Ohne „Bail-out“ System-Crash. Mit ihm die Knechtschaft

Nach­stehend ein Vortrag, den Thorsten Polleit auf der 10. Mark Banco Anle­ger­tagung in Lübeck am 21. August 2020 gehalten hat:

1.

Die Briten haben eine heitere Weise, um auf das Offen­sicht­liche hin­zu­weisen, und zwar den „Duck-Test“, den Enten-Test:

„If it looks like a duck, swims like a duck, and quacks like a duck, then it pro­bably is a duck.“

Wenn Sie den Ein­druck haben, dass sich hinter Kli­ma­wandel, Coro­na­virus und Lockdown-Krise ein neo­mar­xis­ti­scher Umsturz­versuch ver­birgt; dass es sich um eine Neu­auflage der Marx‘schen Ver­elen­dungs­theorie handelt, die mit Panik­mache Dinge durch­zu­setzen ver­sucht, die die freie Gesell­schaft, den Kapi­ta­lismus (oder das, was von ihm noch übrig ist) zer­trümmern; dann sollten sie – dem Enten-Test folgend – nicht leicht­fertig ihrem Ein­druck misstrauen.

Die geis­tigen Fin­ger­ab­drücke einer neo­mar­xis­ti­schen (oder kul­tur­mar­xis­ti­schen) Agi­tation sind unüber­sehbar, dies- und jen­seits des Atlantiks.

Die Ziele des Neo­mar­xismus sind nicht zu über­hören: Es wird von „großer Trans­for­mation“, „neuer Welt­ordnung“, „Umbau der Wirt­schaft“, „Neu­start“ (oder: „Reset“) gesprochen.

Ein Wort­re­per­toire, das nicht von Ungefähr (und dunkel) an die Zeiten von Mao Tse-tungs „Kul­tur­re­vo­lution“ erinnert.

2.

Eine seit langem gehegte und gepflegte Saat der geis­tigen Ver­irrung und Ver­wirrung geht auf, und ihre ideen­ge­schicht­liche Spur ist zwei­felsfrei auszumachen.

Sie führt bei­spiels­weise zum ita­lie­ni­schen Mar­xismus-Theo­re­tiker Antonio Gramsci (1891–1937).

Er vertrat die Auf­fassung, dass der Mar­xismus sich im Westen (anders als in Russland) nicht durch einen blu­tigen Umsturz errichten lasse.

Man müsse hier anders vor­gehen, und zwar müsse man das bür­ger­liche Moral- und Wer­te­system umstürzen, die bür­ger­liche Gesell­schaft zerrütten.

Ehe, Familie, Eigentum, Recht, Grenzen, Nation und christ­licher Glaube sind zu rela­ti­vieren und zu diskreditieren.

Dazu sind Kon­flikte her­bei­zu­reden und zu schüren – zwi­schen Arm und Reich, Frau und Mann, Weißen und Schwarzen; Geschichte wird umge­deutet; Denk­mäler werden umge­rissen; die Sprache wird neu geregelt; das freie und ver­nünftige Denken wird abgewürgt.

Und als Ursache aller gesell­schaft­licher Übel­stände, die zu beklagen sind, wird der Kapi­ta­lismus, das System der freien Märkte, gebrand­markt: Der Kapi­ta­lismus sei das Übel und müsse durch den Staat gebändigt, ent­machtet, durch den Sozia­lismus ersetzt werden.

Die Massen müssen, so Gramsci, mar­xis­tisch indok­tri­niert werden, und wenn die mar­xis­tische Kultur-Hege­monie errungen ist, dann ist auch der Weg in den Sozia­lismus frei.

Gramscis Ideen haben natürlich Berüh­rungs­punkte mit der „Kri­ti­schen Theorie“ der Frank­furter Schule (Max Hork­heimer, Theodor W. Adorno und Herbert Marcuse).

Dass (neo-)marxistische Ideen heute noch hoch im Kurs stehen (auch nach dem Scheitern des Ost­blocks), ist in erheb­lichem Maße auch der Frank­furter Schule zu ver­danken (zumindest ihrer radi­kalen Rezeption[1]).

3.

Es ist wirklich erstaunlich, wo mar­xis­tische Ideen den Wel­tenlauf in con­creto beeinflussen.

Bei­spiels­weise ist die Idee, eine Zen­tralbank zu errichten, die das Monopol über das Geld innehat, eine marxistische.

Im „Manifest der Kom­mu­nis­ti­schen Partei“ aus dem Jahr 1848 nennt Karl Marx (1818–1883) zehn „Maß­regeln“, die zum Kom­mu­nismus führen.

