Bundesjustizminister Heiko Maas hat rechtliche Einwände gegen das Parteiprogramm der AfD geäußert. Seiner Auffassung nach gebe es mehrere Punkte, in denen die Partei sich im Widerspruch zum Grundgesetz befinde.
In Umfragen bewegen sich die Wahlprognosen für die AfD um die 10%. Damit würde die Partei sicher in den Bundestag einziehen. Maas zufolge sei das ein Novum. In einem Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau schrieb er „Mit der AfD könnte erstmals seit 1949 eine Partei die Fünfprozenthürde überspringen, deren Programm in Teilen verfassungswidrig ist.“
Er sieht die Verstöße im Parteiprogramm gegen das Grundgesetz auf den Gebieten der Religionsfreiheit, des Familienrechts, des Strafrechts und der Europapolitik. Betroffen seien die Artikel 1,3,4 und 23.
Einen Verstoß gegen die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit stelle beispielsweise die Forderung im Programm der AfD nach einem allgemeinen Verbot von Minaretten und Muezzin-Rufen dar. Damit seien, so Maas, die Artikel 3 und 4 verletzt. Die Festschreibung der Religionsfreiheit sei „eine Lehre aus dem Rassenwahn der Nazis, der zur Ermordung von sechs Millionen Juden führte“, erläutert Maas.
Er sagte allerdings auch „Selbstverständlich muss jede Religion unsere Verfassungsordnung einhalten“. Möglicherweise in der Absicht, damit jenen Kräften in der AfD und ihren Wählern entgegenzutreten, die hier einen substanziellen Konflikt der Werten und Vorschriften des Islams mit dem Grundgesetz sehen, da der Islam seinerseits keine Religionsfreiheit vorsieht. Ob ein Minarett- und Muezzinverbot tatsächlich einen Eingriff in die Religionsfreiheit darstellen würde, wäre allerdings juristisch noch vom BVG zu klären. Die freie Religionsausübung könnte auch in minarettlosen Moscheen, von denen es in Deutschland viele gibt, stattfinden. Auch christliche Kirchen dürfen nicht überall hingebaut werden oder zu jeder Tageszeit läuten.
Auch die im Grundgesetz festgeschriebene Gleichbehandlung von Mann und Frau sehen viele im Islam nicht gegeben. Interessant sind hier die Ausführungen des Justizministers, der im Familienbild der AfD einen Widerspruch zum Artikel 3 GG (Gleichberechtigung von Männern und Frauen) sieht: Die AfD propagiere nämlich ein „klares Familienbild aus Vater, Mutter und Kindern“, das gegen die freie Selbstbestimmung verstoße. Maas vermutet hier noch ganz andere Motive der AfD: „Will die AfD vorschreiben, wie viele Kinder wir bekommen sollen und dürfen? Zum Glück schiebt unsere Verfassung solch völkischen Fruchtbarkeitsfantasien einen Riegel vor.“
Maas ging in diesem Zusammenhang nicht auf den ausdrücklichen Schutz dieses Familienbildes durch Artikels 6 des Grundgesetzes ein.
Auch weitere Kritikpunkte des Bundesjustizministers bedürfen der Erläuterung. So interpretiert er die Forderung der AfD, gesetzestreuen Bürgern den Erwerb des Waffenscheins zu erleichtern, als die Absicht der Partei, das Gewaltmonopol des Staates unterminieren zu wollen. Dieser Wunsch greife das Rechtsstaatsprinzip unseres Grundgesetzes an. Dies kann so nicht stehenbleiben. Das Gesetz sieht ausdrücklich die Möglichkeit zum Erwerb eines Waffenscheines vor, kann also daher nicht gegen den Rechtsstaat verstoßen. Die Bestimmungen zum Erwerb eines Waffenscheines waren außerdem vor zwei Jahrzehnten wesentlich lockerer, ohne im Widerspruch zum Grundgesetz gestanden zu haben, und die Kriminalitätsrate war wesentlich geringer.
Auch die Positionen der AfD zur Europapolitik kritisiert Maas als „verfassungswidrig“. Er bezeichnete einige Ziele der Partei als „antieuropäisch“ und damit gegen den Artikel 23GG, der sich ausdrücklich zur europäischen Integration bekenne.
Dennoch warnt Maas in einem Interview mit dem Deutschlandfunk davor, bestehende Regeln und Verfahren zu ändern, um den Einzug der AfD in den Bundestag zu verhindern oder die Partei im Bundestag durch Sonderregelungen auszubremsen. Sollte die Partei ins Parlament gewählt werden, dann sei das als politische und gesellschaftliche Realität zu akzeptieren. Er gab zu bedenken, dass ein solcher Umgang mit der AfD möglicherweise zu noch größerer Solidarität mit der Partei führen könne.
Beitragsbild: Heiko Maas, Bildquelle: Flickr.com, Arno Mikkor, Bildlizenz: Creative Commons, Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0)