Mehrfach habe ich an dieser Stelle auf die Zombifizierung der europäischen Wirtschaft verwiesen. So in diesem Beitrag der auch bei manager magazin online erschien: → „Totentanz der Zombies“
Nun haben sich Wissenschaftler das Thema vertieft angesehen:
- „Der Beitrag zeigt, dass im Schatten der anhaltenden Geldflut der EZB die Anzahl sogenannter Zombie-Banken, Zombie-Unternehmen und Zombie-Staaten gewachsen ist. Diese Entwicklung kommt einem Übergang zu planwirtschaftlichen Strukturen gleich und erschwert den Ausstieg aus der sehr lockeren Geldpolitik.“
– Stelter: Ich würde sagen: verunmöglicht! - „(…) in der Vergangenheit haben die Zinssenkungen in Reaktion auf Finanzkrisen die Märkte zwar stabilisiert, aber auch den Nährboden für neue Übertreibungen geschaffen. Beispielsweise ermutigten die starken Zinssenkungen der EZB in Reaktion auf das Platzen der Dotcom-Blase (2000) ab 2003 in Südeuropa ein übermäßiges Kreditwachstum und viele Investitionen mit geringer Rendite. (…) Als die EZB ab dem Jahr 2006 die Leitzinsen erhöhte, hob sie die Messlatte für die Rentabilität aller Investitionsprojekte an. Viele erwiesen sich als unrentabel. (…) Die europäische Finanz- und Schuldenkrise nahm ihren Lauf.“
– Stelter: So einfach ist es. - „Als Krisentherapie wurden die Leitzinsen gegen null gesenkt und in großem Umfang Staatsanleihen gekauft. Zwar hat die Finanzmarktaufsicht durch umfassende neue Regulierung eine erneute unvorsichtige Kreditvergabe der europäischen Banken verhindert. Doch sind neue Risiken im Unternehmenssektor entstanden. Viele große Unternehmen haben die extrem niedrigen Zinsen dazu genutzt, mit billigen Krediten zu überhöhten Preisen Konkurrenten aufzukaufen.“
– Stelter: oder eigene Aktien, das aber mehr in den USA. - „Im Ergebnis ist in den USA die Verschuldung der Unternehmen von 3356 Milliarden Dollar (2008) auf 6005 Milliarden Dollar (2017) gestiegen. In China, das (noch) Wachstumsmotor der Weltwirtschaft ist, ist die Unternehmensverschuldung von 132 Milliarden Dollar (2008) auf 2001 Milliarden Dollar (2017) angewachsen. Steigen die Zinsen, dann steigen für die hoch verschuldeten Unternehmen auch die Zinslasten. Das würde sie zwingen, die Investitionen zurückzufahren, Mitarbeiter zu entlassen, Löhne zu kürzen und Preisdruck auf die Zulieferer auszuüben.“
– Stelter: genau. Dann geht es nur noch um Liquidität, nicht um Gewinn. Inhärent deflationär. - „Die Schuldenkrise in den Unternehmenssektoren der USA und Chinas könnte sich schnell zur globalen Unternehmenskrise ausweiten.“
– Stelter: zur globalen Rezession mit deflationärem Druck. - „Mit Zinserhöhungen scheint also der neue große Krach vorprogrammiert – diesmal ausgehend vom Unternehmenssektor. Die Krise könnte sich in einigen Ländern schnell auf den öffentlichen Sektor übertragen. Das erklärt die homöopathischen Änderungen in den öffentlichen Erklärungen der EZB und bei den Zinsschritten der Fed. (…) Jede größere Erschütterung auf den Weltfinanzmärkten dürfte bewirken, dass die Zinserhöhungen gleich wieder ausgesetzt werden. Das dürfte damit gerechtfertigt werden, dass die Inflationsrate im Euroraum (und anderswo) immer noch deutlich unter dem selbstgesteckten Ziel von 2% liegt. Es ist wie in Japan langfristig ein Szenario denkbar, in dem die Zentralbank bei niedriger Inflation den Zins immer weiter bei null hält und ihren Bestand an Staats- und Unternehmensanleihen immer weiter ausdehnt. Der Vorteil wäre, dass der große Krach vermieden wird.“
