Denk­verbote nützen keinem — Pola­ri­sieren: Ja, Bitte!

Jede Syn­these ent­steht aus These und Anti­these. Die Schaffung von Syn­thesen kann ein durchaus anstren­gender, harter und manchmal sogar schmerz­voller Prozess sein. Das gilt nicht nur für die Wis­sen­schaft und die Phi­lo­sophie, sondern auch für das Zusam­men­leben der Men­schen. Dieses funk­tio­niert nach dem gleichen Prinzip: Ver­schiedene Hal­tungen und Welt­sichten ergeben unter­schied­liche Gesell­schafts­struk­turen. Wenn Gesell­schaften und Welt­an­schau­ungen in Kontakt mit anderen treten, ergeben sich zwangs­läufig pola­ri­sie­rende Situa­tionen, aus den in irgend­einer Weise Syn­thesen ent­stehen (müssen).
Die Trias in der Politik
Der Grundsatz These-Anti­these-Syn­these gilt dem­zu­folge auch  und vor allem für die Politik. Wir nennen die poli­tische Syn­these auch Kom­promiss oder Inter­es­sen­aus­gleich. Ihm muss immer ein Diskurs, ein Kon­flikt, eine Debatte und in manchen Situa­tionen leider auch ein Krieg vor­aus­gehen. Krieg ist ja nach Clau­sewitz “die Fort­setzung von Politik mit anderen Mitteln”.
Wenn eine Gesell­schaft den Kom­promiss zum pri­mären Ziel erklärt und dieses Ziel für wich­tiger hält als jede Debatte und jeden Kon­flikt, wird es früher oder später pro­ble­ma­tisch. Wenn die betref­fende Gesell­schaft in ihrer Prä­misse der Kon­fron­ta­ti­ons­ver­meidung sogar so weit geht, Kon­flikte um jeden Preis ver­meiden zu wollen, dann begibt sich diese Gesell­schaft in eine auto­ma­tisch und wesenhaft schwache, letztlich unter­legene Position. Die ver­öf­fent­lichte Meinung wird in diesen Sozie­täten sol­cherart zu einer ersti­ckend-schwülen Echo­kammer, in der nur mehr von Toleranz, Fried­fer­tigkeit, Ver­ständnis, Geduld, Erdulden, Aus­halten, Abfinden und anderen Sekun­där­tu­genden die Rede ist.
Die Spät­folgen der Revolution
In Europa — und vor allem in Deutschland — erleben wir genau diese Situation. Die mitt­ler­weile völlig dege­ne­rierten zen­tralen Begriffe aus der Fran­zö­si­schen Revo­lution namens Freiheit, Gleichheit und Brü­der­lichkeit beherr­schen noch immer die poli­tische Denke in den kon­ti­nen­tal­eu­ro­päi­schen Demo­kratien.  Sie haben die euro­päi­schen Gesell­schaften durch­drungen wie eine diffus infil­trie­rende Erkrankung und richten überall ihren nicht wieder gut zu machenden Schaden an.
Fast alles, was je unter der stän­digen Nennung der drei Slogans, die von den Sozia­listen noch um die Soziale Gerech­tigkeit erweitert wurden, in Europa an Demo­kra­ti­sierung und oft nur ver­meint­lichem Fort­schritt ent­standen ist, fällt den Euro­päern nun auf den Kopf. Besonders die­je­nigen Regie­rungen, in denen linke Par­teien beteiligt sind, werden zu Gefan­genen ihrer eigenen Vorgaben.
Sozia­lis­ten­däm­merung
Die Sozia­listen hat es dabei besonders arg erwischt. Die Krise der Sozi­al­de­mo­kratie ist all­seits bekannt. Ihre einzige Chance, poli­tisch län­ger­fristig zu über­leben, läge nur in einer For­cierung einer national ori­en­tierten Politik. Aber national und sozia­lis­tisch — das geht zum Glück nie wieder.
Linke müssen also heute dem Inter­na­tio­na­lismus frönen und getreu dieser Haltung die Migration fördern und die Ver­ei­nigten Staaten von Europa anstreben. Der deutsche Sozia­listen-Chef Martin Schulz hat das kürzlich exem­pla­risch vor­ex­er­ziert. Das Nationale müssen die Sozia­listen aus Gründen der eigenen Ver­gan­gen­heits­be­wäl­tigung bekämpfen, wo immer sie es sehen. Weil die über­wie­gende Mehrzahl der Bürger diese Haltung aber nicht (mehr) teilt, stehen die Sozia­listen am offenen Grab ihrer eigenen Ideo­logie. Das macht sie frus­triert und wütend.
Diese Wut kann man als linker Poli­tiker natürlich nicht offen zeigen, also muss man die Anders­mei­nenden mit den schwüls­tigen und längst über­kom­menen Formeln der Gleich­heits­phi­lo­sophie bedrängen und ver­suchen, sie damit mundtot zu machen. Das ist nicht nur in den erklärt linken Frak­tionen der Fall, sondern das tun die “Sozia­listen in allen Par­teien. ” (F.A. Hayek). Die mora­li­sie­renden Beschwö­rungen, dass man dem natio­nalen Denken heute keinen Platz mehr geben darf, ziehen sich quer durch fast alle Lager. Damit werden in Bausch und Bogen gleich alle pejo­ri­siert, die es für sinnvoll erachten, ein “Europa der Nationen” zu bewahren.
Denk­verbote nützen keinem
Die Denk- und vor allem die Mei­nungs­äu­ße­rungs­verbote schaden dem poli­ti­schen Klima enorm. In Öster­reich ist die Situation durch die deut­liche Mehrheit, welche die Mitte-Rechts-Par­teien bei der letzten Natio­nal­rats­wahlen ein­ge­fahren haben, besser geworden. Man muss jetzt nicht mehr dreimal nach­denken, ob man “etwas über­haupt noch sagen darf” — wiewohl es noch immer ange­bracht ist, sich die freie Meinung gut zu über­legen. Vor allem, wenn man in abhän­gigen Posi­tionen tätig ist. Die Denun­zi­anten lauern überall.
Das­selbe betrifft natürlich die Sicht­weisen zum euro­päi­schen Problem Nr. 1: Die Rede ist von der Mas­sen­mi­gration und den damit ver­bun­denen enormen kul­tu­rellen und wirt­schaft­lichen Pro­blemen, die wir uns durch dieses Phä­nomen auf­halsen. Wenn alle Hal­tungen zur Mas­sen­ein­wan­derung, die nicht prin­zi­piell pro Migration lauten, von vorn­herein vom  links­ori­en­tierten polit­me­dialen Komplex ver­dammt werden, kann keine sinn­volle Syn­these aus den vor­han­denen Anschau­ungen und den sach­lichen Not­wen­dig­keiten entstehen.
Der freie Diskurs versus Totalitarismus
Eine fort­schritt­liche Gesell­schaft sollte also alles daran setzen, die Mei­nungs­vielfalt zu fördern und allem, was gesagt wird, ohne Vor­ver­ur­teilung zunächst einmal genug Raum geben, um es dann dis­ku­tieren zu können. Wenn im Namen der Links­moral ein been­gendes und am Ende bedroh­liches, aber immer als gerecht, tolerant und gleich­heits­för­dernd daher­kom­mendes offi­zi­elles Mei­nungs­klima gepflegt wird, so bleibt dieses letzten Endes doch nur das, was es ist: Ein Tota­li­ta­rismus im neuen Gewand.
 
Dr. Marcus Franz / thedailyfranz.at