Manager, Insi­der­handel und Moral – gefähr­liche Mißverständnisse

Der Markt ist kein Non­nen­kloster – aber auch keine Teufelsmesse

Frag­würdige Wirt­schafts­ethik – Wie Manager und Banker ticken.
„Gierig, risi­ko­freudig und eigen­nützig“: Das sind einige der gän­gigen Kli­schees über Manager, besonders im Finanz­sektor. Über die Finanz­krise 2008 sind in den letzten Jahren viele Bücher geschrieben und Filme über gierige Banker gedreht worden, die (fast) allesamt das gängige Kli­schee zu bestä­tigen scheinen.
Umwelt­sünden, Schmier­geld­zah­lungen, Stel­len­abbau, hor­rende Mana­ger­ge­hälter oder eben die aktuelle Finanz­krise: Wenn in der Wirt­schaft etwas schief läuft, gilt die rück­sichtslose Gier der Manager – und damit die Pro­fit­sucht der inter­na­tio­nalen Kon­zerne – als Quell´ allen Übels.

Der Gesell­schaft entfremdet
Die Ban­ken­skandale setzten letztlich auch ein Zeichen für eine völlige Ent­fremdung zwi­schen Finanz­sektor und Gesell­schaft. Das kommt nicht unvor­be­reitet: Es gibt nämlich keinen wirk­lichen Aus­tausch zwi­schen den Finanz­in­sti­tuten und der Gesell­schaft. Genau besehen, ver­läuft die Kom­mu­ni­kation ein­seitig nach außen. Das erklärt auch, daß bei Kritik oder Vor­würfen die Banken stets „ein bißchen beleidigt“ wirken. Auch erklärlich; denn die Geld­häuser wissen in aller Regel nicht, was die Gesell­schaft will bzw. von ihnen will. Banker sind nämlich grund­sätzlich der Meinung, sie täten ein gutes Werk. Die Rea­lität sieht anders aus, wie ich an den zwei Bei­spielen (weiter unten) erklären möchte.Zur Ent­fremdung der Gesell­schaft einer­seits und den Banken ande­rer­seits haben auch die Medien dabei mit­ge­holfen, in Zeiten von Finanz- und Euro-Krise eine Sprache zu erfinden, die einer Geheim­sprache gleicht, die nur noch Insider (sic!) ver­stehen. Meist unüber­setzt haben seit Jahren ver­mehrt Begriffe wie Deri­va­te­handel, Akti­en­fonds, Schul­den­de­flation, Null-Wachstum u. ä. sprach­liche Hoch­kon­junktur. Das macht ver­dächtig; denn es soll wohl von der Rie­sen­ka­ta­strophe auf dem Finanz­markt, der Sorge um unsere eigene wackelnde Währung oder anderen Pro­blemen ablenken.

In der Dis­kussion sollte man jedoch fai­rer­weise zuge­stehen, daß man nicht alles auf die ver­meint­liche Gier der Banker und Vor­stände oder auf mafiöse Banken- bzw. ‑Mana­ger­struk­turen schieben kann. Der Grund für solche Krisen sind schlicht auch Fehl­ent­schei­dungen, schlichte, aber schlimme Manage­ment­fehler. Wobei man durchaus den Ein­druck stehen lassen darf, etliche Manager seien zu doof für ihr eigenes System (z.B. Mid­delhoff – als ein Bei­spiel von vielen).
Selbst Markt­wirt­schaftler unter­liegen z. T. einem Irrtum:

Viele denken, wir würden in einer freien Markt­wirt­schaft leben. Aber so ist das nicht. Markt­wirt­schaft würde „freier Wett­bewerb“ bedeuten. Und den haben wir hier nicht. Es gibt gewal­tiges Lob­bytum, ein­fluß­reiche Ver­bände und Groß­kon­zerne, die sozu­sagen mit­re­gieren, in enger Abstimmung mit dem Staat.

