Facebook, Amazon, Apple, Netflix, Google, Tesla, Twitter … FANGsch(l)uss?

Der FANG+Index hat seit Jah­res­anfang mehr als 25 Prozent zugelegt. Nichts, so scheint es, kann den Boom der Tech­werte stoppen. Oder doch?
Wer die Per­for­mance der US-Börse in den letzten zwölf Monaten ver­stehen will, vor allem im Ver­gleich zu Europa, kommt an den Tech­no­lo­gie­werten nicht vorbei. Diese stehen nicht nur hinter dem beein­dru­ckenden Kurs­auf­schwung, sondern erklären auch, warum die US-Börse im Schnitt höher bewertet ist, als die Märkte im Rest der Welt. 
Der NYSE-FANG+ Index, der neben den bekannten ame­ri­ka­ni­schen Namen Facebook, Amazon, Apple, Netflix, Google, Tesla, Twitter und Nvidia auch die chi­ne­si­schen Inter­net­gi­ganten Alibaba und Baidu beinhaltet, hat alleine seit Jah­res­anfang beein­dru­ckende 25 Prozent zugelegt. Und glaubt man den Auguren, dürfte es mit dem Auf­schwung wei­ter­gehen. Sind es doch genau diese Unter­nehmen, die mit Wachstum und Ertrags­kraft her­aus­ragen und ganze Indus­trien erobern. Der Wandel, der mit Beginn des Inter­net­zeit­alters erwartet wurde, hat zunächst länger gedauert als erhofft, um dann umso erbar­mungs­loser zuzu­schlagen. Neue Märkte ent­stehen, in denen gilt „The Winner takes it all“ und diese Gewinner scheinen festzustehen. 
Kritik an den FANGS wächst
Dabei wächst die Kritik an den FANGS. Diese fällt in zwei Kate­gorien. Da sind zum einen die Unter­nehmen, die zwar von der Börse gemocht werden, denen es aber an Sub­stanz mangelt:

  • Twitter – in kon­ti­nu­ier­lichen Schwie­rig­keiten und trotz einer Kurs­stei­gerung um mehr als 250 Prozent in den letzten zwölf Monaten immer noch ohne wirklich nach­hal­tiges und pro­fi­tables Geschäftsmodell.
  • Tesla – unstrit­tiger Markt­führer und Pionier im Bereich der Elek­tro­au­to­mobile, hoch ver­schuldet, unpro­fi­tabel und mit sicht­lichen Schwie­rig­keiten eine Seri­en­pro­duktion auf die Beine zu stellen. Die Wett­be­werber können das und holen das Ver­säumte im Bereich der Elek­tro­technik nach. 
  • Netflix – im letzten August hielt Barrons die Aktie für heillos über­be­wertet. Bei 160 US-Dollar. Heute steht die Aktie bei 320 US-Dollar. Dabei nimmt das Unter­nehmen pro Quartal eine halbe Mil­liarde an neuen Mitteln auf, um die auf­wen­digen Eigen­pro­duk­tionen – geplant sind für dieses Jahr acht Mil­li­arden US-Dollar – und die immer teurere Kun­den­ak­qui­sition – weitere zwei Mil­li­arden dieses Jahr – zu finan­zieren. Die 6,5 Mil­li­arden Schulden des Unter­nehmens werden als Junk bewertet. Da muss man schon sehr opti­mis­tische Annahmen über die Zukunft treffen, vor allem über die Fähigkeit des Unter­nehmens sich (neue) Wett­be­werber wie Amazon, Disney und Apple Itunes vom Hals zu schaffen. Wetten würde ich darauf nicht und schon gar nicht 320 Dollar dafür bezahlen. 

