Unab­hängige Medien? Die zen­sierten ver­schwun­denen 30 000 Ausreisepflichtigen

„Eine Zensur findet nicht statt“, ver­spricht das Grund­gesetz, das noch nicht sub­stan­ziell ver­ändert wurde. Wie kommt es dann, dass GMX einen Artikel binnen weniger als 24 Stunden so ver­ändert, dass sein Inhalt wieder staats­konform ist? Am 02.11.2017 um 08:33 Uhr wurde fol­gende GMX-Meldung ver­öf­fent­licht: „Flücht­linge: Regierung weiß nicht, wo 30.000 abge­lehnte Asyl­be­werber sind“

https://www.gmx.net/magazine/politik/fluechtlinge-regierung-weiss-30000-abgelehnte-asylbewerber-32608256

Darin heißt es, dass etwa 30.000 abge­lehnte, aus­rei­se­pflichtige Asyl­be­werber ver­schwunden sind. Ob aus­ge­reist oder abge­taucht, kann niemand sagen. Diese Infor­mation, die zuvor von Bild ver­öf­fent­licht worden war, stammte aus dem Bun­des­in­nen­mi­nis­terium. Den regie­rungs­amt­lichen Angaben zufolge sind laut Aus­län­der­zen­tral­re­gister mit Stand Dezember 2016 rund 54.000 Per­sonen als aus­rei­se­pflichtig gemeldet. Aber nur rund 23.000 der voll­ziehbar aus­rei­se­pflich­tigen Per­sonen haben dem Sta­tis­ti­schen Bun­desamt zufolge 2016 Leis­tungen nach dem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­gesetz bezogen.
GMX zitiert aus einer par­la­men­ta­ri­schen Anfrage der Linken-Abge­ord­neten Ulla Jelpke.
Aus der Anfrage geht auch ein anderer, der Öffent­lichkeit weit­gehend unbe­kannter Fakt hervor: Es gibt staatlich geför­derte Aus­reisen. In den ersten neun Monaten des Jahres waren es fast 25.000 finan­ziell geför­derte Aus­reisen. Dazu kommen auch Leute, die ohne staat­liche Unter­stützung unser Land ver­lassen. Min­destens 10.000 frei­willige Aus­reisen wurden erfasst.
Während man bei den frei­willig Aus­ge­reisten davon aus­gehen kann, dass sie dau­erhaft fern bleiben, sieht das bei den staatlich geför­derten Transfers in die Heimat offenbar anders aus.
Eine lang­jährige ehren­amt­liche Flücht­lings­hel­ferin hat mir erzählt, dass fast alle der von ihr betreuten Roma­fa­milien aus dem Balkan in der ersten Jah­res­hälfte finan­ziell gefördert aus­ge­reist sind, mit zur Ver­fügung gestellten LKWs, die randvoll mit Spenden bepackt waren. Jetzt sind sie alle wieder da und stellen neue Asyl­an­träge. Es gibt sicher keine Sta­tistik, wie viele „Schutz­su­chende“ dieses lukrative Aus- und Ein­rei­se­ka­russell betreiben. Die Flücht­lings­helfer, die das wissen, werden nicht gefragt.
Zurück zu GMX. Für seinen Artikel ist der GMX-Schreiber anscheinend vom (offi­ziell natürlich nicht exis­tie­renden) Zensor gerügt worden, was ihn wohl wieder auf Linie gebracht hat. Er leistete umgehend Abbitte für seine Unbot­mä­ßigkeit. Das Ergebnis: Genau 12 Stunden später um 18:32 Uhr kam von GMX brav die Gegen­dar­stellung: „Flücht­linge: Abge­tauchte Asyl­be­werber? Kom­plexe Sta­tis­tiken und Politik mit Zahlen“

https://www.gmx.net/magazine/politik/fluechtlinge-abgetauchte-asylbewerber-komplexe-statistiken-politik-zahlen-32609466.

Diesmal mit dem jetzt poli­tisch ganz kor­rekten Satz: „Der eigent­liche Skandal sei aber, ‚dass bei Aus­rei­se­pflich­tigen seit Jahren mit fal­schen und über­höhten Zahlen Politik gemacht und eine gefähr­liche Abschie­be­stimmung im Land geradezu her­bei­ge­redet wird‘.“
Pein­licher geht es nicht. Der Qua­li­täts­jour­nalist ist sich sicher nicht im Klaren gewesen, dass in einem anderen Zusam­menhang sein Satz wieder nicht ganz unge­fährlich ist. Denn im „Regie­rungs­pro­gramm der Union“ steht: „Wir ver­stärken unsere Bemü­hungen, die­je­nigen zurück­zu­führen und gege­be­nen­falls abzu­schieben, deren Anträge auf Asyl rechts­kräftig abge­lehnt werden.“ Und noch gefähr­licher: „Wir haben die Abschiebung von Straf­tätern erleichtert.“
Hat die Union damit am Ende etwa gar eine „Abschie­be­stimmung“ herbeigeredet?
Tja, man hat’s halt nicht leicht in diesen Tagen als poli­tisch kor­rekter, regie­rungs­treuer Qualitätsjournalist!

Vera Lengsfeld / vera-lengsfeld.de