Maß­regel Nummer fünf heißt: „Zen­tra­li­sation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Natio­nalbank mit Staats­ka­pital und aus­schließ­lichem Monopol“.

Marx scheint geahnt zu haben, was alles möglich wird, wenn der Staat erst einmal die Geld­pro­duktion in den Händen hält.

Es sollte zwar noch etwas dauern, bis Marx‘ Vision Wirk­lichkeit werden sollte, aber Anfang der 1970er Jahre war es dann so weit:

Die Gold­de­ckung der Wäh­rungen wurde von den Staaten auf­ge­hoben, und damit wurde ein welt­weites unge­decktes Geld­system, ein Fiat­geld­system, aus der Taufe gehoben.

4.

Das latei­nische Wort „fiat“ bedeutet „so sei es“. Fiat-Geld ist demnach ver­ord­netes, dik­tiertes Geld.

Es zeichnet sich durch drei Eigen­schaften aus:

(1) Fiat-Geld ist staatlich mono­po­li­siertes Geld. Die staat­lichen Zen­tral­banken haben das Pro­duk­ti­ons­mo­nopol inne.

(2) Fiat-Geld wird durch Kre­dit­vergabe aus dem Nichts geschaffen: Wenn Banken Kredite ver­geben, geben sie neues Geld in Umlauf.

Und (3): Fiat-Geld ist ent­ma­te­ria­li­siertes Geld. Es hat die Form von bunt bedruckten Papier­zetteln (genauer: Baum­woll­läppchen) und Ein­trägen auf Com­pu­ter­fest­platten (Bits und Bytes).

Ob US-Dollar, Euro, chi­ne­si­scher Ren­minbi, japa­ni­scher Yen, Bri­ti­sches Pfund oder Schweizer Franken: Sie alle sind Fiat-Geld.

Das Fiat-Geld ist öko­no­misch und ethisch defekt.

(i) Fiat-Geld ist infla­tionär. Es ver­liert seine Kauf­kraft im Zeit­ablauf, weil seine Menge von den staat­lichen Zen­tral­banken unab­lässig und nach poli­ti­schen Erwä­gungen ver­mehrt wird.

(ii) Fiat-Geld begünstigt einige auf Kosten vieler, es ist sozial unge­recht. Es sorgt für eine Umver­teilung von Ein­kommen und Ver­mögen, indem es die Erst­emp­fänger des neuen Geldes begünstigt auf Kosten der­je­nigen, die die neue Geld­menge erst später erhalten oder gar nichts von ihr abbe­kommen (das ist der „Can­tillon Effekt“).

(iii) Fiat-Geld sorgt für Wirt­schafts­stö­rungen, für Boom-und-Bust.

(iv) Fiat-Geld treibt die Volks­wirt­schaften in die Über­schuldung: Die Schul­den­lasten wachsen im Zeit­ablauf stärker an, als die Ein­kommen zunehmen.

(v) Fiat-Geld lässt den Staat aus­wu­chern – zu Lasten der Freiheit der Bürger und Unternehmer.

(vi) Fiat-Geld beschädigt die Moral- und Wer­te­vor­stel­lungen der Men­schen, führt zu einer „Umwertung aller Werte“, um eine For­mu­lierung von Friedrich Nietzsche (1844–1900) zu gebrauchen.

5.

Für alle Gegner der freien Gesell­schaft und Wirt­schaft war (und ist) die Ein­führung von Fiat-Geld ein großer Wurf (oder, wie Mao Tse-Tung viel­leicht sagen würde: ein „großer Sprung nach vorn“.)

Warum? Die Antwort gibt uns der öster­rei­chische Ökonom Ludwig von Mises (1881–1973). Er erkannte früh­zeitig, wohin die Ver­wendung von Fiatgeld letztlich führt:

Es wäre ein Irrtum, wollte man annehmen, daß der Bestand der modernen Orga­ni­sation des Tausch­ver­kehres für die Zukunft gesi­chert sei. Sie trägt in ihrem Innern bereits den Keim der Zer­störung. Die Ent­wicklung des Umlaufs­mittels (gemeint ist Fiatgeld, A. d. V.) muss not­wen­di­ger­weise zu ihrem Zusam­men­bruche führen.

Mises sagt uns also (und er for­mu­lierte diese Worte bereits im Jahr 1912), dass das Fiat-Geld das freie Gesell­schafts- und Markt­system kaputtmacht.

Das nächste Zitat ist vom US-ame­ri­ka­ni­schen Öko­nomen und Gesell­schafts­phi­lo­sophen Murray N. Rothbard (1926–1995), der bei Mises‘ gelernt hat. Rothbard schrieb:

[I]f fiat money could not con­tinue inde­fi­nitely, I would not have to come here to plead for its abolition.