Wenn man einmal ver­standen hat, daß in der Praxis der Kapi­ta­lismus sowieso nichts mit freien Märkten zu tun hat, dann ist es auch leichter zu ver­stehen, daß man auf gar keinen Fall die Finanz­märkte dere­gu­lieren sollte. Sondern ganz im Gegenteil: Die Banken brauchen extrem strenge Regeln. Und wenn man das nicht macht, dann gibt es die Fehl­ent­wick­lungen (siehe über­nächsten Absatz), wie man ja an drei Krisen auch sehen kann.

 „Kampf gegen den Kapitalismus“
Gegner unserer Wirt­schafts­ordnung fühlen sich durch solche Fehl­ent­wick­lungen in ihrem „Kampf gegen den Kapi­ta­lismus“ allzu gerne bestätigt. Aber es hilft nichts, das System, das unserer Wirt­schafts­ordnung zugrunde liegt, ist der Kapi­ta­lismus (mit sozialer Kom­po­nente = Soziale Markt­wirt­schaft). Und der ver­zeichnet zwar durch all die Krisen der Jahr­hun­derte Fehl­ent­wick­lungen und „Neben­wir­kungen“, die häß­liche Narben hin­ter­lassen, aber er ist nicht klein­zu­kriegen. Es gibt bis heute keine andere Wirt­schafts­ordnung, die erfolg­reicher war und ist als der Kapi­ta­lismus und erst recht als die Soziale Markt­wirt­schaft. Trotzdem können die meisten Markt­teil­nehmer damit bis heute nicht richtig umgehen. Ver­stehe, wer will!

Drei schwere Finanzkrisen
Zuge­geben, die Zeiten sind schwie­riger geworden, sehr viel schwie­riger. Etwa seit dem Jahre 2000 befindet sich der Kapi­ta­lismus in einer Art neuen Phase: Was wir seit 2000 erlebt haben, sind drei schwere Finanz­krisen. Erst die „Dotcom-Krise“, also die Inter­net­blase, die geplatzt ist, dann gab es die „Sub­prime-Krise“, also die „Hypo­the­ken­krise“, die aus den USA über uns her­ein­ge­brochen ist, und jetzt gibt es die „Euro-Krise“.

In nur zehn Jahren drei schwere Finanz­krisen – das ist in der Geschichte des Kapi­ta­lismus völlig neu. Diese drei Krisen bilden, all­gemein aus­ge­drückt, eine Art der Super­krise, die noch nicht bewältigt ist.

Krise des poli­ti­schen Manage­ments – eine nicht ganz unwichtige Rand­be­merkung:
Neben dem vorhin Geschrie­benen wird vielfach über­sehen, daß es noch eine die vierte Krise – eine fis­ka­lische und eine poli­tische gibt, letztlich eine Krise des poli­ti­schen Manage­ments. Die Euro-Krise z.B. läuft schon ein paar Jahre, in denen viele Fehler gemacht wurden, die die Gesamt­pro­ble­matik ver­schärfen (z. B. „Null-Zins-Politik“, „No-bail-out“-Verrat etc.)

Die Krise hat natürlich auch Deutschland erreicht, und die Sparer sind dem­entspre­chend total empört: Es gibt prak­tisch keine Zinsen mehr auf die Konten, so daß sich die Sparer ent­eignet fühlen. Und das ist auch ein Kri­sen­zeichen; denn Zinsen müssen ja aus dem erwirt­schaftet werden, was die Wirt­schaft jedes Jahr pro­du­ziert. Wenn sich aber prak­tisch ganz Europa in der Rezession befindet, kann es keine Zinsen geben.

Es hat eine Weile gebraucht – wir sind ja sooo geduldig – bis die Deut­schen gemerkt haben, daß es auch sie (be-)trifft. Denn bisher wurde uns vor­ge­macht – und wir haben´s gerne geglaubt – bei uns sei es doch „irgendwie besser als bei den anderen“. Irrtum! Das Wohl­gefühl der Deut­schen, überall sei Krise, nur bei uns nicht, war eine reine Selbsttäuschung.

