Die Macht der Par­teien: Der Bun­destag immu­ni­siert sich gegen die Wähler

Seit Jahren lenke ich die Auf­merk­samkeit darauf, wie sich die poli­ti­schen Par­teien in Deutschland unsere Demo­kratie immer weiter ein­ver­leiben. Mehr als einmal habe ich an die Bür­ger­ge­sell­schaft appel­liert, sich gegen den Par­tei­en­staat zur Wehr zu setzen, um die Errichtung wei­terer Abschot­tungs­struk­turen, Selbst­be­die­nungs­budgets und Demo­kra­tie­um­ge­hungen zu unter­binden. Von der Kan­di­da­ten­auswahl für die Par­la­mente, über die Mit­be­stimmung der Bürger bei wich­tigen poli­ti­schen Wei­chen­stel­lungen, bis hin zur Direktwahl füh­render Staats­ämter reicht die Liste der Vor­schläge. Auch die Fest­schreibung per­sön­licher und fach­licher Zugangs­vor­aus­set­zungen für den Beruf des Poli­tikers, die Ein­führung einer Amts­haftung und die Begrenzung von Amts­zeiten gehören dazu. Am drin­gendsten erscheint jedoch das Kappen der üppig in die Par­tei­kassen flie­ßenden Steu­er­gelder und das Auf­brechen der intrans­pa­renten Finanz­be­zie­hungen zwi­schen den Par­teien und ihren jewei­ligen Stif­tungen. Längst hat sich ein Apparat ver­selb­ständigt, der von den Vätern der Demo­kratie dazu erdacht worden war, bei der poli­ti­schen Wil­lens­bildung des Volkes mit­zu­wirken, sich heute aber als dessen Vormund ver­steht. Zugleich hat sich die Berufs­po­litik immer weiter von der Bevöl­kerung ent­fernt. So sehr, dass sie inzwi­schen in einer Par­al­lelwelt um sich selbst kreist. Aus ihren Elfen­bein­türmen regieren mächtige Koali­tionen an Wahlvolk und Par­la­menten vorbei. Frak­tionen sind längst zu Befehls­emp­fängern der Par­tei­füh­rungen geworden, unab­hängige Abge­ordnete so selten wie ein weißer Rabe.

Ein fast undurch­dring­licher innerer Par­tei­zirkel bestimmt, wer Zugang zu Ämtern, Man­daten und Gremien bekommt

Gerade einmal 1,3 Mil­lionen Men­schen sind hier­zu­lande Mit­glied einer poli­ti­schen Partei. Ein Bruchteil von ihnen betätigt sich aktiv, kan­di­diert für kom­munale und über­re­gionale Par­la­mente oder arbeitet in offi­zi­ellen Par­tei­funk­tionen mit. Ein noch viel klei­nerer Teil steuert alles, was in diesem Land poli­tisch pas­siert. So kann Demo­kratie nicht funk­tio­nieren. Wer dies bemängelt, muss sich ent­gegnen lassen, er solle einer Partei bei­treten, nur dort könne man Demo­kratie aktiv gestalten. Ein gerne genom­menes Tot­schlag­ar­gument, das an der Rea­lität aller­dings vor­beigeht. Die sieht nämlich so aus, dass ein fast undurch­dring­licher innerer Zirkel weniger hoch­ran­giger Par­tei­funk­tionäre bestimmt, wer Zugang zu Ämtern, Man­daten und Gremien bekommt. Zwar ent­scheiden offi­ziell Mit­glie­der­ver­samm­lungen über die Besetzung von Posi­tionen und Wahl­listen, doch haben die Par­tei­fürsten in aller Regel zuvor dafür gesorgt, dass ihnen genehme oder zumindest unge­fähr­liche Kan­di­daten gekürt werden. Ähnlich verhält es sich oft auch mit Par­tei­tags­de­le­gierten, die hand­ver­lesen werden, um unliebsame Über­ra­schungen zu ver­meiden. Trotz aller Vor­be­reitung liefert eine Insze­nierung nicht immer das gewünschte Ergebnis, doch pas­siert dies derart selten, dass unge­plante Wahl­aus­gänge in den Füh­rungs­gremien der Par­teien einem Erd­beben gleich­kommen. Da passt es ins Bild, dass es als „Kampf­kan­di­datur“ gilt, sich neben dem erklärten Wunsch­kan­di­daten der Par­tei­spitze für eine Aufgabe zu bewerben.

Ab 2021 reicht bereits eine Legis­la­tur­pe­riode aus, um als Volks­ver­treter bis zu einer Drei­vier­tel­million Euro einzustreichen

Immer geht es um Macht. Vor allem in der Berufs­po­litik, in der die Existenz vieler Man­dats­träger vom Par­tei­en­staat abhängt. Aber auch jene Par­tei­vordere, die ihre Schäfchen bereits im Tro­ckenen haben, denken vielfach nur noch in Macht­er­hal­tungs­ka­te­gorien. Poli­tische Prin­zipien und klare Über­zeu­gungen stören da nur. Lästige Diä­ten­dis­kus­sionen erst recht. Und so haben die Par­teien längst dafür gesorgt, dass ihre Berufs­par­la­men­tarier per Stei­ge­rungs­au­to­matik ent­lohnt werden. Auch die Basis­sätze für die Par­tei­en­fi­nan­zierung wurden ange­hoben und die Regu­larien ange­passt, um lästige neue Mit­be­werber abzu­wehren. Nun soll die Aus­dehnung der Wahl­pe­riode den Bun­destag länger gegen den Wäh­ler­willen immun machen. Par­tei­über­greifend herrscht Einigkeit, das Projekt zügig angehen zu wollen. Wer ab 2021 ins höchste deutsche Par­lament gewählt wird, darf sich fünf Jahre lang über mehr als € 10.000 pro Monat freuen – künftige Stei­ge­rungen noch nicht ein­ge­rechnet. Da reicht bereits eine Legis­la­tur­pe­riode aus, um als Volks­ver­treter bis zu einer Drei­vier­tel­million Euro ein­zu­streichen. Dafür brauchen viele der Ver­tre­tenen ein ganzes Berufs­leben. Zusätzlich ver­schaffen sich die Bun­des­tag­par­teien immer mehr Abge­ord­ne­ten­plätze, indem ver­fas­sungs­rechtlich dringend ange­mahnte Reformen zur Ein­dämmung der Überhang- und Aus­gleichs­mandate auf die lange Bank geschoben werden. Schon jetzt ist absehbar, dass der kom­mende Bun­destag der größte sein wird, den es jemals gab. Der Par­tei­en­staat ist außer Kon­trolle geraten. Wir Bürger haben zu lange zugeschaut.

Ramin Peymani / peymani.de