Über­setzt heißt das: „Wenn das Fiat-Geld nicht unendlich wei­ter­be­stehen könnte, wäre ich nicht erschienen, um für seine Abschaffung zu plädieren.“

Rothbard glaubt also nicht, dass das Fiat-Geld eine vor­über­ge­hende Erscheinung sei, dass es sich irgendwann sozu­sagen selbstzerstört.

Um das Fiat-Geld los­zu­werden, so lassen sich Roth­bards Worte inter­pre­tieren, braucht es eine bewusste Ent­scheidung, dass Fiat-Geld zu beenden und es durch bes­seres Geld zu ersetzen.

6.

Doch den Weg zu bes­serem Geld ver­sperrt der Staat (wie wir ihn heute kennen). Er ist der ter­ri­to­riale Mono­polist mit der Letzt­ent­schei­dungs­macht über alle Kon­flikte auf seinem Gebiet, aus­ge­stattet mit der Macht zur Besteuerung.

Ein solcher Staat ist stets – ob in der Form der Mon­archie oder der Demo­kratie – das Ergebnis von Zwang und Gewalt.

Und er kann sich auch nur durch Zwang und Gewalt erhalten.

Schließlich lebt er von der Hände Arbeit seiner Unter­ge­benen: Alles was der Staat bekommt und aus­geben kann, muss er zuvor pro­duk­tiven Men­schen weg­ge­nommen haben.

Diese Plün­derung kann ver­schiedene Formen annehmen. Für den Staat ist die Ausgabe von Fiat-Geld besonders lukrativ (und natürlich auch für seine „Freunde“, bei­spiels­weise die Banken).

Der Staat schafft neues Geld aus dem Nichts und kauft damit den Pro­duk­tiven ihre Güter ab. Er und alle von ihm Begüns­tigten pro­fi­tieren, die Flei­ßigen sind die Dummen.

Warum, so werden Sie fragen, lassen sich die Pro­duk­tiven das gefallen? Zum einen wissen ver­mutlich viele von ihnen gar nicht, dass sie durch das Fiatgeld geprellt werden.

Zum anderen ver­birgt der Staat geschickt sein wahres Gesicht. Er tritt den Men­schen nicht nur als Räuber gegenüber, sondern auch als gebende Hand: Er teilt seine Beute mit den Beraubten.

Wer dem Staat hilf­reich erscheint, wird belohnt, und wer ihm lästig ist, wird benach­teiligt. Auf diese Weise erkauft der Staat sich seine Gefolgschaft.

7.

Das gilt ins­be­sondere für den demo­kra­ti­schen Staat. Denn hier müssen die Regie­renden um die Gunst der Wähler buhlen, und die lässt sich am besten erkaufen.

Und daher ist es nicht ver­wun­derlich, dass in einem demo­kra­ti­schen Staat, der nicht zwi­schen Mein und Dein unter­scheiden kann, der demo­kra­tische Sozia­lismus aufblüht.

Der demo­kra­tische Sozia­lismus will die Eigen­tums­ver­hält­nisse nicht wie der rus­sische Sozia­lismus durch blutige Revo­lution umstürzen.

Er will den Sozia­lismus vielmehr nach und nach mittels par­la­men­ta­ri­scher Mehr­heiten her­bei­führen, ihn in kleinen Schritten Wirk­lichkeit werden lassen.

Die demo­kra­ti­schen Sozia­listen sagen, dass niemand Anspruch auf 100% der Erträge seiner Arbeit und seines Eigentums hat, sondern dass ein Teil davon der Gemein­schaft gehört und an den Staat abzu­führen ist.

Der demo­kra­tische Sozia­lismus ist die unan­ge­fochtene Ideo­logie unserer Zeit. Er findet sich – wenn­gleich auch in unter­schied­licher Aus­prägung – in allen Teilen der Welt: in den USA, Europa, Japan, Latein­amerika, Afrika.

Er sorgt dafür, dass der Staat immer stärker in Wirt­schaft und Gesell­schaft ein­greift – wie zum Bei­spiel in Bildung (Kin­der­garten, Schule, Uni­ver­sität), Gesundheit, Pen­sionen, Medien, Recht und Sicherheit, Geld und Kredit, Transport, Umwelt.

Der demo­kra­tische Sozia­lismus ist das Rezept par excel­lence, um einen „tiefen Staat“ („Deep State“) ent­stehen zu lassen; er ist eine Stra­tegie zur Gewinnung und Aus­weitung von Herr­schafts­macht, die sich vieler Anhänger erfreut.

