In den vergangen 15 Jahren gab es immer wieder Probleme mit der Gasversorgung der EU, weil die Ukraine den Gastransit als Druckmittel eingesetzt hat. Es war nicht etwa Russland, das sein Gas je verkaufen möchte, sondern die Ukraine, die bessere Bedingungen für sich selbst herausschlagen wollte, was einige Male sogar zu vorübergehenden Engpässen bei der Gasversorgung in Südosteuropa geführt hat. Mit anderen Pipelines aus Russland gibt es derartige Probleme nicht, nur der Transit durch die Ukraine macht immer wieder Probleme. Die Geschichte der Gaskonflikte habe ich hier ausführlich beschrieben.
Aus diesem Grunde wurde seinerzeit Nord Stream gebaut: Deutschland wollte sich von der Abhängigkeit durch Transitländer befreien und seine steigende Nachfrage nach Gas über einen sicheren Weg befriedigen. Und weil die Nachfrage nach Gas weiter steigt, wird derzeit Nord Stream 2 gebaut.
Auch die Staaten Südosteuropas, die unter den Engpässen durch die ukrainischen Spielchen gelitten haben und einige Male im Januar tagelang ohne Heizung waren, haben sich eine Alternative gewünscht. Zunächst sollte es South Stream durch das Schwarze Meer nach Bulgarien geben, was die EU aber 2014 im Zuge der Ukraine-Krise gestoppt hat. Daraufhin haben die Russen sich mit der Türkei auf Turk Stream geeinigt, die Pipeline von Russland durch die Türkei bis Istanbul ist bereits fertig gebaut.
Der Vertrag über den Gastransit durch die Ukraine läuft Ende 2019 aus, derzeit laufen die Verhandlungen zwischen Russland, der EU und der Ukraine über einen neuen Vertrag. Jedoch gestalten sich die Verhandlungen aufgrund der ukrainischen Forderungen schwierig. Die bankrotte Ukraine hat die Wartung der Pipeline jahrelang vernachlässigt und möchte diese Kosten an Russland oder die EU übertragen und gleichzeitig auch noch mehr Geld für den Transit haben. Der russische Energieminister nannte die letzten Gespräche zwar „konstruktiv“, aber eine Lösung ist noch nicht gefunden.
Der ukrainische Energieminister wies auf „wirtschaftliche Streitpunkte“ hin und sagte, es könnte auch sein, dass kein Vertrag unterschrieben wird. Dabei gab er ganz offen zu, dass das die Energiesicherheit Europas bedrohen würde. Viel deutlicher kann eine Drohung nicht ausgesprochen werden.
Die südeuropäischen Staaten haben nun ebenfalls beschlossen, sich von der Ukraine unabhängig zu machen und einen Vertrag über eine Verlängerung der Turk Stream Pipeline über Bulgarien bis Serbien geschlossen. Wie wichtig den Ländern das ist, zeigt sich daran, dass diese Pipeline, sie wird Balkan Stream heißen und fast 400 Kilometer lang werden, schon Anfang 2020 fertig sein soll. Das wäre wirklich rekordverdächtig!
Offensichtlich macht man sich in Südosteuropas ernsthafte Sorgen um die Versorgung durch die Ukraine und setzt alle Hebel in Bewegung, um schnellstmöglich eine Alternative zu haben.
Die USA, die mit allen Mitteln versuchen, ihr teureres Fracking-Gas in Europa zu verkaufen und mit allen Mittel gegen Nord Stream 2 ankämpfen, scheinen zumindest bisher von den Problemen mit dem ukrainischen Gastransit nicht zu profitieren.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“
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