By © Jorge Royan / http://www.royan.com.ar, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=22546708

Aus Jamaika wurde Waterloo, aber Merkel gibt den Mugabe

Ehe man einem Projekt einen Namen gibt, tut man gut daran, sich über den Namens­geber kundig zu machen. Die Jamaika-Unter­händler, vor allem aber die Medien, hätten sie nur ein wenig recher­chiert, hätten gewarnt sein können: Die Deutsche Bot­schaft im pro­ble­ma­ti­schen Jamaika liegt in der Waterloo-Street. Nun haben Merkel und die Union ihr Waterloo erlebt. Dass nicht wenigstens die CSU, not­falls ohne See­hofer, gemeinsam mit der FDP aus der ver­fah­renen Kiste aus­ge­stiegen ist, zeigt, wie wenig Sub­stanz in dieser Partei vor­handen ist. Ihre Posi­tionen haben sich wieder einmal als Thea­ter­donner zur Irre­führung der Wähler erwiesen. Nun wird sich zeigen, ob sie wenigstens die Kraft hat, den längst über­fäl­ligen Schritt zu tun und See­hofer als Par­teichef abzulösen.

Was Kanz­lerin Merkel betrifft, ist diese fest ent­schlossen, nach ihrem erneuten Debakel den Mugabe zu geben. Sie ist immer noch nicht bereit, per­sön­liche Kon­se­quenzen aus ihrem Scheitern zu ziehen. Mugabe musste aus dem Amt geputscht werden. Das wird die völlig ent­leerte Union nicht zustande bringen. Es wird noch Wochen, viel­leicht Monate der Agonie geben, ehe es zu befrei­enden Neu­wahlen kommen kann.
Das geht deutlich aus Merkels Statement hervor, das sie eine Stunde nach Abbruch der Ver­hand­lungen durch die FDP gegeben hat.

Das erste Drittel der Erklärung besteht aus den berüch­tigten ver­schwur­belten Merkel-Sätzen, nach deren Sinn man sich ver­geblich fragt.

„Wir hatten aus unserer Per­spektive der Union sehr vieles erreicht in diesen Ver­hand­lungen, was die Sta­bi­lität des Landes gestärkt hätte, sowohl die Frage der wirt­schaft­lichen Ent­wicklung, bei den schweren Fragen der Erwar­tungen der Grünen an die Leis­tungen im Blick auf den Kli­ma­schutz, aber vor allen Dingen auch was soziale Fragen anbe­langt, die Gleich­wer­tigkeit der Lebens­ver­hält­nisse in den länd­lichen Räumen.

Wir haben inter­es­san­ter­weise die erste Einigung über die Land­wirt­schafts­po­litik erzielt, das wäre und ist, weil es bleibt, ja auch ein inter­es­santer Bestandteil, was viel­leicht auch ver­söhnend auf unsere Gesell­schaft hätte wirken können, und jetzt müssen wir trotzdem mit den Tat­sachen umgehen. Tat­sache heißt, dass wir keine Son­die­rungs­ge­spräche erfolg­reich abschließen konnten.“

Mit der Beschreibung der Tat­sachen steht Merkel aller­dings auf Kriegsfuß. Lag der Abbruch an den
den „schweren Fragen der Erwar­tungen der Grünen an die Leis­tungen im Blick auf den Kli­ma­schutz“? Bleibt die Einigung über die Landwirtschaftspolitik?

Dann macht die Frau, die nicht in der Lage ist, deut­liche Aus­sagen zu for­mu­lieren, der aber trotzdem von den Medien „Ver­hand­lungs­ge­schick“ ange­dichtet wird, klar, dass sie unbe­lehrbar und absolut rea­li­tätsfern ist:

„Wir, CDU und CSU gemeinsam, ich sage das aus­drücklich, werden Ver­ant­wortung für dieses Land auch in schwie­rigen Stunden über­nehmen und auch weiter sehr ver­ant­wor­tungsvoll handeln. Denn die Men­schen in Deutschland haben sich heute mehr­heitlich gewünscht, dass wir zusam­men­finden. Und denen fühlen wir uns ver­pflichtet. Und wir werden dazu bei­tragen, mit unseren Kräften, die wir haben, zum Zusam­menhalt dieses Landes auch einen Beitrag zu leisten.“

Die span­nende Frage ist, wer von der CSU Merkel zuge­si­chert hat, sich von der Kanz­lerin in ihren Untergang hin­ein­ziehen zu lassen. Man kann nur hoffen, dass Alex­ander Dob­rindt nicht dabei war.