Hinter ihm scharen sich gemä­ßigte Sozi­al­de­mo­kraten, radikale Neo- oder Kul­tur­mar­xisten, aber auch viele andere herr­schafts­süchtige Geister, die ihren Mit­men­schen Befehle erteilen und sie lenken wollen.

8.

Die demo­kra­ti­schen Sozia­listen können recht unge­stört ihre Sache vor­an­bringen, weil die meisten Men­schen meinen, alles sei gut, solange es demo­kra­tisch zugehe.

Was dabei jedoch leider über­sehen wird, ist, dass es in der Demo­kratie zu einer Olig­ar­chi­sierung kommt: zu einer Herr­schaft einiger weniger über die vielen.

Diese Ein­sicht for­mu­lierte der Soziologe Robert Michels (1876–1936) in „Zur Sozio­logie des Par­tei­wesens in der modernen Demo­kratie“. In diesem im Jahr 1911 erschienen Buch for­mu­liert Michels das „eherne Gesetz der Oligarchie”.

In Demo­kratien bilden sich, so argu­men­tiert Michels, Par­teien heraus. Par­teien sind Orga­ni­sa­tionen, und sie bedürfen der festen Führung.

Die über­nimmt eine kleine Gruppe von Men­schen – die besonders gewieft ist und den unbe­dingten Willen zur Macht hat. Über kurz oder lang sind es die wenigen, die den Par­tei­ap­parat beherrschen.

Es ent­steht eine olig­ar­chi­sierte Par­tei­elite. Weil sie den Par­tei­ap­parat von unten bis oben beherrscht, kann sie sich auch gegen Kritik von innen und außen wirksam immunisieren.

Die Par­tei­elite kann sich vom Partei- und Wäh­ler­votum ent­fernen, eigne Ziele ver­folgen, mit Lob­by­gruppen („Big Business“) koope­rieren, und der Wäh­ler­wille bleibt auf der Strecke.

Es bildet sich zudem ein Kartell zwi­schen den Par­teien heraus, das den Weg zur Olig­ar­chi­sierung der Demo­kratie ebnet und den Par­tei­o­lig­archen weit­ge­spannte Hand­lungs­spiel­räume eröffnet.

Die Par­tei­en­de­mo­kratie – wenn man sich von ihr die Selbst­be­stimmung der Wähler erhofft – ist also eine große Illusion, so Michels: In der Demo­kratie kommt es vielmehr zur Herr­schaft der Gewählten über die Wähler, der Beauf­tragten über die Auftraggeber.

Extreme Poli­tiken lassen sich dann umsetzen, die auf basis-demo­kra­ti­schem Wege nicht so ohne wei­teres möglich wären – wie der Abbau natio­nal­staat­licher Sou­ve­rä­nität zu Gunsten supra-natio­naler Insti­tu­tionen oder die „Politik der offenen Grenzen“.

9.

Es ent­steht nicht nur ein natio­nales, sondern auch ein inter­na­tio­nales Kartell der Par­tei­eliten – so lassen sich Michels Über­le­gungen weiterdenken.

Inter­na­tionale Insti­tu­tionen wie bei­spiels­weise die Ver­einten Nationen, der Inter­na­tionale Wäh­rungs­fonds und die Weltbank, aber auch Foren wie die G‑7 und die G‑20 sind das Ergebnis der poli­ti­schen Kartelldynamik.

Was alle demo­kra­ti­schen Sozia­listen eint, ist, dass die Men­schen ihr Leben nicht frei und selbst­be­stimmt führen dürfen; dass ihre Geschicke poli­tisch zu steuern sind – und zwar gemäß kol­lek­ti­vis­ti­schen-sozia­lis­ti­schen Idealen.

Die demo­kra­ti­schen Sozia­listen aller Schat­tie­rungen dulden oder drängen daher auch darauf, einen welt­weiten demo­kra­ti­schen Sozia­lismus zu errichten.

Allein schon des­wegen, weil die Leis­tungs­fä­higkeit iso­lierter demo­kra­tisch-sozia­lis­ti­scher Systeme nicht mit­halten kann mit der von kapitalistischen.

Doch wie lässt sich ein demo­kra­ti­scher Welt­so­zia­lismus schaffen?

Die demo­kra­ti­schen Sozia­listen könnten zum Bei­spiel ver­suchen, die Arbeits­märkte oder die Besteuerung von Unter­nehmen inter­na­tional zu ver­ein­heit­lichen; oder die Natio­nal­staaten abzu­schaffen, etwa durch poli­tisch gesteuerte Migration.

Doch beides ist schwierig und lang­wierig. Es scheint eine Abkürzung zu geben: Und zwar das Geld auf der Welt zu ver­ein­heit­lichen; also dafür zu sorgen, dass alle Men­schen das gleiche Geld verwenden.

