Symbolbild

Kamel im Por­zel­lan­laden: Zoff zwi­schen Saudi Arabien und Kanada – Drohung mit neuem 9–11?

Der regie­rende sau­dische Prinz Mohammed bin Salman ist ein Liebling des Westens. Er refor­miert ein bisschen am strengen, waha­bi­ti­schen Islam im König­reich, lässt Frauen auch neu­er­dings zu Fuß­ball­spielen zu und ins Kino gehen. Sogar Auto­fahren dürfen sie. Aber wenn sie damit nicht zufrieden sind und auf­mucken, ver­steht er keinen Spaß. Die unbot­mä­ßigen Frauen werden dann gerne auch mal inhaf­tiert und könnten wegen „Ter­ro­rismus“ ange­klagt werden. Das bedeutet dann die Todes­stafe.
Kanada liegt am anderen Ende der Welt, nicht nur geo­gra­phisch. Kanada sieht sich als Vor­reiter für Men­schen­rechte und alles, was heute poli­tisch korrekt ist. Die kana­dische Außen­mi­nistrin Chrystia Freeland for­derte daher die Frei­lassung einer dieser saudi-ara­bi­schen Frau­en­recht­le­rinnen, namentlich der Akti­vistin Samar Badawi. Prinz Mohammed Bin Salman gefiel das gar nicht. Natürlich ist es poli­tisch geschickt und opportun, etwas mehr Neuzeit im Wüs­ten­kö­nig­reich zuzu­lassen und dazu gehören auch irgendwie Frau­en­rechte. Aber ande­rer­seits muss er auch auf­passen, dass das nicht aus­artet. Der Anraunzer aus Kanada kam sehr ungelegen.
Riad schoss sofort zurück und pran­gerte diese For­derung der kana­di­schen Außen­mi­nis­terin als eine „unver­hohlene Ein­mi­schung“ in die inneren Ange­le­gen­heiten des König­reiches an, gegen jede grund­le­gende, inter­na­tionale Norm und alle inter­na­tio­nalen Pro­to­kolle. Aber dabei blieb es nicht.
Als erstes wurde der kana­dische Bot­schafter aus Saudi-Arabien aus­ge­wiesen und der sau­dische Bot­schafter aus Kanada zurückgerufen.

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Dann wurde ein Han­dels­ab­kommen zwi­schen Saudi-Arabien und Kanada aus­ge­setzt und alle sau­di­schen Inves­ti­tionen ein­ge­froren. Am dar­auf­fol­genden Montag annon­cierte das Wüs­ten­kö­nig­reich, alle Flüge nach Toronto würden in der kom­menden Woche ein­ge­stellt. Wei­terhin sollen die ungefähr 7000 saudi-ara­bi­schen Stu­denten aus Kanada wieder heim­kehren. Wer darüber unglück­licher ist, die Kanadier oder die Stu­denten, sei hier nicht erörtert.
Bis dahin konnte man die Reaktion des König­reiches zwar als über­zogen ein­stufen, aber soweit war das alles noch im zivilen Rahmen.
Dann startete das König­reich Saudi-Arabien eine Medi­en­kam­pagne gegen Kanada. Im sau­di­schen Fern­sehen brachte der News-Sender Al-Arabiya eine kleine Doku über kana­dische Gefäng­nisse und die darin began­genen Men­schen­rechts­ver­let­zungen, so á la „Wer im Glashaus sitzt …“ Dabei ver­stieg sich der Sender, dessen Eigen­tümer mit dem Königshaus gut befreundet sind, zu der Aussage, dass in den letzten zwei Jahren 75% der Gefan­genen in Kanada in Haft ver­storben seien, bevor ihr Prozess über­haupt stattfand.
Weiters wurde im Film der deutsch­stämmige Holo­caust­leugner Ernst Zündel als poli­ti­scher Gefan­gener vor­ge­stellt. Das war nicht, wie es scheinen mag, ein dummer Fehl­griff, aus­ge­rechnet einen Holo­caus­leugner als Gali­ons­figur der poli­ti­schen Gefan­genen in Kanada zu wählen. In Saudi-Arabien wird die Regierung des Dritten Reiches von vielen immer noch mit einem gewissen Respekt und Bewun­derung — ins­be­sondere für die Ver­folgung der Juden – betrachtet.
Auch das Thema der Unter­drü­ckung und Fast-Aus­rottung der kana­di­schen Natives führte das sau­dische König­reich gegen Kanada ins Feld. Tweets, die sich in ähn­lichem Stil äußerten, wie die Besorgnis der kana­di­schen Minis­terin über die Inhaf­tierung der Frau­en­recht­le­rinnen, wurden mas­senhaft an das kana­dische Außen­mi­nis­terium get­wittert: „In Saudi Arabien machen sind wir wegen des Genozids in Sorge, den Kanada an indi­genen Men­schen begeht. Wir unter­stützen auch das Recht Québecs auf eine unab­hängige Nation“ (Québec ist die „Haupt­stadt“ des fran­ko­phonen Teils Kanadas und der lieb­äugelt immer wieder einmal mit Separation).
Den Kracher im Rache­feldzug gegen Kanada bildete aber ein Tweet, der wenige Stunden nach der Aus­weisung des kana­di­schen Bot­schafters erschien und tat­sächlich als blanke Drohung auf­ge­fasst werden konnte:
 

 
Der Air­liner der Air Canada fliegt in leicht abwärts geneigten Winkel auf den CN-Tower in Toronto (Kanada) zu. Es wirkt unzwei­felhaft wie das Sze­nario des 11. Sep­tember 2001, bei dem zwei Pas­sa­gierjets in die beiden Türme des World Trade Centers in New York geflogen sind.
Darüber steht in dem roten Schild: „Die Nase in Dinge stecken, wo sie nichts zu suchen hat“ und dar­unter wird ein ara­bi­sches Sprichwort auf Eng­lisch gezeigt: „Der, der sich in etwas ein­mischt, was ihn nichts angeht, findet etwas, was ihm nicht gefällt.“
Der Tweet wurde hun­derte Male ret­weetet. Bedenkt man, dass 15 von 19 der angeb­lichen Flug­zeug­ent­führer des 11. Sep­tember Saudis waren und dass der Draht­zieher dahinter Osama Bin Laden war, ein Sohn eines sau­di­schen Bau­löwen, hat so ein Bild in der Tat eine durch­schla­gende Wirkung. Die Drohung war nicht misszuverstehen.
Get­wittert wurde das Bild nach Berichten von einer Jugend­gruppe namens „Info­graphic KSA“, die sich auf ihrer Web­seite als frei­wil­liges Non-Profit-Projekt junger, sau­di­scher Leute beschrieb, die sich für Tech­no­logie und Fakten in Sozialen Medien inter­es­sieren.
Das König­reich Saudi-Arabien und die Orga­ni­sation „Info­graphic KSA“ ent­schul­digte sich für dieses Foto und erklärte, man habe damit den Heimflug des Bot­schafters illus­trieren wollen. Die ver­mutete Drohung sei nicht beab­sichtigt gewesen.
Aller­dings gibt es von sau­di­scher Seite schon ähnlich aggressive, gra­phische Dar­stel­lungen mit Flug­zeugen: So sendete der­selbe Sender Al Arabiya schon ein Jahr zuvor eine Ani­mation, was pas­sieren würde, wenn ein Pas­sa­gierjet der Qatar Airways in sau­di­schen Luftraum ein­dringen würde.