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Nach der Wahl ist vor der Wahl — Ein Kom­mentar von Vera Lengsfeld

Nach einer Blitz­um­frage sind mehr als die Hälfte der Wähler unzu­frieden mit dem Ergebnis der Bun­des­tags­wahlen. Es war eine Ansage, aber sie war nicht klar genug. Die Union hat stark ver­loren, ist aber mit großem Abstand die stärkste Partei geworden. Das liegt daran, dass es zwei Par­teien sind, die ihre Stimmen addieren. Wenn die SPD mit der Linken ein ähn­liches Frak­ti­ons­bündnis geschlossen hätte, lägen die beiden „Volks­par­teien“ fast gleichauf. Die Union erreichte 33%, die SPD/Linke käme auf 31,2.

Wer gehofft hatte, dass Kanz­lerin Merkel die Ver­ant­wortung für das his­to­risch schlech­teste Ergebnis seit 1949 über­nehmen würde, sah sich getäuscht. Fröhlich ver­kündete die Kanz­lerin, die Union hätte einen Regie­rungs­auftrag erhalten und werde den wahr­nehmen. Als einzige Option hat sie aller­dings nur die soge­nannte Jamaika- Koalition aus Union, FDP und Grünen.

Die wird schwierig, denn Minis­ter­prä­sident See­hofer musste am Wahl­abend zur Kenntnis nehmen, dass etliche Wähler ihn durch­schaut haben. Seinen vielen Ankün­di­gungen in der soge­nannten Flücht­lings­krise folgte keine einzige Tat. Nun muss die CSU liefern, wenn die Land­tagswahl in Bayern im nächsten Jahr kein Desaster werden soll. In Bayern ist die AfD am stärksten in den alten Bun­des­ländern, das setzt die CSU mächtig unter Druck.

FDP und Grüne, wenn sie ihre Ankün­di­gungen vor der Wahl ernst nehmen würden, dürften keine Koalition ein­gehen. Es wird diesmal keine Mög­lichkeit geben, wie im Koali­ti­ons­vertrag der GroKo, einfach alle For­de­rungen neben­ein­ander ins Papier zu schreiben. Das ist zwar geduldig, aber wenn die FDP die Deindus­tria­li­sie­rungs­stra­tegie der Grünen duldet, wird sie end­gültig aus dem Bun­destag fliegen. Ein zweites Revival wird es dann nicht geben. Umge­kehrt , wenn die Grünen ihre For­derung nach Abschaffung des Ver­bren­nungs­motors auf­geben, droht ihnen der Verlust ihres Stamm­kli­entels. Die Koali­ti­ons­ver­hand­lungen werden spannend und sollten von der Gegen­öf­fent­lichkeit auf­merksam begleitet werden.

Die AfD ist stark genug in den Bun­destag ein­ge­zogen, um eine neue Große Koalition zu ver­hindern. die SPD will in die Oppo­sition gehen und sei es nur, um die AfD nicht zur stärksten Oppo­si­ti­ons­partei werden zu lassen. Niemand hatte Pro­bleme damit, dass in der ver­ge­henden Legis­la­tur­pe­riode die SED-Linke den Vorsitz im Haus­halts­aus­schuss hatte, wo sie prompt ver­sagte. Aber der AfD die Kon­trolle der Staats­fi­nanzen zu über­lassen, kommt für die Alt­par­teien nicht in Frage. Die könnte ihre Kon­troll­funktion viel­leicht ernst nehmen.

Ich bin fest über­zeugt, dass die AfD unter ihren Mög­lich­keiten geblieben ist. ein paar mehr Prozent wären drin gewesen, wenn nicht auf den letzten Metern Alex­ander Gauland und seine Scharf­macher bür­ger­liche Wähler mit ihrer Rhe­torik abge­schreckt hätten. Frauke Petry hat mit ihrem gemä­ßigten Kurs das Direkt­mandat gewonnen, obwohl ihre radi­kalen Par­tei­feinde sogar dazu auf­ge­rufen haben, ihr nicht die Erst­stimme zu geben. Die Wähler haben damit ein­deutig gezeigt, was sie von der AfD erwarten: Klare Kante in der Sache, aber moderat im Ton. Petrys Auf­tritt auf der heu­tigen Press­kon­ferenz hat sie aller­dings ins hoff­nungslose Abseits gestellt.

Trotzdem sollte die Partei genau hin­sehen. Über 60% haben AfD gewählt, weil sie von den Alt­par­teien ent­täuscht sind. Diese Wähler müssen über­zeugt werden, dass sie ihr Kreuz nicht umsonst bei den Blauen gemacht haben. Leider hat sich Gauland am Wahl­abend wieder im Ton ver­griffen, indem er davon sprach, die Partei wolle die Regierung „jagen“. Wenn Gauland und sein Zirkel nicht ent­schärft werfen, droht der AfD das Schicksal der Schill-Partei.

Abge­sehen davon, gibt es all­ge­meine Schluss­fol­ge­rungen, die aus dieser Wahl zu ziehen sind.

Wir brauchen dringend eine Deckelung der Abge­ord­ne­tenzahl im Bun­destag. Es gab in der Wahl­pe­riode 1994 ‑1998 eine Par­la­ments­reform, die eine Deckelung der Abge­ord­ne­tenzahl bei 500 vorsah. Die ist nie in Kraft getreten. Dafür wurden die soge­nannten „Aus­gleichs­mandate“ ein­ge­führt, die für die Auf­blähung des Bun­des­tages sorgen. Aktuell liegt die Abge­ord­ne­tenzahl bei über 700.

Wir brauchen eine Amts­zeit­be­grenzung für die Kanz­lerin. Zwei Amts­zeiten sind genug! Nur wenn es eine Amts­zeit­be­grenzung  gibt, kann ver­hindert werden, dass talen­tierte Poli­tiker weg­ge­bissen werden, weil sie eine Gefahr für die ewigen Amts­in­haber darstellen.

Deshalb muss auch die Zeit der Abge­ord­neten auf höchstens drei Legis­la­tur­pe­rioden begrenzt werden. Es häufen sich die Hin­ter­bänkler, die dank ihrer Netz­werke in der Partei immer wieder auf­ge­stellt werden, auch wenn sie im Par­lament kaum etwas leisten. Unbe­merkt hat sich das Par­lament vom Kon­trolleur der Regierung in ein Ver­sor­gungs­in­stitut für Abge­ordnete verwandelt.

Die Wahl ist vorbei, die  Pro­bleme sind geblieben. Da auch die Medien bei der Kon­trolle der Regierung ver­sagen, müssen die Bürger das selbst tun. Eine aktive Ein­mi­schung in unsere Ange­le­gen­heiten ist dringend geboten!

 

Bild: Wiki­pedia — Plenumssaal