Diese Idee haben die demo­kra­ti­schen Sozia­listen bereits „im Kleinen“ in Europa realisiert.

Hier haben 1999 elf Regie­rungen beschlossen, ihre natio­nalen Wäh­rungen in eine Ein­heits­währung, den Euro, zu überführen.

Mit dem Euro haben die demo­kra­ti­schen Sozia­listen die Blau­pause geliefert, um das, was ihnen „im Kleinen“ in Europa gelungen ist, auch weltweit „im Großen“ umzusetzen.

Die Idee, dass alle Men­schen auf der Welt das gleiche Geld ver­wenden, ist öko­no­misch gesehen durchaus ver­nünftig. Sie ist sogar optimal.

Denn die Wirt­schafts­rechnung, die in Geld aus­ge­führt wird, lässt sich dann best­möglich aus­schöpfen, zum Wohle aller, die in die inter­na­tionale Arbeits­teilung ein­ge­bunden sind.

So sinnvoll eine Welt­währung aber auch öko­no­misch ist, die ent­schei­dende Frage lautet: Wer soll das Ein­heitsgeld bereit­stellen? Der Staat oder die freien Märkte?

Stand heute ist die Frage rein rhe­to­risch, denn die Staaten haben das Geld­mo­nopol inne – und wollen es nicht mehr hergeben.

10.

Genauer gesagt: Die staat­lichen Zen­tral­banken, die im Dienste der olig­ar­chi­sierten Demo­kratien stehen, sind die Herren über das Geld.

Zwar wett­eifern auch andere macht­volle Gruppen darum, das Geld­mo­nopol für ihre eigenen Zwecke ein­zu­spannen – wie „Big Business“ und „Big Banking“.

Doch in einer Welt, in der der demo­kra­tische Sozia­lismus zur mehr­heitlich akzep­tierten Ideo­logie auf­ge­stiegen ist, erwächst daraus kein grund­sätz­licher Konflikt.

Regie­rungen und Groß­un­ter­nehmen und Groß­banken sind sich vielmehr einig und befür­worten die Schaffung eines Welt­ein­heits­geldes: Denn es stellt mehr poli­tische Macht­zen­tra­li­sierung und größere Märkte und Gewinne in Aussicht.

Rein prak­tisch gesehen lässt sich ein poli­ti­siertes Welt­ein­heitsgeld im Grunde nur aus den bereits vor­han­denen Fiat-Wäh­rungen konstruieren.

Deshalb setzen die Zen­tral­banken auch alles daran, dass inter­na­tionale Fiat­geld­system zu erhalten.

So ver­wundert es nicht, dass die Zen­tral­banken seit Ende 2008 auf den inter­na­tio­nalen Kre­dit­märkten nichts mehr anbrennen lassen. „Liqui­dität-Swap-Abkommen“ heißt ihre Wunderwaffe.

Im Zuge von Liqui­dität-Swap-Abkommen leihen Zen­tral­banken sich unter­ein­ander ihre Wäh­rungen in unbe­grenzter Höhe, damit sie sie an ihre hei­mi­schen Geschäfts­banken wei­ter­reichen können, wenn diese auf den Märkten keine Fremd­wäh­rungs­kredite mehr bekommen.

Die großen Zen­tral­banken der Welt haben ein Kartell gebildet, um mit ver­einten Mono­pol­kräften den wunden Punkt im inter­na­tio­nalen Fiat­geld­system aus­zu­merzen: den Kre­dit­ausfall im großen Stil.

Liqui­dität-Swap-Abkommen sind im Grunde nichts anderes als eine Vor­stufe zu einer ver­ein­heit­lichten Weltgeldpolitik.

11.

Rufen wir uns an dieser Stelle die Bot­schaften von Ludwig von Mises und Murray Rothbard noch einmal in Erinnerung:

Fiat-Geld zer­stört die freie Markt- und Gesell­schafts­ordnung; und es schafft sich nicht selbst ab.

Wie wahr! In den Dekaden des ent­fes­selten Fiat-Geldes ist das, was von der freien Markt- und Gesell­schafts­ordnung noch übrig war, immer weiter zurück­ge­drängt worden.

Und keine Finanz- und Wirt­schafts­krise hat ver­mocht, das Fiat-Geld­system aus den Angeln zu heben.

Doch kommt viel­leicht jetzt der Kollaps? Ist die Lockdown-Krise der Tropfen, der das Fass zum Über­laufen bringt? Um diese Fragen zu beant­worten, ist es hilf­reich zu betonen, dass Krise nicht gleich Krise ist.

