„Dagegen werden wir klagen“ posaunte FDP-Chef Christian Lindner noch kurz vor der Bundestagswahl, so man ihn auf das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (Maas-Zensurgesetz) ansprach. Doch davon ist nach der Wahl nicht viel geblieben. Grund genug für den ehemaligen Bundesgeschäftsführer Fritz Goergen hart mit der FDP ins Gericht zu gehen. Sein Urteil: gewogen und zu leicht befunden.
Die FDP möge nie wieder von Freiheit und Recht sprechen
Fritz Goergen (Geburtsname: Fritz Fliszar) war von 1975 bis 1979 zuerst stellvertretender dann 1979 bis 1983 Bundesgeschäftsführer der FDP. Sehr erfolgreich leitete er die FDP-Wahlkampagne im Landtagswahlkampf 2000 in Nordrhein-Westfalen, bei welcher die FDP sich von 4,0 auf 9,8 Prozent verbessern konnte. Für Jürgen Möllemann konzipierte er 2001 als Strategieberater die „Strategie 18“. Ein Jahr später wurde er dann Strategieberater von Guido Westerwelle, bevor er nach der Bundestagswahl 2002 aus der FDP austrat.
Auf Tichys Einblick, wo Goergen eine eigene Kolumne hat, rechnet Goergen heute gnadenlos mit seiner ehemaligen Partei ab. Er schreibt, die FDP wolle einen Jamaika-Vertrag unterschreiben, ohne ein sofortiges Ende des Maas’schen Zensur-Gesetzes überhaupt auch nur zu versuchen oder gar zur Koalitionsbedingung zu machen. Künftig möge sie nie wieder von Freiheit und Recht sprechen.
Der Liberalismus trage sich selbst zu Grabe
Heiko Maas (SPD) habe ein politisch vergiftetes Erbe hinterlassen. Lindner, Kubicki & die FDP wollten die Erbschaft aber offensichtlich antreten. Damit aber trage sich der Rest des „organisierten Liberalismus“ selbst zu Grabe. Denn wie das Handelsblatt heute berichtet, sollen die Jamaika-Unterhändler sich im Grundsatz darauf verständigt haben, am umstrittenen Gesetz zum härteren Vorgehen „gegen Hass und Hetze im Internet“ festzuhalten. „Dagegen werden wir klagen“ habe der FDP-Chef Lindner kurz vor der Bundestagswahl das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ins Visier genommen, so das Handelsblatt weiter. In den Jamaika-Sondierungen scheint von der harten Haltung nicht viel übrig geblieben zu sein. In Details soll es nach dem Willen von CDU, CSU, FDP und GRÜNEN zwar kleine Änderungen geben, zugleich hätten die Jamaika-Partner aber die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung unterstrichen.
Dabei habe der Chef der Jungen Liberalen, Konstantin Kuhle, sich erst am Freitag für eine Rücknahme des NetzDG ausgesprochen, berichtet das Handelsblatt weiter. Man brauche nicht immer wieder neue Gesetze, die zur Einschränkung der persönlichen Freiheiten führten. „Ich könnte mir vorstellen, dass man das Netzwerkdurchsetzungsgesetz abschafft, das gerade von der Großen Koalition eingeführt worden ist“, sagte Kuhle gestern erst den Stuttgarter Nachrichten.
Wieder nur viel heiße Luft von der FDP?
Ich selbst hatte hier schon vor zwei Monaten darüber berichtet, was von den Ankündigungen von Lindner und der FDP zu halten sei, das Maas-Zensur-Gesetz wieder zurückzunehmen. Ich ließ durchblicken, dass Christian Lindner einer der Größten von allen ist, wenn es darum geht, Sprüche zu klopfen und großartige Ankündigungen zu machen, dass aber nicht erwartet werden dürfe, die FDP – die ich übrigens fast 20 Jahre lang gewählt habe – würde dies tatsächlich umsetzen. Joachim Steinhöfel hatte Christian Lindner bereits zwei Wochen vor der Bundestagswahl durch geschicktes Nachfragen entlarvt und es war klar, dass von der FDP außer heißer Luft hier nicht viel kommen würde.
Doch zurück zu dem ehemaligen Bundesgeschäftsführer Fritz Goergen, der sich ähnlich enttäuscht zeigt von seiner ehemaligen Partei. Ein Mitglied der Partei, die im Zweifel gegen jede Privatisierung sei (SPD), habe nicht nur die Verfolgung von „hate speech“ initiiert, sondern beauftrage damit private Einrichtungen, die Maas und andere aus der SPD in der Regierung unter Missbrauch von Steuermitteln finanzierten, so Goergen. Und wie es in diesen privaten Einrichtungen zugeht, darüber hat der Chefredakteur von Die Unbestechlichen Hanno Vollenweider hier mehr als beeindruckend berichtet: Wie Facebook im Auftrag der Regierung die Demokratie bekämpft – eine Insiderin packt aus.
Ein politisches Verbrechen gegen die Herrschaft des Rechts
Wie verrückt das Ganze aber wird und wie offensichtlich alle Altparteien, egal welcher Couleur zusammenarbeiten und gegen all ihre Grundsätze verstoßen, wenn es nur darum geht, Kritiker mundtot zu machen respektive vollständig aus dem öffentlichen Kurs auszuschalten, das macht Goergen mit folgenden Worten deutlich: Zwei Mitglieder einer Partei, die im Zweifel für jede Privatisierung sei (FDP), schluckten das Zensurgesetz auf dem Weg in die Schwampel Jamaika. Maas, der für die Herrschaft des Rechts innerhalb des Bundeskabinetts Verantwortung getragen habe, der Wächter darüber sein sollte, dass die Justiz unbestechlich und unabhängig gleiches Recht für alle walten lässt, verordnete die Verfolgung und Ächtung von Andersdenkenden. Und alle in diesem Kabinett von Merkel angefangen ließen es geschehen, dass gleiches Recht für alle in dieser Republik zur hohlen Phrase verkam, so Goergen. Fehle nur noch, dass demnächst ein FDP-Mitglied das Maas’sche Erbe im Justizministerium verwalte.
Vor ein paar Wochen habe er, Goergen, noch geschrieben: „Auf welchen politischen Treibsand auch immer versucht werden wird, das politische Ungetüm namens Jamaika zu gründen, das politische Verbrechen gegen die Herrschaft des Rechts, dessen sich Heiko Maas schuldig gemacht hat und alle anderen in Regierung und Parlament durch ihre Duldung bis Mitwirkung, kann von Jamaika nicht überboten werden.“
FDP, Freiheit und Recht passen nicht mehr zusammen
Doch er habe sich geirrt. Die FDP wolle einen Jamaika-Vertrag unterschreiben, ohne ein sofortiges Ende des Maas’schen Zensur-Gesetzes überhaupt auch nur zu versuchen, ohne die sofortige Außerkraftsetzung des NetzDG und all dessen, was sonst noch zur Zerstörung des Rechts getan wurde, überhaupt in Erwägung zu ziehen. Dies müsste eine echte liberale Partei zur Koalitionsbedingung machen. Wer so handle, der sei zu noch mehr politischen Verbrechen gegen den Geist des Liberalismus fähig. Und Fritz Goergen, der ehemalige Bundesgeschäftsführer der FDP endet mit den Worten: „Künftig mögen Lindner, Kubicki & FDP die Worte Freiheit und Recht nie wieder in den Mund nehmen.“
Dem habe ich, als langjähriger FDP-Wähler nichts hinzuzufügen außer diesem: Recht hat er, der Herr Goergen.
Jürgen Fritz / www.juergenfritz.com