Was die „Men­schen“ anlangt, die Bezeichnung Bürger für die Wähler kommt Merkel nicht von den Lippen, hatten bereits Ende Oktober 78 % der an einer Leser­um­frage der WELT Betei­ligten auf die Frage „Glauben Sie, dass eine Jamaika-Koalition funk­tio­nieren kann?“ mit Nein geant­wortet. Abge­stimmt haben 51.000 Teil­nehmer, viel mehr als die Umfra­ge­institute befragen.

Merkel nimmt die Rea­lität ebenso wenig wahr, wie ehemals die Polit­bü­ro­kraten der DDR. Aber anscheinend hat sich keiner ihrer Hof­schranzen mehr getraut, ihr aktuelle Umfra­ge­er­geb­nisse zu diesem Thema vor­zu­legen. Diese Frau ist kein „Sta­bi­li­täts­anker“, weder für Deutschland, noch für Europa, sondern eine Gefahr. Es wird Zeit, das ihre Hof­medien das endlich eingestehen.

Die Medien stehen auch vor einem Scher­ben­haufen. Sie haben in den letzten Wochen wieder einmal mit allen dem­ago­gi­schen Tricks ver­sucht, der Öffent­lichkeit ein­zu­reden, eine Jamaika-Regierung wäre wün­schenswert, ja alter­na­tivlos. Nun müssen sie mit der erfreu­lichen Tatsche klar kommen, dass ihre Mei­nungs­ma­ni­pu­lation nichts gefruchtet hat.

Last not least möchte ich dem in den letzten Wochen ver­kannten Christian Lindner gra­tu­lieren, dass es ihm gelungen ist, im letzten Moment noch die Reiß­leine zu ziehen. Von den frus­trierten Ver­hand­lungs­partnern, vor allem von jenen, die nun ihre lang ersehnten Dienst­wagen davon schwimmen sehen, wird ihm der schwarze Peter zuge­schoben. Selbst die Welt ent­blödet sich nicht, in ihrem Ticker seine Erklärung nur unter ferner liefen per Link zu bringen.
Dafür werden ihm die schon ver­lo­renen Sym­pa­thien der Wähler wieder zufliegen. Für Sätze, die man schon lange von keinem deut­schen Poli­tiker mehr gehört hat:

„Die Freien Demo­kraten sind für Trend­wenden gewählt worden. Und wer dieses Dokument ansieht, sieht: Es war nicht zu ambi­tio­niert, es war nichts unrea­lis­tisch, sondern maßvoll. Wir sind für die Trend­wenden gewählt worden, aber sie waren nicht erreichbar, nicht in der Bil­dungs­po­litik, nicht bei der Ent­lastung der Bür­ge­rinnen und Bürger, nicht bei der Fle­xi­bi­li­sierung unserer Gesell­schaft, nicht bei der Stärkung der Markt­wirt­schaft und bis zur Stunde auch nicht bei einer geord­neten Einwanderungspolitik.

Den Geist des Son­die­rungs­pa­piers können und wollen wir nicht ver­ant­worten, viele der dis­ku­tierten Maß­nahmen halten wir sogar für schädlich. Wir wären gezwungen, unsere Grund­sätze auf­zu­geben und all das, wofür wir Jahre gear­beitet haben. Wir werden unsere Wäh­le­rinnen und Wähler nicht im Stich lassen, indem wir eine Politik mit­tragen, von der wir im Kern nicht über­zeugt sind. Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Auf Wiedersehen.“

Gut gebrüllt, Christian!

Vera Lengsfeld / vera-lengsfeld.de