Die Krise 2008/2009 war eine Kre­dit­krise: Inves­toren hatten Sorge, dass Schuldner ihren Schul­den­dienst nicht mehr leisten könnten.

Eine erneute Kre­dit­krise kann und wird das inter­na­tionale Zen­tral­bank­kartell sehr wahr­scheinlich verhindern.

Die Inves­toren gehen bereits davon aus, dass die Zen­tral­banken ein „Sicher­heitsnetz“ auf­ge­spannt haben, dass alle sys­tem­re­le­vanten Schuldner gerettet werden, dass es keine Groß­pleite geben wird.

In der Tat: Die Zen­tral­banken haben – und das ist eine wichtige Ein­sicht – die Kor­rek­tur­kräfte der Kapi­tal­märkte lahmgelegt.

Ein Zins­an­stieg, der die Schul­den­py­ramide umstoßen, der den großen gefürch­teten Bust aus­lösen könnte, ist quasi verunmöglicht.

Aller­dings ist eine Wäh­rungs­krise viel wahr­schein­licher geworden, da immer mehr Geld in Umlauf gebracht werden muss, um das System über Wasser zu halten.

Eine Wäh­rungs­krise bedeutet, dass die Men­schen dem Geld nicht mehr trauen, weil sie fürchten, dass es seine Kauf­kraft ver­liert. Es kommt zu einer „Flucht aus der Währung“.

Doch eine Wäh­rungs­krise besiegelt nicht schon not­wen­di­ger­weise das Ende des Fiat­geldes. Selbst wenn es zu sehr hoher Inflation oder gar Hyper­in­flation kommt.

Die Wäh­rungs­ge­schichte zeigt viele Bei­spiele, in denen die Kauf­kraft des Geldes durch Hyper­in­flation zwar stark her­ab­ge­setzt wurde, die Währung aber dennoch weiter umlief.

Man denke etwa an die öster­rei­chische Krone in den frühen 1920er Jahren; den chi­ne­si­schen Yuan in der ersten Hälfte der 1940er Jahre; den israe­li­schen Shekl in den frühen 1970er und 1980er Jahren; den Rus­si­schen Rubel und den bra­si­lia­ni­schen Real zu Beginn der 1990er Jahre. Sie alle hyper­in­fla­tio­nierten, aber sie alle gibt es heute noch.

Die gru­selige deutsche Erfahrung mit der Hyper­in­flation in den 1920er Jahren ist so gesehen ein Extrem­sze­nario – denn die Papiermark ging dabei tat­sächlich unter.

Die Reichsbank druckte so viele neue Bank­noten, dass die Men­schen davon aus­gehen mussten, die Geld­men­gen­ver­mehrung werde sich immer weiter beschleu­nigen, werde gar nicht mehr auf­hören. Die Papiermark verlor ihre Geldfunktion.

Wenn die Zen­tral­bankräte jedoch gerissen genug sind (und nicht so plump vor­gehen wie die Reichs­bankräte in den 1920er Jahren), dann können sie eine Inflation fabri­zieren, ohne dass das Fiatgeld untergeht.

Denn die Zen­tral­bankräte haben ganz erheb­liche Spiel­räume: Die Wäh­rungs­ge­schichte lehrt, dass die Preis­in­flation zeit­weise auch schät­zungs­weise 10 bis 15 Prozent pro Jahr betragen kann, ohne dass dadurch die Men­schen aus dem Geld fliehen.

12.

Ein wei­terer wich­tiger Gedanke an dieser Stelle: Inflation kann dem Staat und den von ihm begüns­tigten Son­der­in­ter­es­sen­gruppen dazu ver­helfen, noch macht­voller zu werden.

Denn was pas­siert, wenn die Inflation kräftig anzieht, wenn alles teurer wird, wenn die breite Bevöl­kerung sich das Gewohnte nicht mehr leisten kann?

Es werden Sün­den­böcke gesucht. Und viel­leicht werden der amtie­rende Prä­sident oder die regie­rende Kanz­lerin zum Teufel gejagt.

Aber in der Stunde der Not fordern die Massen wahr­scheinlich nicht weniger Staat und auch nicht das Ende des Fiat-Geldes – zumindest wenn man von der heute vor­zu­fin­denden Gesinnung in Politik und Gesell­schaft ausgeht.

Es wird ver­mutlich nach einem bes­seren Staat und nach bes­seren Poli­tikern gerufen!

Krisen, besonders große Krisen, sind ein Wachs­tums­elixier für den Staat – und sie treiben auch die Schaffung einer Welt­ein­heits­währung, ins­be­sondere wenn sie zur „Crash-Ver­hin­derung“ ange­priesen wird, voran.