– Stelter: Und so wird es kommen. Nur sind wir nicht so homogen und leidensbereit wie die Japaner. - „2008 tauchte der Begriff der Zombie-Unternehmen mit Blick auf Japan auf, wo die Blase auf den Aktien- und Immobilienmärkten bereits 1990 geplatzt ist. Gemeint sind Unternehmen, die Kredite nicht mehr tilgen, Zinszahlungen nicht mehr bedienen und ohne (versteckte) staatliche Subventionen Verluste machen. Sie werden künstlich am Leben gehalten, indem die Geschäftsbanken bei der Kreditvergabe das Ausfallrisiko nicht mehr einpreisen.“
– Stelter: was auch daran liegt, dass die Banken selber Zombies sind und die Verluste nicht realisieren können! - „Inzwischen machen jedoch zwei Drittel der japanischen Unternehmen zu wenig Gewinne, um Steuern zu zahlen. Der stetige Rückgang der Konkurse zeugt davon, dass dringend notwendige Restrukturierungen im japanischen Unternehmenssektor auf breiter Front unterbleiben. Der Anteil der Unternehmen, die aus dem Markt aus- und eintreten ist in Japan mit etwa 5 % nur halb so groß wie in anderen entwickelten Volkswirtschaften.“
– Stelter: Und wir entwickeln uns in diese Richtung. - „Da die Zombie-Unternehmen versteckt subventioniert werden, wird der Wettbewerb auf Kosten der leistungsfähigen Unternehmen verzerrt. Die Zinssubventionen für die Unternehmen tragen zu geringen Preisen und damit zu den niedrigen Inflationsraten bei, die eine Fortsetzung der ultralockeren Geldpolitik der Bank von Japan rechtfertigen. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist eine wachsende Zahl an Unternehmen, die Ressourcen binden ohne zum Produktivitätswachstum beizutragen.“
– Stelter: Es ist wie bei einem toten Fisch, der für alle das Wasser vergiftet. Allerdings muss man darauf hinweisen, dass in Japan in den letzten Jahren das BIP pro Kopf aus der Gruppe der Industrieländer am schnellsten gewachsen ist. Es gibt also dynamische Bereiche im Land. - „Als Folge des anhaltend niedrigen Zinsniveaus wird nun auch Europa von Zombies bedroht. Dieser Prozess wird mit Hilfe der geänderten EU-Richtlinie 2012/30/EU erleichtert. Wie in Japan, ist die nachsichtige Kreditvergabe oft politisch erwünscht.“
– Stelter: Natürlich ist es das! - „In Italien und Spanien hat sich der Anteil von Zombie-Unternehmen am Kapitalstock aller Unternehmen zwischen 2007 und 2013 mehr als verdoppelt (siehe Tabelle 1). Nach Adalet McGowan, et al. (2017) überschreitet der Anteil der Zombie-Unternehmen in Deutschland bereits den in Japan. Denn aufgrund anhaltend niedriger Zinsen werden Kredite an wenig produktive Unternehmen aufrechterhalten. Anreize die Produktivität zu steigern schwinden. Jungen, innovativen und dynamischen Unternehmen stehen weniger Ressourcen zur Verfügung.“
- „Acharya, et al. (2017) zeigen, dass viele Banken, die indirekt durch das Anleihekaufprogramm der EZB (2550 Mrd. Euro von Januar 2013 bis September 2018) rekapitalisiert wurden, ihre bestehenden Kredite an unproduktive Unternehmen ausweiteten. Adalet McGowan, et al. (2017) beschreiben, wie der wachsende Anteil an Zombie-Unternehmen negativ auf die Produktivität und das langfristige Wachstum in Europa wirkt. Mahtani et al. (2018) zeigen, dass die Kreditversorgung unproduktiver Unternehmen nur zum derzeit niedrigen Zinsniveau möglich ist. Bei einem Anstieg des Zinses, wie etwa in den USA, würden faule Kredite aufgedeckt, was Bankrotte oder Restrukturierungen erzwingen würde.“