Banken brauchen extrem strenge Regeln
Beim Handel mit Wäh­rungen z. B. handelt es sich um ein Volumen von 4,7 Bil­lionen Dollar pro Tag. Dieser Mega-Markt ist aber kaum regu­liert. Und das, obwohl die fest­ge­legten Kurse Aus­wir­kungen auf eine Vielzahl anderer Ver­trags­be­zie­hungen hätten. Das hat letztlich (oder besonders) auch eine soziale Relevanz, weil dadurch eine Fehl­al­lo­kation von Kapital statt­findet, und die zeitigt dann auch soziale Kosten.

Wohl die meisten Betrü­ge­reien im Ban­ken­be­reich sind aber nicht auf Geldgier zurück­zu­führen, sondern auf das Streben nach Aner­kennung durch den Arbeit­geber und auf die Angst um den Verlust von Ein­kommen bzw. Arbeits­platz. Man kann das auch pathe­tisch aus­drücken: Man will die Liebe dieser Insti­tution gewinnen und vergißt darüber Moral und Regeln.

Zwei Bei­spiele (aus viele anderen) mögen dies verdeutlichen:
1.) Kar­tell­ab­sprachen bei Kfz-Herstellern
Die Die­sel­affäre ist kein Ver­sagen ein­zelner Unter­nehmen, sondern das Ergebnis einer jah­re­langen Kun­gelei deut­scher Autobahn – so beschreibt es der „Spiegel“. Nach Infor­ma­tionen des Magazins haben sich VW, Audi, Porsche, BMW und Daimler seit den 90er-Jahren abge­sprochen bei mehr als tausend Treffen ver­schie­dener Arbeits­kreise und damit bri­san­ter­weise auch die Basis für den Die­sel­skandal gelegt, weil sie sich unter anderem über die Abgas­nach­be­handlung bei Die­sel­tanks ver­ständigt haben.

Die betrof­fenen Unter­nehmen behaupten natürlich mit frommem Augen­auf­schlag, das sei ein „völlig nor­males und legales Vor­gehen“ gewesen: „Es gab sowohl auf euro­päi­scher Ebene im Dach­verband Auto­mo­bil­in­dustrie in Brüssel beim ACEA als auch natürlich beim VDA (Verband der Deut­schen Auto­mo­bil­in­dustrie) eine Unzahl von Arbeits­kreisen, die sich über alle mög­lichen Fragen infor­mieren oder bezie­hungs­weise abstimmen.

Und das sei ein ganz offi­zi­elles und ein ganz legales Vor­gehen bisher. Das betrifft nicht nur die Auto­in­dustrie. Das gibt’s im Maschi­nenbau, das gibt’s in der Chemie, das gibt’s in allen großen Indus­trie­zweigen. Insofern über­rascht mich jetzt diese Meldung.“ Dies sagte z. B. Helmut Becker, ehe­ma­liger Chef­volkswirt bei BMW dem DLF.

Ein Kartell – und keine Schuldigen?
Aber das hat schon ein G´schmäckle, u. zw. durchaus zu Recht. In den 1980er‑, 90er-Jahren wurden bei­spiels­weise Preis­an­he­bungen in der Auto­mo­bil­in­dustrie im Frühjahr regel­mäßig in einem bestimmten Turnus beschlossen (und ein­ge­führt), bei denen der Erste, der die Preise ange­hoben hat, sich abwech­selte. Das stank zwar gewaltig nach Absprache, aber das Kar­tellamt hatte das über 20 Jahre lang hin­ge­nommen und keinen Anlaß gesehen einzugreifen.

Und wenn sich fünf Unter­nehmen über Ent­wick­lungs­schritte absprechen und da mög­li­cher­weise auch Optionen wählen, die umwelt­schäd­licher sind und die im End­effekt auch Men­schen­leben kosten, und diese Infor­ma­tionen nicht mit anderen Auto­kon­zernen aus anderen Ländern bei­spiels­weise teilen, dann nennt man dies nicht nur „Absprache“, sondern dann ist das ein Kartell und ein krasser Wettbewerbsverstoß.