Alle drei Unter­nehmen sind gute Bei­spiele für meine bekannte Warnung, dass die Märkte länger falsch liegen können, als man Geld hat, gegen sie zu wetten. Ich für meinen Teil hätte mit einer Wette gegen diese Aktien jeden­falls in den letzten Monaten viel Geld ver­loren. Was nichts daran ändert, dass ich sie für heillos über­be­wertet und damit hoch­gradig anfällig für einen Stim­mungs­wechsel halte. 
Grund­sätz­licher und damit gefähr­licher ist die Kritik an den anderen (ame­ri­ka­ni­schen) Ver­tretern im Index. Apple mag mit einem Kurs jen­seits von 180 US-Dollar immer noch günstig und vor allem mehr ein Ertrags- als ein Wachs­tumswert sein, der wie ein über­di­men­sio­nierter Geld­speicher aus Enten­hausen wirkt. Die Steu­er­praxis des Kon­zerns wird im Zuge der wei­teren Ver­schärfung des Han­dels­kon­fliktes zwi­schen den USA und dem Rest der Welt (zu Recht) mehr in den Fokus der Regie­rungen geraten und damit auch das Risiko steigen, dass wir eine deutlich höhere Besteuerung künf­tiger Gewinne sehen werden. So sehr das aus Sicht der Steu­er­ge­rech­tigkeit freut, so bedau­erlich ist es für die Aktionäre. Höhere Steuern ver­kleinern den Kuchen.
Amazon, Facebook und Google (Alphabet) könnten noch grund­sätz­licher in die Kritik geraten. Vor allem geht es um die Behin­derung von Wett­bewerb: Die Unter­nehmen haben eine sehr starke Markt­po­sition, die es Wett­be­werbern fak­tisch unmöglich macht, gegen die eta­blierten Spieler zu bestehen. Dies liegt an Grö­ßen­ef­fekten (die zu ent­spre­chenden Kos­ten­vor­teilen führen), Netz­werk­ef­fekten (je mehr Leute dabei sind, desto größer ist der Nutzen, weshalb sich alles bei einem Anbieter kon­zen­triert) und der schieren Menge an Daten, die die Unter­nehmen sammeln. Diese erleichtern den Ein­stieg in immer weitere Geschäfts­felder, in denen sie wie­derum einen unein­hol­baren Vor­sprung haben, weil sie bereits über die Daten ver­fügen, die sich Wett­be­werber mit ähn­lichen Geschäfts­ideen erst mühsam erar­bei­teten müssen. Ein hoff­nungs­loses Unterfangen. 
Alles dies macht „Big Tech a huge eco­nomic problem“, meint sogar die durch und durch wirt­schafts­freund­liche FINANCIAL TIMES! Die Unter­nehmen erwirt­schaften Über­ren­diten, von denen die Märkte glauben, sie hätten ewig Bestand. Preise und Service wären – wie bei der­ar­tigen Mono­polen üblich – schlecht und die Unter­nehmen würden über­höhte Preise für Werbung nehmen, während sie gleich­zeitig für die Daten, die sie nutzen, nichts bezahlen müssen. 
Die Belastung wird steigen
All dies ruft nach noch höheren Steuern und mehr Regu­lierung. Erste Ansätze sind zu sehen und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Staaten deutlich stärker als bisher zugreifen werden. Der von Donald Trump ange­fachte Han­dels­kon­flikt dürfte das beschleunigen. 
Neben Steuern könnten auch andere Ideen an Gewicht gewinnen. Die bereits zitierte FINANCIAL TIMES hält ver­schiedene Ein­griffe für denkbar. Eine Mög­lichkeit wäre die Zer­schlagung von Unter­nehmen wie Amazon. In der Tat ist es zumindest pro­ble­ma­tisch, wenn Amazon seine Position im Handel dazu nutzt, den Ein­stieg in das Video­streaming-Geschäft nicht nur zu sub­ven­tio­nieren, sondern die gigan­tische Basis an Kun­den­daten dafür zu nutzen. Damit hat das Unter­nehmen gegenüber Stand-alone-Spielern wie Netflix einen nicht zu unter­schät­zenden Vorteil. Denkbar wäre auch, dass die Unter­nehmen gezwungen werden, die Daten auch Wett­be­werbern zugänglich zu machen oder dass die Staaten selber Dienste wie Uber auf­bauen und als öffent­liche Dienst­leistung anbieten. 
Besonders charmant finde ich die Idee, die Nutzer –also uns alle – für die Zur­ver­fü­gung­stellung der Daten zu bezahlen. So wie alle Bürger Alaskas jedes Jahr einen Gewinn­anteil für das aus dem Land geför­derte Öl bekommen, sollten alle Nutzer weltweit eine Ent­schä­digung bekommen, dafür, dass sie Google, Facebook und Co. nutzen. Letztlich ist das Geschäft nur möglich, weil mög­lichst viele mit­machen und mög­lichst viel an Daten bereitstellen. 
Beim World Eco­nomic Forum wurde diese Idee im letzten Jahr dis­ku­tiert und sie könnte die Grundlage für ein bedin­gungs­loses Grund­ein­kommen sein, das nicht der Staat, sondern die Daten­mo­no­po­listen bezahlen. Gerecht wäre es allemal. 
NASDAQ läuft nach
Ob es bald dazu kommt, bleibt abzu­warten. Sicher dürfte sein, dass die rie­sigen Gewinne der Inter­net­kon­zerne in Zeiten zuneh­mender Ver­tei­lungs­dis­kus­sionen, Han­dels­kon­flikte und knappen Kassen die Begehr­lich­keiten wecken werden. Die Erwartung, dass die Party ewig weiter geht, steht auf tönernen Füßen. 
Hinzu kommt, dass der NASDAQ-Index am Ende von Bör­sen­auf­schwüngen als Letzter dreht. Das war schon im Jahr 2000 so, als der NASDAQ noch neue Höchst­stände erreichte, nachdem DOW und S&P 500 schon in die Baisse gedreht hatten. Ähnlich 2008. Auch heute suchen die Inves­toren Sicherheit in der guten Ertrags­kraft des Sektors und dem anhal­tenden Momentum der Aktien. Deshalb ist die Stärke des NASDAQ eher ein Warn­signal als ein Grund zur Erleich­terung. Aktien können auch trotz guter Gewinne fallen, besonders wenn sie zuvor, getragen von über­bor­dender Zen­tral­bank­li­qui­dität, weit über das fun­da­mental gerecht­fer­tigte Niveau gestiegen sind. 
Hin­ter­her­laufen ist gefährlich, besonders an den Börsen. Ich bleibe bei meiner Über­zeugung, dass es besser ist, Risiken abzubauen. 
→ WiWo.de: „Ende der Tech­r­allye, Ende des Bör­se­booms“, 22. März 2018


Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com