13.

Es gibt eine ganze Reihe von Pro­gnosen zu den wirt­schaft­lichen und finan­zi­ellen Folgen von Corona und der Lockdown-Krise.

Mir scheint, dass viele von diesen Zukunfts­ein­schät­zungen die Kri­sen­träch­tigkeit des Fiat­geld­systems sehr wohl und gut durch­schaut haben.

Was aller­dings häufig unter­schätzt wird, so mein Ein­druck, ist die Macht und die Ruch­lo­sigkeit der olig­ar­chi­sierten Demo­kratien, wenn es gilt, ihr System vor dem Ein­sturz zu bewahren.

Das ist auch der Grund, warum ich die Wahr­schein­lichkeit für einen unmit­telbar bevor­ste­henden Wäh­rungs-Crash, für ein bal­diges Ende des Papier­geldes, als relativ gering ein­schätze. Wohl­ge­merkt: Nicht auf null Prozent, aber doch eben recht gering.

Mir erscheint es viel wahr­schein­licher, dass den Regie­renden und Regierten kein Preis zu hoch sein wird, den Papiergeld- und Sys­tem­kollaps abzu­wenden durch einen quasi unbe­grenzten „Bail Out“.

Er wird bekämpft, indem zum Bei­spiel die Dau­men­schrauben der finan­zi­ellen Repression noch stärker ange­zogen werden.

Man gibt Heli­ko­ptergeld aus, spült der Bevöl­kerung neues Geld (zum Bei­spiel als bedin­gungs­loses Grund­ein­kommen) auf ihre Konten, lässt sie damit teil­haben an der Geld­men­gen­ver­mehrung und ver­längert so ihre Systemtreue.

Sys­tem­re­le­vanten Banken werden unbe­grenzte Finanz­spritzen verabreicht.

Bank­kunden können ver­mutlich schon bald ihre Gut­haben 1:1 in digi­tales Zen­tral­bankgeld ein­tau­schen, die Sorge vor einem Bank Run ist damit passé.

Groß­un­ter­nehmen, aber auch kleinere und mittlere Firmen bekommen neue Kredite, wo nötig auch eine staat­liche Hilfsbeteiligung.

Wie das finan­ziert wird? Mit neuen Staats­schulden, die die Zen­tralbank mit neu geschaf­fenen Geld bezahlt.

Das wird natürlich die Güter­preis­in­flation in die Höhe treiben – in Form von Kon­sum­gü­ter­preis­in­flation oder Ver­mö­gens­preis­in­flation, wahr­scheinlich aber einer Kom­bi­nation aus beiden.

Und sollte die Güter­preis­in­flation zu stark ansteigen, führt man Preis­kon­trollen oder Preis­stopps ein – für zum Bei­spiel Lebens­mittel, Mieten und Löhne (so wurde bei­spiels­weise in den USA Anfang der 1970er Jahre vorgegangen).

Das bittere Ergebnis all dessen ist: Der Kampf gegen den Kollaps des Papier­geld­systems und der Aus­wüchse, die es gebracht hat, trans­for­miert die west­liche Welt in eine Len­kungs- und Befehls­wirt­schaft – ganz ähnlich der, die die Natio­nal­so­zia­listen im Dritten Reich errichteten.

Hier galt: Das Eigentum an den Pro­duk­ti­ons­mitteln blieb zwar formal erhalten, doch der Staat – durch Gesetze, Regu­lie­rungen und Vor­gaben – lenkte Pro­duktion und Ver­teilung zuse­hends nach seinem Willen.

Dieser Weg – der Weg in die Befehls- und Len­kungs­wirt­schaft – lässt sich, so fürchte ich, noch einige lange Jahre beschreiten, ohne dass es zu einem Ende des Fiat­geldes, zu einem System-Crash kommt.

Und damit haben Sie nun auch die Erklärung, warum der Vortrag den Titel trägt: „Ohne Bail-Out System-Crash. Mit ihm die Knechtschaft“.

14.

Abschließend noch ein paar Gedanken über die Geld­anlage in den 1 bis 2 Jahren, die vor uns liegen.

Eine der größten Her­aus­for­de­rungen für Anleger ist es, mit dem Geld­wert­schwund umzu­gehen. Die Kauf­kraft von US-Dollar, Euro und Co wird schrumpfen, und zwar sehr viel stärker als in den letzten zwei Dekaden.

Eine Mög­lichkeit, der Geld­ent­wertung zu ent­gehen, ist das Halten von Gold und Silber (in phy­si­scher Form). Gold kann nicht von der Zen­tral­bank­po­litik ent­wertet werden.