Ein solcher mas­siver Kar­tell­verstoß müßte eigentlich per­so­nelle und harte mate­rielle Kon­se­quenzen haben, und die Manager – nicht die Beleg­schaft – müßte zur Ver­ant­wortung gezogen werden; denn sie sind die wahren Schul­digen. Da müßte die Strafe auf dem Fuße folgen, und das würde in die Mil­li­arden gehen. Aber es pas­siert (noch?) nichts. Da kann man als betro­gener Bürger nur noch spotten: „VW läßt grüßen“. Nach deren Skandal (2015) ist auch nichts pas­siert. Und auf ein schuld­be­wußtes Bekenntnis auch nur eines Managers werden wir wohl lange warten müssen.

2.) Ver­dacht auf Insi­der­handel – Staats­an­walt­schaft ermittelt gegen Deutsche-Börse-Chef
2005 schei­terte der Versuch, die Deutsche Börse AG, eines der bedeu­tendsten DAX-Unter­nehmen, mit der Lon­doner Börse zu fusio­nieren. Nun hatten beide Unter­nehmen einen neuen Anlauf für einen Zusam­men­schluß unter­nommen. Wäre die Fusion gelingen, wäre der mit Abstand größte euro­päische Bör­sen­be­treiber entstanden.

„Der Zusam­men­schluss zwi­schen Deutsche Börse und London Stock Exchange hätte den Wett­bewerb erheblich ein­ge­schränkt, denn er hätte in einem wich­tigen Bereich, dem Clearing fest­ver­zins­licher Finanz­in­stru­mente, ein De-facto-Monopol geschaffen“, erklärte EU-Kom­mis­sarin Mar­grethe Vestager.

So geht es halt, wenn jemand aufpaßt, mag der gemeine Mensch denken und die Sache damit für erledigt halten. In diesem Falle aber nicht:

Die Staats­an­walt­schaft ermittelt nun gegen Deutsche-Börse-Chef Carsten Ken­geter. Dabei geht es um den Ver­dacht des Insi­der­handels beim Kauf eines Akti­en­pakets. Die Deutsche Börse weist den Vorwurf zurück.

Ein Blick auf den Akti­enkurs zeigte: Von 50 Euro zu seiner Ernennung vor drei Jahren bis hin zu gut 90 Euro stieg der Kurs, den Ken­geter als dyna­mi­scher Invest­ment­banker dem Quasi-Mono­po­listen Börse AG beschert hatte.
Viele Fragen offen

Und auch hier das übliche Zere­mo­niell: „Die Vor­würfe sind haltlos.“ So deutlich nahm der Auf­sichts­rats­vor­sit­zende der Deut­schen Börse AG, Joachim Faber, seinen Vor­stands­vor­sit­zenden Carsten Ken­geter in Schutz vor dem Vorwurf des Insi­der­handels. Die Nach­rich­ten­ma­schi­nerie kam in Gang, weil die Staats­an­walt­schaft Frankfurt das Büro und die private Wohnung Ken­geters durch­sucht hatte. Dar­aufhin gab die Börse eine Pflicht­mit­teilung an den Kapi­tal­markt heraus. Die Staats­an­walt­schaft habe ermittelt, steht darin, und auch: Unter­nehmen und Vor­standschef koope­rierten in vollem Umfang mit der Staatsanwaltschaft.

Es sei die Aufgabe Ken­geters als Bör­senchef, den Wert des Unter­nehmens zu steigern.

So weit alles klar? Mit­nichten! Denn auch Ken­geter war und ist Aktionär der Deut­schen Börse AG. Das war sogar Folge seines Arbeits­ver­trages, weil er auch in Aktien bezahlt wurde, um moti­viert zu sein.

