Es brodelt im Land und nicht wählen ist keine Alternative

Heute Morgen fand ich in meinem E‑Mailfach Post von Stephan Grünwald, der heute Abend bei Markus Lanz die Ergeb­nisse einer Studie des rheingold instituts vor­stellen wird. Ich durfte sie vorab lesen und machte mich sofort daran, denn der Titel: „Es rumort in Deutschland“ weckte mein Interesse. Rheingold hat mit 50 Wählern psy­cho­lo­gische Tie­fen­in­ter­views und Grup­pen­dis­kus­sionen durch­ge­führt. Zusätzlich war man „im Osten“ unterwegs und glaubt nun zu wissen, „was die Wähler kurz vor der Wahl bewegt“.

Das Ergebnis: Der Bürger ist labil, in ihm brodelt und rumort es. Deutschland wird wie ein Vexierbild beschrieben: Ent­weder als marodes, ver­wahr­lostes Land oder als sichere Insel des Wohl­stands in einem Meer aus Risiken. Das alles ist kip­pelig und führt zu emo­tio­nalen Aus­brüchen. Ich habe solches Toben und Wüten, so viel Hass unter den Pro­banden noch nie erlebt.

Was Grünwald beschreibt, ist die Wech­sel­stimmung im Land, der keine poli­tische Alter­native geboten wird.

Die „Flücht­lings­krise“ genannte chao­tische Ein­wan­derung von 2015/2016 hat die Deut­schen in ein Dilemma gestürzt. Einer­seits wollen sie soli­da­risch sein und Bedrängten helfen, ande­rer­seits erleben sie die rapide, durch eine unter­schwellige Desta­bi­li­sierung ver­ur­sachte Ver­än­derung unseres Landes als bedrohlich. Die Dis­krepanz zwi­schen erlebter Wirk­lichkeit und Dau­er­pro­pa­ganda von Politik und Medien ist enorm und erzeugt Span­nungen, die sich früher oder später ent­laden müssen, soll die Gesell­schaft nicht explodieren.

Rheingold scheint sich aber auch in einem Dilemma zu befinden. Einer­seits scheint aus der Studie her­vor­zu­gehen, dass Kanz­lerin Merkel als Haupt­ver­ur­sa­cherin des Dilemmas wahr­ge­nommen wird und abgelöst werden soll. Ande­rer­seits ist klar, dass die Union als stärkste Kraft aus der Wahl her­vor­gehen und deshalb wieder die Regierung bilden wird. Mit der will rheingold es sich nicht ver­derben, deshalb wird der Wunsch nach Merkels Abwahl rela­ti­viert. Die Wähler scheuten Ver­än­derung aus Angst vor Insta­bi­li­täten. In der Wahl­kabine würden sie sich deshalb mit der Schön­fär­berei der Poli­tiker arran­gieren. Sie schwankten zwi­schen halb­her­zigen Treue-Bekennt­nissen zu Angela Merkel und kom­pen­sa­to­ri­schen Korrektur-Versuchen.

Haupt­sächlich wird die Union aber gewinnen, weil erstens die SPD in allen von den Wählern als relevant emp­fun­denen Grund­satz­fragen iden­tische Auf­fas­sungen mit der Union hat und weil zweitens der Kanz­ler­kan­didat Schulz ein zu offen­sicht­licher Miss­griff war.

Inter­es­san­ter­weise sieht rheingold die AfD auf Platz drei, gefolgt von der FDP.

Während die CDU-Führung ihre schwarz-grünen Träume immer noch nicht beerdigt hat, wie das Duett von Cem Özdemir und Wolfgang Schäuble bei Anne Will unter Beweis stellte, ist diese Kon­stel­lation nur noch eine Illusion. Rheingold sieht die Grünen eher außerhalb des nächsten Bun­des­tages, als drin. Das wird schamhaft umschrieben mit: Die Grünen würden es schwer haben. Das Beste daran ist, wenn sie einmal raus­ge­flogen sind, werden sie dau­erhaft draußen bleiben, es sei denn, Boris Palmer würde Par­tei­vor­sit­zender. Jeden­falls wird es kein Bündnis90/Grüne geben, das den Platz im Par­lament warmhält, wie von 1990–1994 und den Wie­der­einzug ermöglicht.

Die Linke dümpelt weiter vor sich hin. Sie wird auch wei­terhin kaum eine Rolle spielen. Als Oppo­sition wird sie ver­sagen wie in der zu Ende gehenden Legislaturperiode.

Welche Regie­rungs­kon­stel­la­tionen sind möglich außer einer Neu­auflage der GroKo? Nur Schwarz-Gelb nach Grünwald.

An dieser Stelle wird es peinlich. Da wird nicht nur gesagt, dass von der FDP „fri­scher Wind“ in die Politik gebracht wird, eine Hoffnung, die von der Partei schon einmal grandios ent­täuscht wurde. Christian Lindner, der „junge Held“ soll der ideale „sexy“ Partner von „Mutti“ Merkel sein. Es herrsche eine regel­rechte „Lindner-Geilheit“ – das steht tat­sächlich so da. Nun, Ver­liebtheit macht blind und bei Geilheit setzt bekanntlich der nüch­terne Ver­stand voll­kommen aus. Die Lindner-Ver­liebten sollten sich anschauen, was der junge Held in NRW für glor­reiche Taten voll­bracht hat. Seine ersten Amts­hand­lungen waren, ent­gegen seinen lau­testen Wahl­ver­sprechen, ein Stel­len­abbau bei der Polizei, der für heftige Irri­ta­tionen bei den Lindner-Wählern gesorgt hat, und eine Ver­län­gerung des Schul­ver­trags mit DITIB, der Tür­kisch-isla­mi­schen Union, Prä­sident Erdogans langer Arm in Deutschland. Das war die Fort­setzung der rot-grünen Politik, die in NRW abge­wählt worden war.

Nein, von Christian Lindner ist eher zu erwarten, dass er, wie einstmals Guido Wes­ter­welle, zum wil­ligen Helfer von Kanz­lerin Merkel wird. Nein, die FDP gehört in die Oppo­sition, das ist das Beste, was wir von der Bun­des­tagswahl erwarten können.

Statt Kanz­lerin Merkel zu einem Jung­brunnen zu ver­helfen, würde Lindner, getrieben von der AfD, einen exzel­lenten Oppo­si­ti­ons­führer abgeben und damit wirklich den dringend benö­tigten fri­schen Wind in den Bun­destag bringen.

Die neue GroKo wäre schwach, weil die Wähler sie lediglich aus Mangel an Alter­na­tiven auf Bewährung ver­längert haben.

Am 24.9. sollten sich alle Wähler darauf besinnen, dass sie eine Stimme haben, mit der sie etwas ver­ändern können. Merkel kann nicht abge­wählt, aber es kann ihr das Wei­ter­re­gieren so schwer wie möglich gemacht werden.

Viel­leicht ist diese Wahl die letzte Gele­genheit, Ein­fluss zu nehmen. Seine Wut, seinen Frust im Internet oder auf der Straße abzu­re­agieren, hilft nicht. Wer nicht wählt, stärkt die Alt­par­teien. Die Nicht­wähler sind die einzige wirk­liche Volks­partei. Sie könnten jede kleine Partei zur Regie­rungs­partei machen. Noch sind die Wahlen geheim. Es gibt keine Über­wa­chungs­ka­meras in den Wahl­ka­binen. Man kann jede gewünschte Alter­native wählen, es sieht ja keiner.

Aber vom Ergebnis der Wahl hängt die Zukunft unseres Landes ab!

 

Quelle: vera-lengsfeld.de