoppla – greifen wir uns die Tech­no­logie: Egal, ob wir heute daran inter­es­siert sind oder nicht, wir bekommen die Tech­no­logie billig. Wir arbeiten daran, wir arbeiten auf eigene Faust daran. Wir brauchen das nicht zu kopieren, das war ein Scherz, der wird wahr­scheinlich nachher auf der ganzen Welt die Schlag­zeilen beherrschen.
Tat­sache ist, dass die heu­tigen Tech­no­logien für Fracking ohne Über­treibung bar­ba­risch sind und die Umwelt zer­stören. In einigen Gebieten, in denen Fracking-Öl gefördert wird, kommt aus dem Was­serhahn kein Wasser, sondern schwarze Pampe. Wir brauchen eine solche För­derung nicht, trotz aller mög­lichen wirt­schaft­lichen Vor­teile werden wir das nie tun. Wir haben genug Mög­lich­keiten, so dass es dafür keinen drin­genden Bedarf gibt. Aber das Wich­tigste ist, dass keine Not­wen­digkeit besteht, das Angebot auf dem Welt­markt zu erhöhen.
Und was die För­derung in den Ver­ei­nigten Staaten selbst betrifft, so sind sie ja zu Expor­teuren geworden und wir sehen das sehr deutlich, wie sie bestimmte Nischen besetzen, aber nicht unsere Nischen. Das ist das eine.
Und zweitens wächst ihre eigene Industrie, ihr eigenes BIP wächst und damit wird auch ihr Ver­brauch wachsen.
Und drittens gibt es in den Ver­ei­nigten Staaten selbst eine Grenze des Wachstums der För­derung. Ich werde die Gründe für diese Begrenzung jetzt nicht auf­zählen. Nach Ansicht unserer Experten ist die ame­ri­ka­nische Pro­duktion an ihre Grenzen gestoßen. Wir pro­gnos­ti­zieren kein ernst­haftes Wachstum mehr.
Wenn wir das alles berück­sich­tigen und darüber hinaus noch einige andere Themen, die ich jetzt nicht berührt oder benannt habe, sind wir ent­spannt und zuver­sichtlich und kümmern uns um unsere Ent­wicklung. Wir werden unsere eigene För­derung von Öl und Gas ent­wi­ckeln und wir werden sie ver­bessern. Wir werden daran arbeiten, den Ver­brauch unserer Wirt­schaft zu redu­zieren und ihre Ener­gie­ef­fi­zienz zu erhöhen.
Wir haben also genug zu tun, aber wir haben ein wach­sames Auge auf das, was in der Welt geschieht. Und natürlich können Sie sicher sein, dass Russland immer ein sehr ver­ant­wor­tungs­voller Teil­nehmer am glo­balen Ener­gie­markt sein wird.
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich dafür inter­es­sieren, wie Russland auf die Fragen der inter­na­tio­nalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und unge­kürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. 

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“