Um nicht miß­ver­standen zu werden: Ken­geter hat solange als unschuldig zu gelten, bis er (evtl.) ver­ur­teilt wird. Aber – ver­ein­facht aus­ge­drückt: Ken­geter war nicht irgendein Manager, sondern der Chef, der ver­ant­wort­liche Lenker des Unter­nehmens. Und als solcher ist man selbst­ver­ständlich mit alle wich­tigen Vor­gängen und Vor­haben ver­traut. Und dazu gehörten ganz gewiß die Pläne zu einer Fusion mit London.

Staats­an­walt­schaft ermittelt
Wer wußte wann was? Das ist ent­scheidend für den Ver­dacht des Insi­der­handels. Ken­geter hatte im Dezember 2015 für 4,5 Mil­lionen Euro Aktien der Deut­schen Börse gekauft. Erst zwei Monate später, im Februar 2016, machte die Börse ihre Fusi­ons­pläne mit der Lon­doner Börse öffentlich. Auf­sichts­ratschef Faber ergänzte noch, erst in der zweiten Janu­ar­hälfte 2016 hätten sich die Chefs von Deut­scher und Lon­doner Börse auf Fusi­ons­ver­hand­lungen ver­ständigt. Auch das also nach Ken­geters Aktienkäufen.

Die Staats­an­walt­schaft hat aber andere Infor­ma­tionen. Und deshalb ermittelt sie wegen des Ver­dachts des Insi­der­handels. Ihre Spre­cherin Nadja Niesen:

„Der Anfangs­ver­dacht gegen den Beschul­digten resul­tiert aus Gesprächen, die im Zeitraum Sommer bis Anfang Dezember 2015 durch die Lei­tungs­ebenen der Deut­schen Börsen AG und der London Stock Exchange geführt wurden und die eine mög­liche Fusion der beiden Unter­nehmen sowie auch die Frage des mög­lichen Sitzes der neuen Börse zum Inhalt hatten. In dem Zusam­menhang wird dem Beschul­digten vor­ge­worfen, bereits Mitte Dezember 2015 in Kenntnis dieser bis dato nicht ver­öf­fent­lichten Ver­trags­ge­spräche, welche die Staats­an­walt­schaft als Insi­der­infor­mation im Sinne des Wert­pa­pier­han­dels­ge­setzes wertet, Aktien seines Unter­nehmens erworben zu haben.“

Danach liefen die Gespräche also schon mona­telang, bevor Ken­geter Aktien kaufte.

Die Deutsche Börse ver­weist auf die Ver­gü­tungs­re­gelung mit Ken­geter, wonach er bis Ende 2015 aus pri­vaten Mitteln die Aktien kaufen mußte, um ein gleich­großes Akti­en­paket als Gehalt zu bekommen. Die Staats­an­walt­schaft reagiert darauf gelassen. Ober­staats­an­wältin Nadja Niesen:

 „Hierbei handelt es sich um eine Rechts­frage. Und da müssen wir jetzt die wei­teren Ermitt­lungen abklären und abwarten, wie das Ganze dann letztlich rechtlich von Seiten der Staats­an­walt­schaft aus­ge­wertet wird.“

Zu bewerten sein wird dabei auch, daß der Auf­sichtsrat die in Rede ste­hende Ver­gü­tungs­re­gelung für Ken­geter am 23. Sep­tember 2015 beschloß – zu einer Zeit also, als nach Infor­ma­tionen der Staats­an­walt­schaft das Bör­sen­ma­nagement schon drei Monate mit der Lon­doner Börse die geplante Fusion auslotete.

Ken­geter legt sein Amt nieder.
Nun kommt der über­ra­schende Schritt – wie auch immer er zu bewerten ist: Ken­geter werde sich Ende des Jahres von seinem Posten zurück­ziehen, teilte das Unter­nehmen vor wenigen Tagen in Frankfurt a.M. nach einer außer­or­dent­lichen Auf­sichts­rats­sitzung mit. Man bedauere den Schritt. Ken­geters Vertrag wäre ursprünglich Ende März 2018 abgelaufen.