– Stelter: Und genau deshalb wird es nicht dazu kommen. - Zombie-Banken“.. haben keinen Anreiz den Zombie-Unternehmen die Kredite zu entziehen, weil sonst der Berg ihrer öffentlich ausgewiesenen faulen Kredite steigen würde. Die Zombie-Banken könnten sich dann nur zu deutlich höheren Zinsen refinanzieren. Möglicherweise würden die Kunden ihre Einlagen abziehen und die Banken ins Wanken bringen. Niinimaki (Evergreening in Banking, 2007) zeigt, dass Banken mit faulen Krediten sogar Gewinne machen können, obwohl sie de facto insolvent sind. Mit Hilfe von billigen Krediten blähen diese wie in einem „Glücksspiel der Auferstehung“ ihre Bilanzen auf, um den Anteil der faulen Kredite am Gesamtkreditvolumen zu senken.“
– Stelter: Ich traue keiner Bank über den Weg. - „2017 betrug der Anteil der als notleidend ausgewiesenen Kredite an der gesamten Kreditsumme in Griechenland 47 %, in Zypern 34 %, in Portugal 18 % sowie in Italien 12 % (Deutschland derzeit 2 %). Die geldpolitischen Rettungsmaßnahmen der EZB, die den Finanzmarkt eigentlich stabilisieren sollen, verschlimmern das Problem, weil sie die Marge zwischen Kredit- und Einlagezinsen (als wichtigste Einkommensquelle der Banken) drücken, was am Eigenkapital zehrt.“
– Stelter: Der Versuch, Schaden zu verhindern, führt zu massiv größeren Schäden. Aber so ist das mit der Politik. - „Steiner et. al (2017) zeigen, dass ein wachsendes Volumen der Anleihekäufe der EZB die Obergrenze der TARGET2-Salden anhebt. Damit sind „Zombie-Staaten“ wie Italien entstanden (Freytag, 2014), die nur überlebensfähig sind, weil die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank äußerst locker ist und die TARGET2-Salden nicht – wie in den USA15 –geschlossen werden müssen.“
– Stelter: Wir haben die Budgetrestriktion aufgehoben. Geld für alle! - „Weil in den sozialistischen Staaten Bankrotte der staatseigenen Betriebe nicht erwünscht waren, gewährten die staatlich kontrollierten Banken bedingungslose Kredite. Die Verluste der Staatsbanken wurden durch die Notenpresse gedeckt.“
– Stelter: Das Ende ist bekannt! Der vollständige Konkurs. - „Indem die Europäische Zentralbank in Europa immer mehr Zombies heranzüchtet und die Regulierung ausgeweitet wird, wird der schleichenden Rückkehr der Planwirtschaften der Weg geebnet.“
– Stelter: mit allen damit verbundenen Konsequenzen. - „Weil mit der sinkenden Effizienz der Unternehmen die Produktivitätsgewinne gegen null konvergieren (siehe Abbildung 4), ist das nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Basis von beachtlichen Produktivitätsfortschritten erreichte Wohlstandniveau nicht mehr für alle zu sichern. Die Politiker, die sich darauf spezialisiert haben, Teile dieser Produktivitätsgewinne umzuverteilen, stoßen an Grenzen. Um ihre großzügigen Versprechungen zu halten, greifen sie – bewusst oder unbewusst – zur Notenpresse.“
– Stelter: So ist es!
- „Ein Ausweg aus diesem Teufelskreis von expansiver Geldpolitik, negativen Wachstums‑, und Verteilungseffekten sowie zusätzlichen Staatsausgaben und Interventionen in den Wirtschaftskreislauf kann nur die Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Prinzipien sein. Dies setzt eine stabile Währung und damit den Ausstieg aus den sehr lockeren Geldpolitiken voraus, wie er bisher nur von der US- amerikanischen Fed – wenn auch zögernd –angegangen worden ist.“
– Stelter: Das ist völlig theoretisch und undenkbar. Es bedeutet, freiwillig in die schwere Rezession zu gehen. Da spielen alle lieber weiter auf Zeit, machen das Problem größer und die kommende Krise unfassbar. Es wird ein deflationärer Sturm.
→ Austrian Institute: „Europäische Geldpolitik und Zombifizierung“, 2. Juli 2018
Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com