Es trägt auch kein Zah­lungs­aus­fall­risiko. So gesehen ist Gold eine Ver­si­cherung mit Wert­stei­ge­rungs­po­tential. Es wird ganz bestimmt auch eine neu­er­liche Papier­geld­ent­wertung überstehen.

Wenn Sie meine Zukunfts­ein­schätzung teilen, dann sollten Sie auch darüber nach­denken, in Aktien zu inves­tieren, im ein­fachsten Fall in einen diver­si­fi­zierten Weltaktienmarkt-Index.

Warum? Wenn Sie Pro­duk­ti­vi­täts­ka­pital besitzen, nehmen sie am Wohl­stands­zu­wachs teil – und der ist auch in einer Len­kungs­wirt­schaft noch möglich, wenn­gleich stark ver­mindert. (Bei­spiel: Von 1933 bis 1939 stieg der deutsche Akti­en­markt um jah­res­durch­schnittlich etwa 6,3% ohne Dividenden.)

Zudem werden die Kurse auf dem Akti­en­markt (wie auch die Preise für Immo­bilien) sehr wahr­scheinlich durch den fort­ge­setzten Null­zins­wahnsinn weiter ansteigen.

Den Grund dafür erklärt diese Formel:

P = D / i.

Sie besagt, dass der Preis (P) eines Ver­mö­gens­gutes (Aktien, Anleihe oder Haus) sich errechnet, indem man alle künf­tigen Ein­zah­lungen (D) mit dem Zins (i) abdis­kon­tiert.

Bei­spiel: Sie bekommen jedes Jahr 1000 Euro bis in die Unend­lichkeit. Ist der Zins 5%, dann ist der Barwert der Zah­lungs­reihe 20.000 Euro (also 1000 / 0,05).

Fällt der Zins auf 4%, steigt der Barwert auf 25.000 Euro. Und rutscht der Zins auf 1% ab, klettert der Barwert auf 100.000 Euro.

Die Null- und Nega­tiv­zins­po­litik ist zwar längst dabei, die Ver­mö­gens­preise in die Höhe zu treiben – Aktien, Häuser, Grund­stücke –, und ver­stärkt wird das noch durch das Aus­weitgen der Geldmenge.

Doch dieser Prozess ist, so denke ich, noch nicht abge­schlossen. Eine ganze Reihe von Zinsen in den Kon­su­menten- und Unter­neh­mens­kredit- und Hypo­the­kar­märkten kann (und wird) noch gesenkt werden.

Kon­se­quent zu Ende gedacht führt das, was ich hier ange­dacht habe, in eine Null­ren­di­tewelt – in der nicht nur die Zinsen auf der Null­linie liegen, sondern auch die Ver­mö­gens­preise so stark infla­tio­nieren, dass die­je­nigen, die sie zu diesen infla­tio­nierten Niveaus kaufen, keine positive Rendite mehr werden erzielen können.

15.

Sehr ver­ehrte Damen, sehr geehrte Herren, damit bin ich am Ende meines Vortrages.

Die Zukunft ist für uns Men­schen weit­gehend unsicher. Das gilt auch für meine in die Zukunft gerich­teten Ein­schät­zungen, die ich Ihnen vor­ge­tragen habe.

Das liegt nicht nur an der Unsi­cherheit künf­tiger Gescheh­nisse, sondern auch am Phä­nomen der Selbst­ne­gation, das es im Bereich des mensch­lichen Handels gibt: Die Pro­phe­zeiung tritt deshalb nicht ein, weil ihre Ver­kündung die Men­schen ver­an­lasst, ihr Ver­halten zu ändern.

Ich jeden­falls wäre höchst erfreut, wenn meine Aus­füh­rungen genau dazu einen wirk­samen Beitrag leisten: dass es anders kommt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[1] Siehe hierzu z. B. Brandt, T., Mil­timore, J. (2019), Herbert Marcuse: The Phi­lo­sopher Behind the Ideology of the Anti-Fascists, Foun­dation for Eco­nomic Edu­cation, 1 February.

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Thorsten Polleit, Jahrgang 1967, ist seit April 2012 Chef­volkswirt der Degussa. Er ist Hono­rar­pro­fessor für Volks­wirt­schafts­lehre an der Uni­ver­sität Bay­reuth, Adjunct Scholar am Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Alabama, Mit­glied im For­schungs­netzwerk „Research On money In The Economy“ (ROME) und Prä­sident des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Er ist zudem aktiv als Investor und Investment Advisor für insti­tu­tio­nelle Inves­toren. Die private Website von Thorsten Polleit ist: www.thorsten-polleit.comHier Thorsten Polleit auf Twitter folgen.

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Quelle: misesde.org