Auf spe­ku­lative Fragen werde er nicht ein­gehen und er gebe keine wei­teren Aus­künfte auf­grund der lau­fenden Ermitt­lungen: Bei der per­sön­lichen Erklärung des Bör­sen­chefs Carsten Ken­geter blieben viele Fragen unbe­ant­wortet –zum Vorwurf des Insiderhandels.

Und die Fragen häuften sich. Warum hat Ken­geter Ende 2015 Aktien der Deut­schen Börse in Mil­lio­nenhöhe gekauft, kurz bevor der Fusi­onsplan mit der Lon­doner Börse aufkam? Warum hat er sich dem Vorwurf des Insi­der­handels aus­ge­setzt, den ihm nun die Staats­an­walt­schaft vorhält? Warum hatte nur er das Angebot des Auf­sichts­rates, die eigenen Mil­lio­nen­käufe durch eine Zulage des Arbeit­gebers in gleicher Höhe zu ver­doppeln? Warum nicht der ganze Vor­stand? usw.

Es bleibt, wie bei dem Bei­spiel der Auto­in­dustrie (s.o.), zu über­prüfen, ob die soge­nannte ad-hoc-Mit­teilung – das ist die Mit­teilung an die Aktionäre, und zwar trans­parent an alle Aktionäre – nicht nur an einige Aktionäre raus­ge­gangen sind, und zwar in einer bestimmten Art und Weise und sehr zeitnah. Ob dies hier korrekt durch­ge­führt wurde oder nicht, ist in der Tat im Augen­blick noch offen. Ins­be­sondere ist zu prüfen, ob ein straf­be­wehrter Tat­be­stand gegeben ist.

Gewinne maxi­mieren

Da haben wir also zwei schwere (und schwierige) Fälle, die durchaus die Frage nach der Manager-Moral erlauben. Für viele scheint nach wie vor Milton Friedmans Diktum zu gelten: „Die gesell­schaft­liche Ver­ant­wortung von Unter­nehmen besteht darin, Gewinne zu maxi­mieren. Danach sind ethische Pro­bleme gesell­schaft­licher Natur, das heißt, außerhalb des Unter­nehmens zu lösen.“

Vieles von dem, was the­ma­ti­siert wird, zum Bei­spiel Grund­sätze wie „Ver­sprechen sind zu halten“ oder „Wie wichtig sind einem Unter­nehmen die Cor­porate Gover­nance-Regeln?“, erscheinen gerade Managern trotz aller Lip­pen­be­kennt­nisse trivial oder im unter­neh­me­ri­schen Alltag nicht umsetzbar. In der Tat, die Wirt­schafts­praxis scheint den Managern immer wieder unlösbare Kon­flikte zwi­schen Gewinn und Moral zu bereiten. Viele Manager glauben, daß ihr Unter­nehmen, wenn sie der Moral den Vorzug geben, Wett­be­werbs­nach­teile in Kauf nehmen müßte.

Manager sollten aber ver­meint­liche Kon­flikte zwi­schen Gewinn und Moral im Vorfeld erkennen und ent­schärfen können – kurz: Sie müssen es schaffen, Gewinn und Moral für­ein­ander fruchtbar zu machen. Beim mora­li­schen Enga­gement von Unter­nehmen geht es nicht um Zusatz­ak­ti­vi­täten neben dem Kern­ge­schäft, also um Luxus“, sondern erfolg­reiche Manager setzen Moral als Pro­duk­ti­ons­faktor ein. Sie gehen Bin­dungen ein, die bei ihren Kapi­tal­gebern, Mit­ar­beitern, Kunden und Lie­fe­ranten pro­duktive Gegen­re­ak­tionen auslösen.

Schöner Schein, raue Wirk­lichkeit. Der Markt ist kein Non­nen­kloster, aber auch keine Teufelsmesse.